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Inhaltsverzeichnis
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# UN-Behindertenrechtskonvention 
# Definition: Integration und Inklusion
# Voraussetzungen und Merkmale für eine erfolgreiche inklusive Berufsorientierung 
# Berufsausbildung
# Rechtliche Perspektive: Definitions- und Erfassungsprobleme
# Institutionelle Angebote für Auszubildende mit Behinderung: Ihre Nutzung und ihre Probleme
# Literaturverzeichnis 
   
   
= 1. UN-Behindertenrechtskonvention=
= UN-Behindertenrechtskonvention=
Bund und Länder verpflichten sich durch den Beitritt der Bundesrepublik zur UN-Behindertenrechtskonvention 2009, „dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;“ (Art. 24 (2) 2. UN-Behindertenrechtskonvention (vgl. UN-Behindertenrechtskonvention. Bildung. https://www.behindertenrechtskonvention.info/bildung-3907/).
Bund und Länder verpflichten sich durch den Beitritt der Bundesrepublik zur UN-Behindertenrechtskonvention 2009, „dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;“ (Art. 24 (2) 2. UN-Behindertenrechtskonvention (vgl. UN-Behindertenrechtskonvention. Bildung. https://www.behindertenrechtskonvention.info/bildung-3907/).
'''Auf Grundlage dessen ist eine inklusive Schulform, welche auch eine inklusive berufliche Orientierung miteinschließt, eines der wesentlichen Ziele der Bildungspolitik.'''
'''Auf Grundlage dessen ist eine inklusive Schulform, welche auch eine inklusive berufliche Orientierung miteinschließt, eines der wesentlichen Ziele der Bildungspolitik.'''
Um die bloße Eingliederung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in das Schulsystem von einem inklusiven Unterricht abzugrenzen, wird im Folgenden auf die beiden Begrifflichkeiten Integration und Inklusion eingegangen.
Um die bloße Eingliederung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in das Schulsystem von einem inklusiven Unterricht abzugrenzen, wird im Folgenden auf die beiden Begrifflichkeiten Integration und Inklusion eingegangen.


= 2. Definion: Integration und Inklusion=
=Definion: Integration und Inklusion=
Die inklusive Berufsorientierung nach Koch auf Grundlage des „Index der Inklusion“
Die inklusive Berufsorientierung nach Koch auf Grundlage des „Index der Inklusion“
Auf Grundlage entwickelter Konzepte aus den USA und Australien (Booth / Ainscow 2000) übersetzten Hinz und Boban (2003) den „Index der Inklusion“ (vgl. Boban / Hinz 2015, S. 8). Demnach lassen sich die beiden Begriffe wie folgt voneinander unterscheiden:
Auf Grundlage entwickelter Konzepte aus den USA und Australien (Booth / Ainscow 2000) übersetzten Hinz und Boban (2003) den „Index der Inklusion“ (vgl. Boban / Hinz 2015, S. 8). Demnach lassen sich die beiden Begriffe wie folgt voneinander unterscheiden:
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Abb 1: Dimensionen einer inklusiven BO. (Boban, Ines / Hinz, Andreas (2011): Boban, Ines / Hinz, Andreas (2011): Der Index für Inklusion. Eine konkrete Hilfe für inklusive Schulentwicklung. In: Schulmagazin 5-10, H. 12, S.11-14.)
Abb 1: Dimensionen einer inklusiven BO. (Boban, Ines / Hinz, Andreas (2011): Boban, Ines / Hinz, Andreas (2011): Der Index für Inklusion. Eine konkrete Hilfe für inklusive Schulentwicklung. In: Schulmagazin 5-10, H. 12, S.11-14.)
= 3. Voraussetzungen und Merkmale für eine erfolgreiche inklusive BO=
= Voraussetzungen und Merkmale für eine erfolgreiche inklusive BO=
Auf Grundlage des in Abb 1. Dargestellten Konzeptes entwickelte Koch (2015) Voraussetzungen für eine erfolgreiche inklusive Berufsorientierung an der Schule. Sie formulierte für jeden relevanten Indikator des Index für Integration (vgl. Booth / Ainscow 2003) eine Konsequenz für eine inklusive BO.
Auf Grundlage des in Abb 1. Dargestellten Konzeptes entwickelte Koch (2015) Voraussetzungen für eine erfolgreiche inklusive Berufsorientierung an der Schule. Sie formulierte für jeden relevanten Indikator des Index für Integration (vgl. Booth / Ainscow 2003) eine Konsequenz für eine inklusive BO.


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Einem heterogenen Klassenverbund gerecht zu werden bedeutet in Bezug auf die Institution Schule Lehrkräfte und Sonderpädagog*innen als Teil einer Klasse. Soll BO inklusiv gestaltet werden, so muss von den Lehrkräften und Sonderpädagog*innen in gemeinsamer Verantwortung gedacht werden.  (vgl. Koch 2015b, S.286).Weiter sind außerschulische Partner*innen von zentraler Bedeutung. Gerade Jugendliche mit Unterstützungsbedarf kann der Übergang von Schule zu Beruf erleichtert werden, indem externe Unterstützung in Form von Therapeuten, der Agentur für Arbeit oder Integrationsfachdiensten angeboten wird. Damit kann der Veränderungsprozess für die Schüler*innen angenehmer gestaltet werden. Ist die BO curricular in das Bildungsprogramm eingebunden, hängt der Erfolg einer inklusiven BO von den Einzelschulen ab. (vgl. Netwig, Lena 2018, S. 78)
Einem heterogenen Klassenverbund gerecht zu werden bedeutet in Bezug auf die Institution Schule Lehrkräfte und Sonderpädagog*innen als Teil einer Klasse. Soll BO inklusiv gestaltet werden, so muss von den Lehrkräften und Sonderpädagog*innen in gemeinsamer Verantwortung gedacht werden.  (vgl. Koch 2015b, S.286).Weiter sind außerschulische Partner*innen von zentraler Bedeutung. Gerade Jugendliche mit Unterstützungsbedarf kann der Übergang von Schule zu Beruf erleichtert werden, indem externe Unterstützung in Form von Therapeuten, der Agentur für Arbeit oder Integrationsfachdiensten angeboten wird. Damit kann der Veränderungsprozess für die Schüler*innen angenehmer gestaltet werden. Ist die BO curricular in das Bildungsprogramm eingebunden, hängt der Erfolg einer inklusiven BO von den Einzelschulen ab. (vgl. Netwig, Lena 2018, S. 78)
Dabei kann es nicht Aufgabe der einzelnen Lehrperson sein qualitativ hochwertige BO zu vermitteln. BO ist als Gemeinschaftsaufgabe zu betrachten, die kollektiv zu bewältigen ist. BO ist damit als Gemeinbildungsauftrag aller Lehrkräfte und Fächer zu begreifen. (vgl. Netwig, Lena 2018, S. 91). Pädagogische Personal und der Wille zur Weiterentwicklung (Reflexion und Evaluation) sind zentral. (vgl. Netwig, Lena 2018, S. 78)
Dabei kann es nicht Aufgabe der einzelnen Lehrperson sein qualitativ hochwertige BO zu vermitteln. BO ist als Gemeinschaftsaufgabe zu betrachten, die kollektiv zu bewältigen ist. BO ist damit als Gemeinbildungsauftrag aller Lehrkräfte und Fächer zu begreifen. (vgl. Netwig, Lena 2018, S. 91). Pädagogische Personal und der Wille zur Weiterentwicklung (Reflexion und Evaluation) sind zentral. (vgl. Netwig, Lena 2018, S. 78)
= 4. Berufsausbildung=
= Berufsausbildung=
In Deutschland gilt eine vollqualifizierende Ausbildung als zentrale Weichenstellung für die eigene Entwicklung und die gesellschaftliche Teilhabe. Damit hat die Inklusion bzw. die Exklusion in diesem zentralen Lebensbereich Folgen auf weitere Lebensbereiche (vgl. Hoff et al. 1991, S.62 ff.).
In Deutschland gilt eine vollqualifizierende Ausbildung als zentrale Weichenstellung für die eigene Entwicklung und die gesellschaftliche Teilhabe. Damit hat die Inklusion bzw. die Exklusion in diesem zentralen Lebensbereich Folgen auf weitere Lebensbereiche (vgl. Hoff et al. 1991, S.62 ff.).
== 4.1 Rechtliche Perspektive: Definitions- und Erfassungsprobleme==
==Rechtliche Perspektive: Definitions- und Erfassungsprobleme==
Im Sozialgesetzbuch (§ 2 Abs. 1 SGB IX) werden die grundlegenden Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen formuliert und eine Behinderung liegt vor, wenn bei Menschen „ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“. Im SGB III wird für die Berufsausbildung die generelle Definition nochmals präzisiert. Menschen gelten als behindert, bei denen die „Art oder Schwere ihrer Behinderung“ ihre Aussichten am Arbeitsleben teilzuhaben, nicht nur vorübergehend wesentlich mildert und sie „deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich lernbehinderter Menschen“ (§19 Abs. 1 SGB III) (vgl Zoyke / Vollmer 2016, S.45). Ein während der Schulzeit festgestellter „sonderpädagogischer Förderbedarf“ reicht nicht zur Aufnahme in den Leistungsbezug nach SGB III, auch wenn im Gesetzestext von „lernbehinderte(n) Menschen“ die Rede ist. Aufgrund dessen ist es, wie in Kapitel 3 bereits festgestellt, wichtig, Kinder und Jugendliche nicht ausschließlich auf ihren Förderbedarf hin zu fördern, sondern durch eine umfassende inklusive berufliche Orientierung, gute Begleitung und ganzheitliches Wissen zu generieren.
Im Sozialgesetzbuch (§ 2 Abs. 1 SGB IX) werden die grundlegenden Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen formuliert und eine Behinderung liegt vor, wenn bei Menschen „ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“. Im SGB III wird für die Berufsausbildung die generelle Definition nochmals präzisiert. Menschen gelten als behindert, bei denen die „Art oder Schwere ihrer Behinderung“ ihre Aussichten am Arbeitsleben teilzuhaben, nicht nur vorübergehend wesentlich mildert und sie „deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich lernbehinderter Menschen“ (§19 Abs. 1 SGB III) (vgl Zoyke / Vollmer 2016, S.45). Ein während der Schulzeit festgestellter „sonderpädagogischer Förderbedarf“ reicht nicht zur Aufnahme in den Leistungsbezug nach SGB III, auch wenn im Gesetzestext von „lernbehinderte(n) Menschen“ die Rede ist. Aufgrund dessen ist es, wie in Kapitel 3 bereits festgestellt, wichtig, Kinder und Jugendliche nicht ausschließlich auf ihren Förderbedarf hin zu fördern, sondern durch eine umfassende inklusive berufliche Orientierung, gute Begleitung und ganzheitliches Wissen zu generieren.
Der Prozess der Leistungsfeststellung der SGB folgt hier.
Der Prozess der Leistungsfeststellung der SGB folgt hier.
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Das Berufsbildungsgesetz BBiG (§§ 64 bis 66) ist für die Berufsausbildung von Menschen mit Behinderungen eine weitere wichtige gesetzliche Grundlage. Im BBiG wird der Nachteilsausgleich bei der Durchführung von Ausbildungen und Prüfungen, sowie Sonderausbildungen für Jugendliche mit Behinderungen geregelt. Das BBiG, als auch das SGB III präferieren eine Ausbildung von Menschen mit Behinderungen in anerkannten, vollqualifizierenden Ausbildungsgängen des Regelsystems, allerdings ist dies nicht immer möglich. Das BBiG sieht daher auch Sonderberufsausbildungsgänge in „Berufen für Menschen mit Behinderungen“ (§ 66 BBiG und § 42 m Handwerksordnung HwO) vor, welche in der Regel auf die Theorie reduziert werden und auf 2 Jahre verkürzt werden. Die Antragstellung von Jugendlichen mit anerkannter Behinderung läuft über die zuständige Kammer (vgl. Zoyke / Vollmer 2016, S. 46).
Das Berufsbildungsgesetz BBiG (§§ 64 bis 66) ist für die Berufsausbildung von Menschen mit Behinderungen eine weitere wichtige gesetzliche Grundlage. Im BBiG wird der Nachteilsausgleich bei der Durchführung von Ausbildungen und Prüfungen, sowie Sonderausbildungen für Jugendliche mit Behinderungen geregelt. Das BBiG, als auch das SGB III präferieren eine Ausbildung von Menschen mit Behinderungen in anerkannten, vollqualifizierenden Ausbildungsgängen des Regelsystems, allerdings ist dies nicht immer möglich. Das BBiG sieht daher auch Sonderberufsausbildungsgänge in „Berufen für Menschen mit Behinderungen“ (§ 66 BBiG und § 42 m Handwerksordnung HwO) vor, welche in der Regel auf die Theorie reduziert werden und auf 2 Jahre verkürzt werden. Die Antragstellung von Jugendlichen mit anerkannter Behinderung läuft über die zuständige Kammer (vgl. Zoyke / Vollmer 2016, S. 46).
 
 
== 4.2 Institutionelle Angebote für Auszubildende mit Behinderungen: ihre Nutzung und ihre Probleme==
== Institutionelle Angebote für Auszubildende mit Behinderungen: ihre Nutzung und ihre Probleme==
Ausbildungsorte
Ausbildungsorte
In den bundesweit 52 Berufsbildungswerken oder vergleichbaren Einrichtungen findet überwiegend die Ausbildung nach § 66 BBiG statt. Damit erfolgt ein Großteil der Ausbildungen von Menschen mit Behinderungen in Sondereinrichtungen und nicht inkludiert. Derzeit besteht eine Angebotslücke in der Berufsausbildung von Jugendlichen mit Behinderungen. Für die tatsächlich gegenwärtige Lücke liegen derzeit nur Schätzungen vor. Eine erste Information gibt jedoch folgende Tabelle (Zoyke / Vollmer 2016, S. 50-51):
In den bundesweit 52 Berufsbildungswerken oder vergleichbaren Einrichtungen findet überwiegend die Ausbildung nach § 66 BBiG statt. Damit erfolgt ein Großteil der Ausbildungen von Menschen mit Behinderungen in Sondereinrichtungen und nicht inkludiert. Derzeit besteht eine Angebotslücke in der Berufsausbildung von Jugendlichen mit Behinderungen. Für die tatsächlich gegenwärtige Lücke liegen derzeit nur Schätzungen vor. Eine erste Information gibt jedoch folgende Tabelle (Zoyke / Vollmer 2016, S. 50-51):

Version vom 7. Januar 2022, 13:06 Uhr

INKLUSION UND BERUFSORIENTIERUNG Klingler/Marzluf

Inhaltsverzeichnis

UN-Behindertenrechtskonvention

Bund und Länder verpflichten sich durch den Beitritt der Bundesrepublik zur UN-Behindertenrechtskonvention 2009, „dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;“ (Art. 24 (2) 2. UN-Behindertenrechtskonvention (vgl. UN-Behindertenrechtskonvention. Bildung. https://www.behindertenrechtskonvention.info/bildung-3907/). Auf Grundlage dessen ist eine inklusive Schulform, welche auch eine inklusive berufliche Orientierung miteinschließt, eines der wesentlichen Ziele der Bildungspolitik. Um die bloße Eingliederung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in das Schulsystem von einem inklusiven Unterricht abzugrenzen, wird im Folgenden auf die beiden Begrifflichkeiten Integration und Inklusion eingegangen.

Definion: Integration und Inklusion

Die inklusive Berufsorientierung nach Koch auf Grundlage des „Index der Inklusion“ Auf Grundlage entwickelter Konzepte aus den USA und Australien (Booth / Ainscow 2000) übersetzten Hinz und Boban (2003) den „Index der Inklusion“ (vgl. Boban / Hinz 2015, S. 8). Demnach lassen sich die beiden Begriffe wie folgt voneinander unterscheiden:

Die Unterscheidung der beiden Begrifflichkeiten lässt erkennen, dass es innerhalb von Boban und Hinzen’s (2003) Ansatz um die Einbindung von Kindern mit Behinderung geht, nicht nur um die bloße Aufnahme dieser. (vgl. Boban / Hinz 2003,  S. 8) Inklusion wird von Boban und Hinzen dabei als Prozess verstanden, der drei Dimensionen, welche in der nachfolgenden Abbildung (Abb. 1) zu sehen sind, vereint.

Abb 1: Dimensionen einer inklusiven BO. (Boban, Ines / Hinz, Andreas (2011): Boban, Ines / Hinz, Andreas (2011): Der Index für Inklusion. Eine konkrete Hilfe für inklusive Schulentwicklung. In: Schulmagazin 5-10, H. 12, S.11-14.)

Voraussetzungen und Merkmale für eine erfolgreiche inklusive BO

Auf Grundlage des in Abb 1. Dargestellten Konzeptes entwickelte Koch (2015) Voraussetzungen für eine erfolgreiche inklusive Berufsorientierung an der Schule. Sie formulierte für jeden relevanten Indikator des Index für Integration (vgl. Booth / Ainscow 2003) eine Konsequenz für eine inklusive BO.

Einem heterogenen Klassenverbund gerecht zu werden bedeutet in Bezug auf die Institution Schule Lehrkräfte und Sonderpädagog*innen als Teil einer Klasse. Soll BO inklusiv gestaltet werden, so muss von den Lehrkräften und Sonderpädagog*innen in gemeinsamer Verantwortung gedacht werden.  (vgl. Koch 2015b, S.286).Weiter sind außerschulische Partner*innen von zentraler Bedeutung. Gerade Jugendliche mit Unterstützungsbedarf kann der Übergang von Schule zu Beruf erleichtert werden, indem externe Unterstützung in Form von Therapeuten, der Agentur für Arbeit oder Integrationsfachdiensten angeboten wird. Damit kann der Veränderungsprozess für die Schüler*innen angenehmer gestaltet werden. Ist die BO curricular in das Bildungsprogramm eingebunden, hängt der Erfolg einer inklusiven BO von den Einzelschulen ab. (vgl. Netwig, Lena 2018, S. 78) Dabei kann es nicht Aufgabe der einzelnen Lehrperson sein qualitativ hochwertige BO zu vermitteln. BO ist als Gemeinschaftsaufgabe zu betrachten, die kollektiv zu bewältigen ist. BO ist damit als Gemeinbildungsauftrag aller Lehrkräfte und Fächer zu begreifen. (vgl. Netwig, Lena 2018, S. 91). Pädagogische Personal und der Wille zur Weiterentwicklung (Reflexion und Evaluation) sind zentral. (vgl. Netwig, Lena 2018, S. 78)

Berufsausbildung

In Deutschland gilt eine vollqualifizierende Ausbildung als zentrale Weichenstellung für die eigene Entwicklung und die gesellschaftliche Teilhabe. Damit hat die Inklusion bzw. die Exklusion in diesem zentralen Lebensbereich Folgen auf weitere Lebensbereiche (vgl. Hoff et al. 1991, S.62 ff.).

Rechtliche Perspektive: Definitions- und Erfassungsprobleme

Im Sozialgesetzbuch (§ 2 Abs. 1 SGB IX) werden die grundlegenden Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen formuliert und eine Behinderung liegt vor, wenn bei Menschen „ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“. Im SGB III wird für die Berufsausbildung die generelle Definition nochmals präzisiert. Menschen gelten als behindert, bei denen die „Art oder Schwere ihrer Behinderung“ ihre Aussichten am Arbeitsleben teilzuhaben, nicht nur vorübergehend wesentlich mildert und sie „deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich lernbehinderter Menschen“ (§19 Abs. 1 SGB III) (vgl Zoyke / Vollmer 2016, S.45). Ein während der Schulzeit festgestellter „sonderpädagogischer Förderbedarf“ reicht nicht zur Aufnahme in den Leistungsbezug nach SGB III, auch wenn im Gesetzestext von „lernbehinderte(n) Menschen“ die Rede ist. Aufgrund dessen ist es, wie in Kapitel 3 bereits festgestellt, wichtig, Kinder und Jugendliche nicht ausschließlich auf ihren Förderbedarf hin zu fördern, sondern durch eine umfassende inklusive berufliche Orientierung, gute Begleitung und ganzheitliches Wissen zu generieren. Der Prozess der Leistungsfeststellung der SGB folgt hier. [zur weiteren Vertiefung der Thematik soll später im Wiki ein Hyperlink eingefügt werden, der auf eine nächste Seite führt. Diese Seite enthält die nachfolgenden Informationen] Die Bundesagentur für Arbeit, als möglicher Träger der beruflichen Rehabilitation, fordert eine neue Begutachtung. Die Entscheidung des Gutachtens basiert in der Regel auf der Basis von sozialmedizinischen oder gegebenenfalls psychologischen Fachgutachten. Festzuhalten ist also, dass das Gesetz Leistungsansprüche lediglich konstituiert, während Fachdiagnostiker darüber entscheiden, ob diese erfüllt werden und dadurch jemand als behindert eingeordnet werden kann. (vgl. Zoyke / Vollmer 2016, S.45). Das Berufsbildungsgesetz BBiG (§§ 64 bis 66) ist für die Berufsausbildung von Menschen mit Behinderungen eine weitere wichtige gesetzliche Grundlage. Im BBiG wird der Nachteilsausgleich bei der Durchführung von Ausbildungen und Prüfungen, sowie Sonderausbildungen für Jugendliche mit Behinderungen geregelt. Das BBiG, als auch das SGB III präferieren eine Ausbildung von Menschen mit Behinderungen in anerkannten, vollqualifizierenden Ausbildungsgängen des Regelsystems, allerdings ist dies nicht immer möglich. Das BBiG sieht daher auch Sonderberufsausbildungsgänge in „Berufen für Menschen mit Behinderungen“ (§ 66 BBiG und § 42 m Handwerksordnung HwO) vor, welche in der Regel auf die Theorie reduziert werden und auf 2 Jahre verkürzt werden. Die Antragstellung von Jugendlichen mit anerkannter Behinderung läuft über die zuständige Kammer (vgl. Zoyke / Vollmer 2016, S. 46).  

Institutionelle Angebote für Auszubildende mit Behinderungen: ihre Nutzung und ihre Probleme

Ausbildungsorte In den bundesweit 52 Berufsbildungswerken oder vergleichbaren Einrichtungen findet überwiegend die Ausbildung nach § 66 BBiG statt. Damit erfolgt ein Großteil der Ausbildungen von Menschen mit Behinderungen in Sondereinrichtungen und nicht inkludiert. Derzeit besteht eine Angebotslücke in der Berufsausbildung von Jugendlichen mit Behinderungen. Für die tatsächlich gegenwärtige Lücke liegen derzeit nur Schätzungen vor. Eine erste Information gibt jedoch folgende Tabelle (Zoyke / Vollmer 2016, S. 50-51):

Ausbildungsbereiche Die Bereiche Hauswirtschaft und Landwirtschaft tragen im Durchschnitt eine unverhältnismäßig größere Belastung in der Ausbildung von Menschen mit Behinderungen als die anderen Ausbildungsbereiche (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, S. 182ff.).