Das Schulbuch

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Stefan Heck

Was ist ein Geschichtsschulbuch?

Wolfgang Ratke, einer der ersten deutschen Pädagogen, bezeichnete das Schulbuch schon im 17. Jahrhundert als „stummen Lehrmeister“ [1] der „den Weg zu intensiver, planmäßiger, solider Bildung beschreiten hilft“ [2]. Sie gehören seit Jahrhunderten zu den wichtigsten Unterrichtsmaterialien, durch deren Einsatz nicht nur stoffliche Inhalte vermittelt werden, sondern auch kognitive Fähigkeiten gefördert werden sollen [3]. Bevor Lernende auf ihre ersten Schulbücher treffen, haben sie in aller Regel schon in irgendeiner Form mit anderen Büchern oder zumindest einzelnen Elementen eines Schulbuchs, wie Bildern und geschriebenem Wort,Bekanntschaft gemacht. Dennoch stellt das Schulbuch für Schülerinnen „etwas Neues, ganz anderes“ [4] dar, mit dem das Lernen in der Schule und auch die Schulkomponente „Hausaufgaben“ scheinbar erst richtig beginnen [5]. Im Zuge des vermehrten Einsatzes digitaler Medien in Unterrichtsprozessen hat das Schulbuch zwar an Gewichtung und Präsenz verloren, dennoch stellt es häufig immer noch das wichtigste Unterrichtsmedium dar.

Im Fach Geschichte ist das Schulbuch „ein Unterrichtsmittel für historisches Lernen“ [6] das zu einem Leitmedium in Geschichtsunterricht geworden ist und aus Darstellungs- und Arbeitsteilen zusammengesetzt ist, welche auf verschiedene Arten miteinander verbunden werden können [7]. Der Darstellungsteil besteht zum größten Teil aus Sekundärliteratur, also verschiedenen Autorentexten mit narrativem Charakter und entsprechenden Ergänzungen (z.B. Überschriften, Infoboxen, Begriffserklärungen, etc.), welche den Schülerinnen als Einführung, Übersicht, Zusammenfassung oder Wiederholung dienen [8]. Eine prägnante Beschreibung dieser Texte bieten unter anderem Schöner und Schreiber: „Auf Grund einer historischen Fragestellung informiert ein Autor über Entwicklungen und Veränderungen bzw. stellt Situationen und Strukturen dar, die er als charakteristisch für bestimmte Epochen bzw. Kulturräume ansieht, oder beschreibt Ereignisse, oft einschließlich ihrer Voraussetzungen und Folgen, denen er eine Schlüsselrolle zumisst“ [9].

Ein Kriterium eines gelungenen Darstellungsteils liegt in seinen Verbindungen zu den Arbeitsteilen. Dies kann durch im Text enthaltene Fragen, zu deren Beantwortung die Materialien der Arbeitsteile begutachtet werden müssen, oder durch Hinweise auf selbige geschehen [10]. In den meisten Schulbüchern ist den darstellenden Teilen ein Arbeitsteil angehängt, welcher auf die Vermittlung von historischen Fähigkeiten abzielt. Der Arbeitsteil besteht unter anderem aus bildlichen und schriftlichen Quellen, Karten, Zeitleisten, Schaubildern, und Tabellen. Zur Förderung der Entwicklung historischer Kompetenzen sollen diese Elemente analysiert und die entsprechenden Arbeitsaufgaben beantwortet werden [11]. Ein gelungenes Schulgeschichtsbuch ist also so konzipiert, dass Schülerinnen „eine denkende Auseinandersetzung mit vergangenen menschlichen Erfahrungen“ [12] ermöglicht wird, damit sie ihrem Alltag in der Folge mit einer verbesserten historischen Orientierungskompetenz entgegentreten können.

Grundsätzlich lassen sich Schulgeschichtsbüchern laut Pandel in folgende Unterkategorien einteilen: Geschichtserzählungen, Leitfaden, Darstellung mit kleineren Quelleneinschüben, Darstellung mit eigenem Quellenband, Materialienband mit Hinweisen (aber ohne Autorentexte) und Getrennte Darstellungs- und Materialienteile [13].

Wie entstehen Schulgeschichtsbücher?

In der Regel werden Schulbücher für das Fach Geschichte in Zusammenarbeit von Lehrern, Geschichtsdidaktikern und Historikern erstellt, um sowohl pädagogischen als auch geschichtswissenschaftlichen Standards gerecht zu werden [14]. Weitere Einflüsse hinsichtlich der Gestaltung und Gewichtung von Schulbuchinhalten stellen „ökonomische Zwänge, die Politik der Verlage und die öffentliche Meinung“ dar [15]. Aufgrund der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Artikel 7, Absatz 1 festgelegten Aufsicht des Staates über das Schulwesen wird die Verwendung von Schulbüchern im Unterricht jedoch erst nach erfolgreichem Durchlauf staatlicher Genehmigungsverfahren (unter Verantwortlichkeit der Kultusministerien der 16 Bundesländer) zugelassen. [16]. Neben Artikel 7, soll hierbei auch Artikel 5, Absatz 1 berücksichtigt werden. Dieser garantiert sowohl das Recht zur freien Meinungsäußerung als auch die Freiheit von Kunst und Wissenschaft sowie Forschung und Lehre [17], vorausgesetzt, die ausgewählten Inhalte stimmen mit den Richtlinien des Grundgesetztes überein [18]. In den landeseigenen Prüfverfahren werden die Schulbuchinhalte neben der beschriebenen „Verfassungs- und Gesetzeskonformität“ auch auf Übereinstimmung mit dem Bildungsplan, Altersgemäßheit und Konformität mit aktuellen fachwissenschaftlichen und didaktischen Standards untersucht [19]. Die simultane Einbettung in politische, gesellschaftlich-ökonomische, pädagogisch-didaktische und wissenschaftliche Kontexte [20] führen zu einer beachtlichen Divergenz innerhalb verschiedener Schulbücher und zu einer beständigen Konkurrenz auf dem Schulbuchmarkt.


Die Geschichte des Geschichtsschulbuchs

Vor dem 18. Jahrhundert Geschichtslehrbücher existieren schon seit mehr als drei Jahrhunderten und haben sich seitdem fortlaufend an geschichtsdidaktische Standards und gegenwärtige Ideale angepasst [21]. Bis zum 18.Jahrhundert wurde das Unterrichtsfach Geschichte ausschließlich an Gelehrtenschulen und Ritterakademien vermittelt.

18. Jahrhundert

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde „Geschichte“ dann auch an Gymnasien eingeführt, da zahlreiche Absolventen in der Folge an fürstlichen Höfen tätig wurden und dafür Kenntnisse im Fach Geschichte erwartet wurden. Ein bekanntes Geschichtsbuch aus dieser Zeit ist das Lehrbuch die „Einleitung zur Universal-Historie“, bei dem von einem unreflektierten, rein auf Wissen basierten geschichtsdidaktischem Prinzip ausgegangen wurde [22].

19. Jahrhundert

Die allgemeine, im Bildungsbereich im Zuge der Aufklärung vorherrschende Aufbruchstimmung spiegelte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch in der Geschichtsdidaktik wieder. Es gab schon damals erste Bestrebungen hin zum selbstständigen Erarbeiten von historischen Zusammenhängen und weg von einem rein passiv-rezeptiven Geschichtsunterricht. Der Unterschied liegt darin, dass ein reines Lernbuch ein abgeschlossenes und exakt definiertes Bild von Geschichte bietet, welche tatsächlich immer nur eine Interpretation von Geschichte darstellt. Arbeitsteile sollen hingegen zeigen „wie historische Erkenntnis zu gewinnen ist, indem Schülerinnen mit Werkzeugen vertraut gemacht werden, mit deren Hilfe sie selbst einfachere Quellen erschliessen können“ [23].

Jedoch sind diese Impulse im 19. Jahrhundert auf Kosten einer vollkommenen Geschichtsnarration weitgehend untergegangen [24]. Schulgeschichtsbücher wurden zu dieser Zeit von Lehrern verfasst, die sich bereits im Schuldienst ausgezeichnet hatten und waren in aller Regel ausschließlich für den Unterricht an Gymnasien vorgesehen, wie zum Beispiel Friedrich Kohlrausch's Schulbuch „Teutsche Geschichte“ von 1816. Obwohl beispielsweise in Preußen im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert eine umfassende Modernisierung des Bildungssystems stattfand, wurde sehr strikt zwischen Gymnasien und Institutionen des niederen Schulwesens (die Volksschule und auch die Realschule) unterschieden. Im niederen Schulwesen gab es hinsichtlich der Lehrmaterialien zum Thema Geschichte nur sogenannte Realienbücher in denen geschichtliche Inhalte neben dem Stoff anderer Fächer platziert wurden. Des Weiteren wurde das niedere Schulwesen von Institutionen, die von lokalen Gemeinden getragen wurden und in denen meistens der örtliche Pastor den Unterricht leitete, dominiert. In diesem Zusammenhang kam es teilweise zu kleineren Veröffentlichungen, in denen die präsentierte allgemeine Geschichte jedoch häufig der kirchlichen Einflussnahme unterlag [25].

20. Jahrhundert

Bei den in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwendeten Schulbüchern machte sich dann der Einfluss der aufstrebenden Reformpädagogik bemerkbar. In diesem Zusammenhang wurde eine Pädagogik vom Kinde aus propagiert. Schule wurde nicht mehr nur als eine Institution der reinen Wissensvermittlung aufgefasst, sondern zunehmend auch die bildende Funktion einer Bildungseinrichtung aufgegriffen. Die Gestaltung von Geschichtsbüchern wurde durch reform-pädagogische Ideale vor allem dahingehend beeinflusst, dass versucht wurde Schülerinnen durch zwei konzeptionelle Änderungen direkter anzusprechen [26]:

- Durch attraktive Geschichtserzählungen sollte Geschichte greifbarer und lebensnaher gemacht werden. Dazu wurden speziell für Schulbücher möglichst interessante und dramatische historische Erzählungen verfasst, in die teilweise sogar fiktionale Bausteine eingefügt wurden. Diese Form von Geschichtserzählungen wurde nicht nur später im Nationalsozialismus zweckmissbraucht, sondern beeinträchtigte auch das vermittelte Geschichtsbild in deutschen Volksschulen jahrzehntelang [27].

- Teile des Geschichtsunterrichts wurden fortan als Arbeitsunterricht konzipiert, in dem Schülerinnen verstärkt selbst tätig werden sollten, um so einen eigenen Zugang zu Geschichte zu entwickeln. Da den Lernenden an Volks- und Realschulen eigenständige Quellenanalysen nicht zugetraut wurden, fand diese Konzeption nur im Gymnasium und dabei fast ausschließlich in höheren Klassenstufen eine praktische Umsetzung. In Schulbüchern wurde den Zusammenfassungen und Erzählungen jedoch nur ein kleiner Quellenteil angehängt, welcher bei den Schülerinnen zudem aufgrund der Geschichtserzähltradition sehr verhalten aufgenommen wurde und folglich nur unzureichend Berücksichtigung im Geschichtsunterricht fand [28]. Dennoch gab es auch schon in der Nachkriegszeit Lehrerinnen, die ihren Unterricht zunehmend nach arbeitsunterrichtlichen Prinzipien ausgelegt haben und dabei unter anderem auf entsprechende geschichtsdidaktische Schulbücher zurückgreifen konnten (z.B. das 1954 erschienene „Weltgeschichte im Aufriß. Arbeits- und Quellenbuch“) [29].

Trotz vorheriger Bemühungen wurden Schulbücher in Deutschland erst seit Ende der 1960-er Jahre verstärkt dahingehend konzipiert, dass Lernende einen eigenständigen Zugang zu Geschichte entwickeln sollen, da Geschichte in der Vergangenheit „als Gesinnungsfach missbraucht und zu politischen Zwecken instrumentalisiert“ wurde [30]. Zudem kam es zu neuen Erkenntnissen in der Entwicklungspsychologie (siehe Roth 1972), welche die These bekräftigten, dass auch jüngere Schülerinnen zu einem eigenständigen Umgang mit historischen Quellen fähig sind. Dadurch kam es im Anschluss auch in der gymnasialen Mittelstufe vermehrt zur Einsetzung von Quellen in Geschichtsbüchern [31]. An dieser Stelle sollte vor allem das sechs Bände starke und ursprünglich für die Realschule konzipierte Schulbuch “Menschen in ihrer Zeit“ (1966 im Klett-Verlag erschienen) erwähnt werden, dem die geschichtsdidakische Leitfrage nach der „bildenden Kraft aus der Beschäftigung mit Geschichte“ zugrunde liegt [32]. Zu diesem Zweck wird im Vorwort verdeutlicht, dass sich Menschen der Geschichte zuwenden, weil sie Fragen haben, die das eigene Leben und Handeln begreifbarer machen sollen. Konkret versuchte die durch „Menschen in ihrer Zeit“ geprägte neue Generation von Schulgeschichtsbüchern die Entwicklung eines kritisch-historischen Bewusstseins durch umfassende Hilfestellungen (Autorentexte, Fragestellungen Diagramme, Karten, Plakate etc.) zur eigenen Auswertung von Quellen zu ermöglichen. Dadurch sollte eine Basis für die Entwicklung eines eigenen Identitätsbewusstseins geschaffen und den Schülerinnen eine verbesserte Gegenwartsorientierung geboten werden. Hierbei ist hervorzuheben, dass diese verstärkte Orientierung der Geschichtsbücher an geschichtswissenschaftlichen Idealen generell auf die Geschichtsdidaktik und nicht auf allgemein-pädagogische Bestrebungen zurückgeht [33]. Des Weiteren sind in den 1960-er Jahren neben den genannten didaktischen Veränderungen in Schulgeschichtsbüchern auch weitreichende inhaltliche Neuorientierungen angestoßen worden. Neben einer schwindenden Dominanz der politischen Geschichte zugunsten einer zunehmenden Berücksichtigung von Sozial- und Individualgeschichte nimmt seither die europazentrierte oder gar globale Perspektive auf Kosten der traditionell dominierenden nationalstaatlichen Zentriertheit einen stetig wachsenden Raum ein [34].

21. Jahrhundert

Mittlerweile werden in der Sekundarstufe 1 fast nur noch differenzierte Werke für Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien eingesetzt [35]. Fast alle dieser neueren Schulgeschichtsbücher stellen eine vielseitige Kombination aus Lern- und Arbeitsbuch dar, das heißt sie unterscheiden zwischen darstellenden Elementen und Arbeitsteilen welche einzelne Medien wie Texte, schriftliche und bildliche Quellen, Karten oder Diagramme komplementär einsetzen [36]. Des Weiteren können Lehrkräfte heute neben dem Schulbuch selbst fast immer auch Handreichungen erwerben, welche unter anderen Unterrichtsskizzen, Lösungshinweise und eine CD mit ergänzenden Materialien beinhalten können [37].

Bezüglich der (drei groben) Lehrziele lässt sich beobachten, dass in der jüngeren Vergangenheit, neben der nach wie vor elementaren Vermittlung von Wissen (1), die Entwicklung methodischer Fähigkeiten und Kompetenzen (2) einen noch größeren Platz in Schulbüchern einnimmt [38]. Dies geht vor allem auf eine allgemein-pädagogische Bewegung hin zum lerndidaktischen Prinzip der Handlungsorientierung zurück. Grundsätzlich soll dieses Prinzip den Schülerinnen mehr Raum zur aktiven Selbsttätigkeit geben. Fachspezifisch soll dadurch Geschichte als „Prozeß des Suchens, Entdeckens und Forschens erfahren“ werden können [39]. In Geschichtsschulbüchern werden aus diesem Grund neue Elemente wie das „Geschichtslabor“ oder die „Werkzeugkiste“ aufgenommen, in denen Lernende den Umgang mit praktischen „Handwerkzeugen“ üben und letztlich Kompetenzen erwerben können, mit deren Hilfe historisches Arbeiten vereinfacht werden soll [40]. Zusammenfassend ist zu sagen, dass heutige Geschichtsschulbücher darauf abzielen bei den Schülerinnen die Entwicklung eines selbst-reflexiven, kritisch-historischen Bewusstseins zu ermöglichen. Dadurch sollen die Lernenden in der Folge erkennen, dass es nicht nur ein „richtiges“ Bild von Geschichte gibt, um ihrem Alltag mit einer verbesserten Orientierungskompetenz begegnen zu können (3) [41]. In diesem Punkt unterscheidet sich die Lehre der Geschichte in Deutschland durchaus von derjenigen in anderen Teilen der Welt, in welchen aus religiösen, politischen oder gesellschaftlichen Interessen ein kritisch-individueller Umgang mit Geschichte nicht in einem solchen großen Maß gefördert wird. Thematisch dominiert bei Geschichtsschulbüchern nach wie vor der Bereich „Politik“, gefolgt von den Kategorien „Gesellschaft“, „Wirtschaft“ und, je nach Themenfeld, teilweise auch „Religion“. Weitere Kategorien wie „Gender“, „Kommunikation“ oder „Umwelt“ werden zwar berücksichtigt, jedoch geschieht dies in einem deutlich geringeren Rahmen [42].

Zukunftsausblick

Laut Gautschi gibt es bezüglich des Einsatzes von Schulgeschichtsbüchern in der nahen Zukunft zwei grundlegende Problemfelder:

1. in der Deutschsprachigen Schweiz und teilweise auch in Deutschland gibt es Bestrebungen Geschichte als eigenständiges Schulfach in der Sekundarstufe I zugunsten von gesellschaftswissenschaftlichen Fächerverbünden abzuschaffen, so dass das Geschichtsbuch als solches teilweise überhaupt nicht mehr benötigt wird.

2. Lehrpersonen klagen auch bei heutigen Schulgeschichtsbüchern über erhebliche konzeptionelle Schwächen. Den Lehrmitteln wird vorgeworfen, dass sie nach wie vor keine überzeugenden Antworten auf zentrale Fragestellungen und Schwierigkeiten des Unterrichtens von Geschichte geben und nur unzureichend kompetenzorientiert aufgestellt sind [43]. Zum Beispiel erhalten Lehrkräfte kaum didaktisch-methodische Anregungen um die in Schulbüchern beinhalteten Materialien in ihrem Geschichtsunterricht zu dekonstruieren .

Es bleibt also zu beobachten, wie sich die Konzeption von Geschichtsschulbüchern angesichts der stetigen Weiterentwicklung digitaler Angebote zum Geschichtsunterricht verändern wird. In der jüngsten Vergangenheit präsentierte sich nämlich auch die deutsche Gemeinschaft von Pädagogen und Lehrenden zunehmend digital vernetzt, was sich beispielsweise in der wachsenden Beliebtheit von „Open Educational Ressources“ (OER) zeigt, die von Lehrkräften anderer Länder schon länger reichlich genutzt werden. Denkbar ist zum Beispiel ein Lehrbuch mit ausgeprägten technologischen Erweiterungen, bei dem die Lehrkraft mit dem Erwerb des Schulbuchs Zugang zu Online Angeboten oder ein umfangreiches Angebot an Arbeitsmaterialien auf digitalen Datenträgern erhält [44]. Möglich scheint sogar ein Schulbuch „als personalisierte, interaktive Anwendung auf mobilen Endgeräten“, also ein erweiterbares Grundgestell welches dann von den Lernenden ergänzt werden soll. Die Schülerinnen würden bei dieser Art von Schulbuch einen Teil des selbigen in Eigenarbeit erstellen [45].

Kriterien eines guten Geschichtsschulbuchs

Gemäß des Historischen Instituts der Universität Gießen muss ein Schulbuch von Lehrkräften auf folgende Kernfragen untersucht werden, bevor es im Unterricht eingesetzt werden kann:


- „Wie ist das Buch gegliedert? Sinnvoll oder nicht sinnvoll?
- Ist das Buch für die Schüler ansprechend gestaltet? (Schülerorientiertes Layout?)
- Werden die Kapitel am Ende zusammengefasst?
- Bietet das Schulbuch Sonderseiten, die evtl. über die festgelegten Themen des Lehrplans hinausgehen?
- Welchen Schwierigkeitsgrad haben Texte und Aufgaben? Sind sie für das entsprechende Alter und die entsprechende Schulform angemessen?
- Unterstützt das Buch durch seine Aufgabenstellung kreatives Arbeiten?
- Bieten die Aufgaben Methodenvielfalt?
- Werden durch die Aufgaben verschiedene Kompetenzen geschult?
- Enthält das Buch Text- und Bildquellen?
- Gibt es einen Bezug zwischen den vorhandenen Texten und Quellen?
- Wie hoch ist der Wahrheitsgehalt der Texte und Quellen?
- Bietet das Buch am Ende ein Schlagwortverzeichnis?“[46]


Einsatz im Geschichtsunterricht

In einer Studie von Gautschi (2009, «Guter Geschichtsunterricht. Erkenntnisse, Grundlagen, Hinweise») wurde verdeutlicht, dass das Schulbuch im Fach Geschichte auch heute und trotz der großen Konkurrenz digitaler Medien ein wichtiges Medium des Geschichtsunterrichts darstellt und auf verschiedene Weise zu einem guten Geschichtsunterricht beitragen kann [47].

Nutzung durch die Lehrperson

Laut Gautschi kann die Geschichtslehrkaft ein Schulbuch auf vier verschiedene Weisen berücksichtigen: Das Schulgeschichtsbuch wird …
1. als Leitfaden verwendet indem der Unterricht entlang des Buches inszeniert wird.
2. als Material-und Aufgabenfundus genutzt indem ausgewählte Ausschnitte als Lernmaterialien im Unterricht angeboten werden.
3. als Verbindungsbrücke zu Unterrichtsstunden eingesetzt. Die Lernenden erhalten vorbereitende oder repetierende Lektüreaufträge.
4. von der Lehrkraft zur eigenen Vorbereitung benutzt, im Unterricht selbst jedoch nicht direkt eingesetzt [48].

Dabei soll ein Schulbuch stets als Planungshilfe und nicht als Planungsgrundlage dienen und zielgerichtet im Unterricht eingesetzt werden [49]. Am Häufigsten werden Schulbücher von Geschichtslehrerinnen wohl als eine Art Steinbruch genutzt, also als Ansammlung von verschiedenen Elementen [50], aus der einzelne Bausteine ausgewählt und anschließend von der Lehrkraft oder den Lernenden im Unterricht in einen Zusammenhang eingeordnet werden [51]. Dabei sollte die Lehrkraft erst nach gründlicher Überlegung eine Entscheidung treffen, und abwägen, an welcher Stelle ein Element aus dem Schulbuch am besten greift und wo sich andere Medien und Methoden besser eignen [52]. Zudem stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen der Schülerinnen: Vor allem beim eigenständigen historischen Arbeiten müssen oftmals zuerst Grundlagen geschaffen werden, bevor Lernende selbst mit dem Schulbuch arbeiten können [53].

Allgemeine Nutzung durch die Schülerinnen

Bezüglich des Einsatzes im Unterricht selbst gibt es logischerweise nicht nur eine gültige Methode oder korrekte Vorgehensweise wie ein Schulbuch gewinnbringend genutzt werden kann [54]. In jedem Fall sollen Geschichtsschulbücher so eingesetzt werden, dass sich Schülerinnen konstruktiv und aktiv an einer Diskussion über Geschichte beteiligen können [55].

Inwiefern ein Schulbuch letztlich konkret eingesetzt wird und welchen Raum es im Unterricht einnimmt bestimmt größtenteils die Lehrperson, wenngleich diese von den Lernenden hinsichtlich der unterrichtlichen Berücksichtigung eines Schulbuchs beeinflusst werden kann [56]. Sie ist nämlich diejenige Person, die über einen angemessenen Einsatz von Schulbüchern am besten entscheiden kann, da jede Schule, jede Klasse und jeder Schüler verschieden sind [57].

Gemäß dem Geschichtsdidaktiker Wolfgang Hug kann ein Schulbuch im Geschichtsunterricht als „Sammlung von Arbeitsmaterialien, informierende Überblicksdarstellung, Träger von Motivations-impulsen, didaktisches Kompendium unterschiedlicher Medien, historische Überlieferung und Darstellung, Nachschlagewerk, Ergänzungsmedium zum Unterricht und Aufgabensammlung“ dienen [58]. Je nach Konzeption und Funktion muss das „Lesen“ des jeweiligen Schulbuchs mit den Schülerinnen verschiedenartig geübt werden [59]. Generell sollten der unterrichtliche Einsatz von Geschichtsschulbüchern unabhängig ihrer Spezifika immer durch den Einsatz anderer Medien und Methoden ergänzt werden. Dabei kann der Einsatz eines Geschichtsschulbuchs in allen vier Sozialformen des Schulunterrichts stattfinden. Im Plenumsunterricht werden Bausteine eines Schulbuchs gemeinsam gelesen und analysiert und bei der Gruppenarbeit werden diese Informationen in Teilgruppen erschlossen und aufbereitet. Beim partnerschaftlichen Arbeiten können zudem Interviews oder Rollenspiele durchgeführt werden. In den drei beschriebenen Sozialformen kann es außerdem zu Murmelphasen kommen, die nach einer ersten Beschäftigung mit Schulbuchinhalten deren weitere Verarbeitung unterstützen. Einzelarbeitsphasen werden letztlich zum individuellen Lesen und Erschließen von Bausteinen und zur Bearbeitung von Aufgaben genutzt [60].

Narrativer Charakter und Kompetenzförderung

Wichtig ist zudem die Tatsache, dass es sich bei den in Schulbüchern abgedruckten Texten immer um Narrationen handelt. Die Lehrkraft muss im Unterricht vermitteln, dass Schulbücher immer einen narrativen Charakter haben und über historische Geschehnisse nur ausschnittsweise berichten können. Diese Autorentexte stellen Vergangenes in verschiedenen Büchern unterschiedlich dar und basieren auf „den jüngsten Ergebnissen der Forschung und den in der jeweiligen Gesellschaft entwickelten Vorstellungen von dem, was von Jugendlichen, die in diese Gesellschaft hineinwachsen, gelernt werden sollte“ [61]. Dieser Ansatz wird von Gautschi noch weiter ausgeführt, indem er sich auf Baricelli bezieht und erläutert, dass die Lernenden die Herausforderungen historischen Lernens nur mit Hilfe „narrativer Kompetenz“ angehen können. [62]. Hinsichtlich der Nutzung von Schulgeschichtsbüchern hilft der Erwerb von narrativer Kompetenz den Lernenden wiederum bei der Bewältigung der folgenden vier Kompetenzbereiche:


„– Wie finde und erkenne ich historische Zeugnisse und Menschen, die mir über Vergangenes berichten können? Wie komme ich zu Fragen und Vermutungen, die mich ins Universum des Historischen führen? Dabei hilft die «Wahrnehmungskompetenz für Veränderungen in der Zeit».
– Wie erschließe ich Quellen und Darstellungen, die über das Universum des Historischen erzählen? Wie komme ich zu einer Sachanalyse, und wie kann ich sie überprüfen? Zu einem korrekten und kompetenten Umgang mit verschiedenen Gattungen dient die «Erschließungskompetenz für historische Quellen und Darstellungen».
– In welchem Zusammenhang stehen die einzelnen Sachanalysen zu anderen Sachanalysen, wo sind sie im Universum des Historischen verortet, was sind Ursachen und Wirkungen? Wie komme ich zu einem Sachurteil, und wie kann ich es überprüfen? Um diese Verknüpfungen im Universum des Historischen machen zu können, braucht es die «Interpretationskompetenz für Geschichte».
– Was ist der Sinn, den ich der Beschäftigung mit dem Universum des Historischen entnehme? Wieso soll ich mich mit Geschichte beschäftigen? Wie hängt das Vergangene mit dem Gegenwärtigen zusammen, und was bedeutet dies für mich und die Zukunft? Zur Bewältigung dieser Anforderung, zur Werturteilsprüfung an Zeiterfahrung also, zur Reflexion des historischen Lernens, zum Aufbau von Überzeugungen und Einstellungen, zur eigenen Orientierung in der gegenwärtigen Lebenspraxis benötigen Schülerinnen und Schüler «Orientierungskompetenz für Zeiterfahrung»“[63]. Schulbuchanalysen haben gezeigt, dass sich etwas weniger als die Hälfte aller Aufgaben auf den Bereich der Erschließungskompetenz für historische Quellen und Darstellungen sowie ein Viertel auf die Interpretationskompetenz beziehen. Die Wahrnehmungs- und Orientierungskompetenz fanden in Geschichtsschulbüchern deutlich weniger Berücksichtigung [64].

Weitere Kompetenzen, welche durch den Schulbucheinsatz gefördert werden können

Allgemeine Kompetenzen - die Lesekompetenz und Vorlesekompetenz, durch das regelmäßige Lesen von Texten.
- handlungsorientierte Kompetenzbereich können durch eine eigene und aktive Beschäftigung mit den Materialien des Schulbuchs gesteigert werden.
- die Bildanalysekompetenz kann aufgrund der vielen in Schulbüchern abgedruckten Bildern konstant geübt werden [65].

Historische Kompetenzen


- die historische Methodenkompetenz, durch Kapitel, Seiten und Abschnitte (z.B. kleinere Informationskästen), welche die Entwicklung einzelner methodischer Kompetenzen explizit anleiten und fördern. Ferner kann dies durch Arbeitsaufträge geschehen, die dazu dienen, die Verarbeitung von Materialien zu unterstützen [66].
- die historische Sachkompetenz wird durch das Bearbeiten von passiv-rezeptiven und aktiv-konstruierenden historischen Tätigkeiten geschult.
- die historische Fragekompetenz, das heißt die kritisch-historische Urteilsfähigkeit kann durch die Darstellung verschiedener, teilweise konkurrierender Meinungen und Auffassungen gefördert werden. Dazu gehört auch, dass Schülerinnen die wichtige Rolle von Multiperspektivität und Multikausalität beim Versuch der Nachvollziehung respektive Zustandekommen geschichtlicher Ereignisse erkennen. Dies kann durch den regelmäßigen Einsatz von Quellen, die Vorgabe von Leitfragen und eine abschließenden Auseinandersetzung mit den Kernproblemen einer Einheit erreicht werden [67].
- die historische Orientierungskompetenz, dazu gehört unter anderem der Umgang mit heutigen in der Gesellschaft anerkannten und abgelehnten Normen, kann zum Beispiel durch die Herstellung von Gegenwartsbezügen in Geschichtsbüchern gefördert werden [68].

Einsatzmöglichkeiten in Geschichtsstunden

Grundsätzlich muss zwischen dem Einsatz von Darstellungs- und Arbeitsteilen unterschieden werden, wenngleich diese zumeist gemeinsam „eine historische Narration zur Fragestellung des jeweiligen Kapitels“ bilden [69].

Darstellungsteil

Ein Darstellungsteil besteht aus Autorentexten und begleitenden Elementen (Überschriften, Informationskästen, Symbole etc.). Die Texte möchten die Lernenden zunächst informieren, während die Ergänzungen zur Verarbeitung der Textinhalte und zur Zuwendung der verschiedenen Materialien anregen [70]. Konkrete Einsatzbeispiele von Autorentexten in der Unterrichtspraxis:
1. Arbeit an neuen Unterrichtsinhalten: Autorentexte können...
… in neue Thematiken einführen, durch die angegebenen Informationen oder durch Anleitungen zur Informationsverarbeitung (Aufgaben zum Text und Verweise auf andere Materialien) [71].
… eine „Wichtung und Schwerpunktsetzung innerhalb der textlichen und bildlichen Stoffdarstellung“ setzen, z.B. durch die gewählte Reihenfolge der Inhalte [72].
… elementare Begriffe, Aussagen oder Gesetze hervorheben, durch kursive oder dickgedruckte Darstellungen und Schlagwörter am Buchrand [73].
… besonders wichtige Stoffelemente separat aufgreifen, durch Merksätze, Informationskästen, kurze Zusammenfassungen, Begrifferläuterungen, Übersichtsbilder


2. Anknüpfung an bereits eingeführte Unterrichtsinhalte: Autorentexte können...
…zuvor eingeführte Inhalte überprüfen, wiederholen, festigen oder paraphrasieren.
… zuvor eingeführte Inhalte ergänzen oder vertiefen.
… zuvor eingeführte Inhalte verkomplizieren, kontrastieren, in Frage stellen.
… zuvor aufgeworfene oder enstandende Fragen beantworten.
… die Schülerinnen durch ein Gegenüberstellen von Pros/Contras oder verschiedenen Standpunkten zu eigenen Schlussfolgerungen anregen.
… ein Thema abschliessend Zusammenfassen.

3. Transfer zu anderen oder neuen Unterrichtsinhalten: Autorentexte können...
… als Vorbereitung auf neue Lerngegenstände alte Inhalte reaktivieren [74].
… dazu dienen den eigenen (Vor)Wissenstand zu überprüfen.
… die Erarbeitung von neuem Stoff günstig vorbereiten [75].

Die textbegleitenden Elemente lassen sich wie folgt in Unterkategorien gliedern und als Hilfestellungen nutzen:
- „verständnisfördernde Einheiten“, welche Schülerinnen beim Verstehen, Einordnen und Behalten von Inhalten unterstützen sollen (z.B. Zeitleisten, Infoboxen, Begriffserklärungen, Anmerkungen etc.). [76].
- „gliedernd-organisierende Einheiten“, also Elemente, die inhaltliche und narrative Zusammen-hänge verdeutlichen (z.B. Überschriften, Kopfzeilen, gliedernde Symbole und Icons). [77].
- „Erläuterungen zum Material“, das heißt vor allem Hinweise auf Veränderungen von übernommenem Material, angefügte Glossare zur Materialgattung und Begleittexte zu aufgeführten Inhalten [78].
- Arbeitsaufträge, die immer ein Teil der historischen Narration darstellen, da sie die Intentionen des Verfassers „explizit oder implizit zum Ausdruck“ bringen [79]. Sie können den Fokus auf ausgewählte Aspekte der Autorentexte lenken oder die Verarbeitung von Inhalten unterstützen und entlasten. Dabei kommen verschiedene handlungsinitiierende Operatoren zum Einsatz, welche eine differenzierte Aufgabenstellung überhaupt erst ermöglichen. [80].

Die Arbeitsaufträge lassen sich erneut in vier Anforderungsbereiche aufteilen:
1. Reproduktion (nennen, zusammenstellen, etc.),
2. Reorganisation und Transfer (analysieren, einordnen, vergleichen, übertragen, gegenüberstellen, beschreibe etc.),
3. Reflexion und Problemlösung ( beurteilen, bewerten, etc.)
4. anleitende Verben, die alle drei Anforderungsbereiche integrieren (interpretieren, erörtern, erläutern, darstellen, skizzieren etc.) [81].

Arbeitsteil

Arbeitsteile setzen sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Dazu gehören standardgemäß vor allem bildliche (Fotographien, Gemälde, Schnitt oder Stich, Grafiken etc.) und schriftliche Quellen, Karten, Zeitleisten, Tabellen, Schaubilder und Arbeitsaufgaben. All diese Materialien können sowohl Traditionsquellen als auch Überreste sein. Des Weiteren kommen auch Glossare zum Einsatz in Geschichtsschulbüchern.

Konkrete Einsatzmöglichkeiten von Materialen aus Arbeitsteilen in der Unterrichtspraxis


1. Karten und Zeittafeln können ein Thema räumlich und zeitlich einordnen und zu einer verbesserten Orientierung beitragen [82].
2. Tabellen und Schaubilder können verschiedenste Verhältnisse, Beziehungen, Entwicklungen oder Eigenschaften graphisch darstellen und vergleichen [83].
3. schriftliche Quellen können Thesen belegen, unterstützen oder auch kontrastieren. Um die Verschiedenartigkeit von schriftlichen Quellen herauszustellen (z.B. haben Verträge oder Akten eine völlig andere Entstehungsgeschichte und Wesenszüge als Tagebücher oder Briefe) müssen diese unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Spezifika individuell gelesen werden [84].
4. bildliche Quellen, also Photographien, Plakate, Karikaturen und Gemälde eignen sich um Textinhalte zu illustrieren und diese durch das Ansprechen einer weiteren Sinnesebene zu unterstützen [85]. Zudem können Lernende durch bildliche (und schriftliche) Quellen die Schülerinnen ein Stück Vergangenheit erleben.
5. Arbeitsaufgaben, die dem Materialteil zugehören können historische Analysen unterstützen, vorentlasten, in eine bestimme Richtung leiten oder gänzlich anregen.
6. Glossare, definieren Schlüsselbegriffe und können den Schülern bei der Einordnung und Katalogisierung von Inhalten helfen. Die Namens- und Sachregister dienen zudem als Übersicht zum Nachschlagen [86].

Grundsätzlich können alle Elemente eines Arbeitsteils sowohl zur zusätzlichen Übung im Unterricht oder zu Hause als auch zur Lernkontrolle genutzt werden [87].

Vorteile des Schulbucheinsatzes im Geschichtsunterricht


- Die größte Stärke von Geschichtsschulbüchern liegt in ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeit, denn Schulbücher helfen sowohl Lehrerinnen als auch Schülerinnen auf verschiedenste Art und Weise. Dabei bietet jedes Geschichtsschulbuch eine gewinnbringende Verwendung, da selbst misslungene Elemente zur Dekonstruktion genutzt werden können.
- Wenn Schulbücher entsprechend konzipiert sind und die Lehrkraft ausreichend Unterstützungsarbeit leistet, können Schülerinnen tatsächlich eigenständig Geschichte konstruieren, also historische Zusammenhänge herstellen [88].
- Schulbücher sind von Fachleuten erstellt worden und haben staatliche Genehmigungsverfahren durchlaufen. Attribute die Angebote aus dem Internet oftmals nur unzulänglich erfüllen.
- Auch im Zeitalter der digitalen Medien gibt es wenige Träger von Vergangenheit die Ereignisse und Epochen derart komprimiert, übersichtlich und wissenschaftskonform darstellen.

Nachteile und Probleme des Schulbucheinsatzes im Geschichtsunterricht


- Aufgrund der Annahme, dass Geschichtsbücher von Fachleuten konzipiert wurden und vom jeweiligen Kultusministerium für den Unterricht zugelassen werden besteht die Gefahr, dass didaktische Konzeptionen und Gewichtungen von der Lehrkraft einfach unreflektiert übernommen werden [89].
- Da Schulunterricht in der Vergangenheit viel stärker schulbuchlastig war, liegt es nahe, dass auch viele heutige Lehrkräfte einen einseitigen, schulbuchorientierten Unterricht durchführen und einfach Übung für Übung abarbeiten. Dadurch kann es in der Folge zu Motivationsverlust und Teilnahmslosigkeiten auf Seiten der Schülerinnen kommen [90].
- In vielen Fällen werden Schulbuchinhalte (vor allem Autorentexte) von den Lernenden als absolute historische Wahrheit angenommen und nur selten kritisch hinterfragt [91]. In Anbetracht der Tatsachen, dass Schülerinnen in Bildungseinrichtungen jahrhundertelang zu gehorsamem Verhalten erzogen wurden, erscheint dies wenig überraschend.
- Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Schülerinnen durch die inhaltliche und methodische Gestaltung eines Schulbuchs in ihrer eigenen historischen Tätigkeit enorm beeinflusst werden. Beispielsweise kann der Interpretationsspielraum der Schülerinnen durch die Lektüre der Autorentexte und die dazugehörigen Aufgabenstellungen eine starke Eingrenzung erfahren. Genau in diesem Punkt zeigt sich die Besonderheit des Faches Geschichte, dass jeder historische Text, egal ob es sich um Primär- oder Sekundärliteratur handelt, durch eine kritische Analyse dekonstruiert werden muss. Schulbuchautoren selbst können ihre Texte unter anderem durch Verweise auf andere (möglichst ebenfalls im Buch abgedruckte) Materialien glaubwürdiger machen.
- Auch im Zeitalter der Bildungspläne sind Schulbücher noch zu wenig kompetenzfördernd gestaltet, obwohl Lehrkräfte von der Politik und Wissenschaft dazu angehalten sind einen kompetenzorientierten Unterricht durchzuführen [92]. Zum Beispiel sind Arbeitsanweisungen wie „sprecht über...“, die eigentlich zur Förderung der Orientierungskompetenz gedacht sind, wenig zielgerichtet und nicht kompetenzfördernd formuliert [93].
- Im Vergleich zum nach wie vor eher rezeptiv genutzten Schulbuch bieten digitale Medien bessere und vielfältigere Möglichkeiten zur Umsetzung eines handlungsorientierten Unterrichts, in dem Lernende ihr Wissen selbst aktiv konstruieren können. Dennoch müssen auch digitale Medien richtig eingesetzt werden um über den Erwerb von trägem Wissen hinauszugehen [94].
- In Schulbücher findet sich oftmals eine mangelnde oder gänzlich fehlende Differenzierung , da es sich ein einheitliches Angebot handelt. Unabhängig von individuellen Voraussetzungen lernen alle Schülerinnen einer Klasse aus schulpolitischen Gründen (Kosten, Organisation, Einhaltung von Bildungs- und Wissensstandards) mit dem gleichen Schulbuch [95]. Zudem wird vom Herausgeber in der Regel überhaupt nicht angegeben, welche Teile für welches Anspruchslevel vorgesehen sind, sodass Lehrpersonen die vorgegebenen Schulbuchinhalte selbst analysieren müssen [96].
- Schulbücher bieten nach dem Bearbeiten von Inhalten meistens keine Masstäbe zur Leistungsdiagnostik , sodass Lehrkräfte mögliche Leistungsniveaus erneut eigenständig festlegen und beurteilen müssen [97].
- Ein Schulbuch ist an sich unveränderbar, sodass manche Inhalte in ihrer Darstellung zum Zeitpunkt des Unterrichts bereits überholt worden sind. Denn auch Geschichte bzw. die Geschichtsschreibung unterliegt Veränderungen. Die Themenauswahl und -Inhalte können nicht aktualisiert werden wenn beispielsweise neue Quellen auftauchen und in der Folge neue Erkenntnisse gewonnen werden. Erst wenn ein Buch neu aufgelegt wird können neue Impulse berücksichtigt werden. Dies hat jedoch den entscheidenden Nachteil, dass in der Folge ein neues Buch entsteht, welches von der Schule oder den Lernenden neu erworben werden muss. Digitale Medien bieten in dieser Hinischt einen aktuelleren und dynamischeren Zugang zu Geschichte ([98].
- Die Verfasser von Geschichtsschulbüchern finden sich bei der Gestaltung der Selbigen in einem komplexen Interessenkonflikt wieder. Schulbücher müssen nicht nur ein staatliches Genehmigungsverfahren durchlaufen und ministeriellen Anforderungen entsprechen, sondern zugleich den Ansprüchen des publizierenden Verlags, der Lehrenden, Historikerinnen und Eltern genügsam werden, obwohl sie idealtypisch ausschließlich an den Bedürfnissen (Alter, Schulart, kultureller Hintergrund etc.) der Lernenden ausgerichtet sein sollten [99]. Diese Besonderheiten spiegeln sich logischerweise in der Struktur der schulbuchspezifischen Narrationen wieder [100] . Ein Schulbuch ist also niemals „nur das Ergebnis didaktischer oder speziell methodisch-medialer Überlegungen zum Schulunterricht“, sondern wird immer auch von politischen und pädagogischen Einflüssen gelenkt [101].

Weiterführende Links

- http://www.ku.de/ggf/geschichte/didgesch/team/mitarbeiter/waltraud-schreiber/ - http://www.uni-giessen.de/cms/fbz/fb04/institute/geschichte/didaktik/dokumente/Mat_Medien/geschichtsdidaktische-pruefungsthemen/schulbuch-im-geschichtsunterricht


Belege

Literatur

Gautschi, Peter(2010): Anforderungen an heutige und künftige Schulgeschichtsbücher. In: BEITRÄGE ZUR LEHRERBILDUNG, 28 (1).

Mayer, Ulrich, Pandel, Hans-Jürgen, Schneider, Gerhard(2004): Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht. Schwalbach. WOCHENSCHAU Verlag.

Pandel, Hans-Jürgen, Schneider, Gerhard( 2005): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Schwalbach. WOCHENSCHAU Verlag.

Schöner, Alexander; Schreiber, Waltraud(2006): De-Konstruktion des Umgangs mit Geschichte in Schulbüchern. Vom Nutzen wissenschaflicher Schulbuchanalysen für den Geschichtsunterricht. In: Mebus, Sylvia; Schreiber, Waltraud (Hrsg.). Durchblicken: Dekonstruktion von Schulbüchern. Neuried : Ars una, 2006. S. 21-32

Schreiber, Waltraud(2008): Kategoriale Schulbuchforschung als Grundlage für empirische Untersuchungen zu kompetenzorientiertem Geschichtsunterricht. Reihe Geschichtswissenschaft. In: Bauer, Jan-Patrick ; Meyer-Hamme, Johannes ; Körber, Andreas (Hrsg.): Geschichtslernen - Innovationen und Reflexionen: Geschichtsdidaktik im Spannungsfeld von theoretischen Zuspitzungen, empirischen Erkundungen, normativen Überlegungen und pragmatischen Wendungen. Kenzingen. Centaurus-Verlag. 2008. S.61-76

Schreiber, Waltraud(2009): Qualitativ-kategoriale Inhalts- und Strukturanalysen von Schulbüchern als Grundlage für empirische Forschungen zum historischen Denken und Lernen. Sammelwerksbeitrag. Bern.

Strietzel, Horst(1989): Das Schulbuch im Unterricht. Berlin. 1.Auflage. 1989

Wiater, Werner(2003): Das Schulbuch als Gegenstand pädagogischer Forschung. Universität Augsburg. Wissenschaftlicher Artikel.

Internet

http://www.mediendidaktik.org/2011/11/13/das-schulbuch-der-zukunft-ist-einschulbuch-der-schuler/

http://www.uni-giessen.de/cms/fbz/fb04/institute/geschichte/didaktik/dokumente/ Mat_Medien/geschichtsdidaktische-pruefungsthemen/schulbuch-im-geschichtsunterricht:

Einzelnachweise

  1. Strietzel, 1989: S.7
  2. Strietzel, 1989: S.6
  3. vgl. Strietzel, 1989: S.16
  4. Strietzel, 1989: S.6
  5. vgl. Strietzel, 1989: S.6
  6. vgl. Pandel, 2005: S.45
  7. vgl. Pandel, 2005: S.5
  8. vgl. Schöner, 2006: S.2-4
  9. Schöner, 2006: S.2
  10. vgl. Pandel, 2005: S.59
  11. vgl. Schöner, 2006: S.2
  12. Pandel, 2005: S.51
  13. vgl. Pandel, 2005: S.55
  14. vgl. Pandel, 2005: S.45-46
  15. Pandel, 2005: S.46
  16. vgl. Wiater, 2003: 2
  17. vgl. Wiater, 2003: 2
  18. vgl. Pandel, 2005: S.45
  19. vgl. Wiater, 2003: 2
  20. vgl. Wiater, 2003: 2
  21. vgl. Pandel, 2005: S.46
  22. Pandel, 2005: S.47
  23. Pandel, 2005: S.46
  24. vgl. Pandel, 2005: S.47
  25. vgl. Pandel, 2005: S.47
  26. vgl. Pandel, 2005: S.50
  27. vgl. Pandel, 2005: S.50
  28. vgl. Pandel, 2005: S.50
  29. vgl. Pandel, 2005: S.51
  30. Pandel, 2005: S.46
  31. vgl. Pandel, 2005: S.52
  32. Pandel, 2005: S.52
  33. vgl. Pandel, 2005: S.52
  34. vgl. Pandel, 2005: S.54
  35. vgl. Pandel, 2005: S.55
  36. vgl. Pandel, 2005: S.46
  37. vgl. Gautschi, 2010: S.130
  38. vgl. Gautschi, 2010: S.130
  39. Pandel, 2005: S.56
  40. vgl. Pandel, 2005: S.56
  41. vgl. Gautschi, 2010: S.130
  42. Schöner, 2006: S.6
  43. vgl. Gautschi, 2010: S.130
  44. vgl. http://www.mediendidaktik.org/2011/11/13/das-schulbuch-der-zukunft-ist-einschulbuch-der-schuler/ [27.01.2013]
  45. http://www.mediendidaktik.org/2011/11/13/das-schulbuch-der-zukunft-ist-einschulbuch-der-schuler/ [27.01.2013]
  46. http://www.uni-giessen.de/cms/fbz/fb04/institute/geschichte/didaktik/dokumente/Mat_Medien/geschichtsdidaktische-pruefungsthemen/schulbuch-im-geschichtsunterricht/kriterien-fur-ein-gutes-schulbuch , [02.02.2013]
  47. vgl. Gautschi, 2010: S.127
  48. vgl. Gautschi, 2010: S.128
  49. vgl. Strietzel, 1989: S.19
  50. vgl. Pandel, 2005: S.18
  51. vgl. Gautschi, 2010: S.129
  52. vgl. Strietzel, 1989: S.8
  53. vgl. Strietzel, 1989: S.8
  54. vgl. Pandel, 2005: S.57
  55. vgl. Pandel, 2005: S.63
  56. vgl. Gautschi, 2010: S.128
  57. vgl. Strietzel, 1989: S.8
  58. Pandel, 2005: S.57
  59. vgl. Pandel, 2005: S.59
  60. vgl. Strietzel, 1989: S.49
  61. Pandel, 2005: S.64
  62. vgl. Gautschi, 2010, S. 50–52
  63. Gautschi 2010: 130
  64. vgl. Gautschi 2010: 129
  65. vgl. http://www.uni-giessen.de/cms/fbz/fb04/institute/geschichte/didaktik/dokumente/Mat_Medien/geschichtsdidaktische-pruefungsthemen/schulbuch-im-geschichtsunterricht:, [02.02.2013]
  66. vgl. Schöner, 2006: S.12
  67. vgl. Schöner, 2006: S.12
  68. vgl. Schöner, 2006: S.12
  69. Schreiber, 2008: S.8
  70. vgl. Pandel, 2005: S.58
  71. vgl. Pandel, 2005: S.45
  72. Strietzel, 1989: S.35
  73. vgl. Strietzel, 1989: S.35
  74. vgl. Strietzel, 1989: S.30
  75. vgl. Strietzel, 1989: S.31
  76. vgl. Schöner, 2006: S.7
  77. vgl. Schöner, 2006: S.7
  78. vgl. Schöner, 2006: S.7
  79. vgl. Schreiber, 2008: S.8
  80. vgl. Schöner, 2006: S.4-5
  81. vgl. Schöner, 2006: S.7
  82. vgl. Pandel, 2005: S.60
  83. vgl. Pandel, 2005: S.60
  84. vgl. Pandel, 2005: S.60
  85. vgl. Pandel, 2005: S.61
  86. vgl. Schreiber, 2008: S.8
  87. vgl. Strietzel, 1989: S.35
  88. vgl. Pandel, 2005: S.29
  89. vgl. Pandel, 2005: S.45
  90. vgl. Strietzel, 1989: S.12
  91. vgl. Pandel, 2005: S.54
  92. vgl. Gautschi, 2010: S.125
  93. vgl. Schreiber, 2008: S.11-12
  94. vgl. http://www.mediendidaktik.org/2011/11/13/das-schulbuch-der-zukunft-ist-einschulbuch-der-schuler/ [27.01.2013]
  95. vgl. Strietzel, 1989: S.40-41
  96. vgl. Gautschi, 2010: S.132
  97. vgl. Gautschi 2010: 132
  98. vgl. http://www.uni-giessen.de/cms/fbz/fb04/institute/geschichte/didaktik/dokumente/Mat_Medien/geschichtsdidaktische-pruefungsthemen/schulbuch-im-geschichtsunterricht/risiken-des-schulbucheinsatzes, [02.02.2013]
  99. vgl. Gautschi 2010: 133
  100. vgl. Schöner, 2006: S.2
  101. vgl. Wiater, 2003: 2