Gegenständliche Quellen

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Definition und Begriffserklärung von Sachquellent

Sachquellen oder gegenständlichen Quellen sind laut der Definition von Wilfried Stadtmüller „unmittelbar überlieferte Gegenstände bzw. Überreste, aus denen historische Informationen über die Zeit ihrer Entstehung und Verwendung gewonnen werden können“ [1]. Überreste wurden nur im 19. Jh. als Quellen anerkannt. Historiker haben sich jedoch vor allem mit schriftlichen Quellen weiter beschäftigt und die Arbeit an gegenständlichen Quellen wird von Kunsthistorikern oder Volkskundlern an den Museen übernommen.[2] Die Überlieferung von Sachquellen ist häufig nur zufälliger Natur.[3] Gegenstände der Alltagsgeschichte der unteren sozialen Schichten aus vergangenen Jahrhunderten werden erst seit einigen Jahrzehnten von Museen gesammelt. Die Größe der Sachquelle spielt keine Rolle. Eine Sachquelle kann von einer römische Münze über historischen Kochtöpfen bis hin zu Denkmälern an Größe sehr stark variieren. (siehe Abbildung 1. und Abbildung 2.)

Man kann bei Sachquellen zwischen zwei Hauptkategorien unterscheiden, nämlich: die „mobilen“ und „immobilen“ Sachquellen. Unter „mobilen“ Sachquellen, versteht man Fund-, Ausgrabungsobjekte oder aufbewahrte Objekte, die tragbar und beweglich sind. Sie können zum Beispiel in die Schule mitgebracht werden (alte Werkzeuge, Münzen, Kultgegenständen, Kleidungsstücke,…). Im Gegensatz dazu, befinden sich „immobile“ Sachquellen außerhalb der Schule (bauliche Überreste, Ruinen, Denkmäler, Stadtmauern, Dampfmaschinen,…).[4]

Vier Prinzipien des historischen Lernens nach Heese

Thorsten Heese definiert vier verschiedene Prinzipien, die die Wichtigkeit und Qualität der Sachquelle im Unterricht erläutern.

Haptik

Das Wort haptisch kommt aus dem Griechischen und bedeutet „greifbar“. Damit ist gemeint, dass man Sachquellen berühren kann, da sie dreidimensional sind. Durch diese wird dem Betrachter die Größe, Oberflächenstruktur sowie Materialität der Sachquelle bewusst. Diese dreidimensionale Qualität vermittelt also eine realistische Vorstellung von der Quelle. Dieser Aspekt ist besonders wichtig bei den Schülerinnen und Schüler, vor allem in der Grundschule, da diese Art von Quelle „konkret“ und „anschaulich“ ist. Wie man es schon bereits weiß: „Kinder erschließen sich die Wirklichkeit auf natürliche Weise durch das Betrachten, Begreifen und Ausprobieren ihrer Umwelt“. Deswegen ist es wichtig, dass man Objekte im Unterricht benutzt, da sie mit verschiedenen Sinnen wahrgenommen werden können (fühlen, tasten, riechen, usw.). Diese „multisensorische Wahrnehmung“ [5] ermöglicht auch besonders lernschwachen Schülerinnen und Schülern, da weder Lese-, Sprachkompetenz noch fachliche Vorkenntnisse vorhanden sein müssen, um eine erste Annäherung an die Quelle zu erleichtern.

Ästhetik

Um verschiedenen Quellengattungen zu unterscheiden, sollte man fähig sein, ihre Ästhetik zu erkennen. Leider wird dies heute immer schwieriger, da die Ästhetik, die zum Beispiel durch Events, Theater oder Filme weitergeleitet wird, nicht unbedingt die Wahrheit entspricht. Das Ziel der Ästhetik ist also „das „innere Auge“ zu sensibilisieren für den Umgang mit „historischen Bildern“, was natürlich vor allem mit Hilfe der gegenständlichen Quellen möglich ist.[6] Beim Anfassen wird es einfacher die Form, Farbe, das Gewicht,… der Objekte wahrzunehmen und sich ein ästhetisches Bild davon zu machen. Man kann sich zum Beispiel nicht richtig das Gewicht einer mittelalterlichen Rüstung nicht richtig nur durch Erzählungen vorstellen. Museen sind also besonders geeignet um die eigene Wahrnehmung für Ästhetik zu entwickeln.


Authentizität

Im Gegensatz zu den schriftlichen Quellen, die eher als Papier wahrgenommen werden, scheinen Sachquellen authentischer, originaler, echter, einzigartiger zu sein. Sie gehören zu einer vergangenen Realität und bleiben einen konkreten, begreifbaren „Spur“ [7] des vergangenen Geschehens. Sie machen die Geschichte gegenwärtiger und überbrücken punktuell den Abstand zwischen Vergangenheit und Gegenwart.[8] Sie haben also eine besondere Aura, „die Aura der Zeitgenossenschaft“, die universal ist und eine emotionale Dimension auslöst. Diese Authentizität weckt ein natürliches Interesse bei Schülerinnen und Schüler. Man kann zum Beispiel feststellen, dass zwei zentralen Fragen bei Kindern immer wieder vorkommen, wenn sie sich mit Sachquellen beschäftigen, nämlich: „Wie alt ist das?“ „ Ist das echt?“ [9]

Emotionalität

Die verschiedenen Prinzipien, die wir schon erwähnt haben (Haptik, Ästhetik, Authentizität) sind alles Aspekte, die uns zu der Emotionalität führen. Die „emotionale Nähe“, die bei Menschen, die sich in der Gegenwart mit Überresten beschäftigen, entsteht, löst eine „emotional-auratische Faszination“ aus.[10] Diese Faszination wird durch das Fremde, die unbekannte Funktion und Geschichte des Objektes und die Vorstellung der früheren Menschen, die sich damit beschäftigt haben, erweckt und kann als Lernimpuls genutzt werden. Da wir wissen, dass unser Gehirn „auf emotionale und körperliche Rückkoppelungen angewiesen“ ist, werden also „eindrückliche Ereignisse“ besser gespeichert.[11] Es gilt als bewiesen, dass unsere „emotionale Intelligenz“ sehr wertvoll ist und, dass das Wechselspiel zwischen Gefühl und Verstand, emotionalem und rationalem Lernen gute Lernergebnisse ermöglicht, was auch eine zentrale Rolle bei der Arbeit mit Sachquellen spielt.[12] Diese Rationalisierung kann auch die Schülerinnen und Schüler dabei helfen wieder Abstand zu der Geschichte zu finden, um, zum Beispiel, ein Übermaß an Emotionalität während Diskussionen zu vermeiden.

Sachquellen im Klassenzimmer

Probleme der Nutzung von Sachquellen im Unterricht [13]

Das erste pragmatische Problem, das man treffen kann, ist einfach, dass manche Überreste auch wenn man sie als „mobil“ anerkennen kann, viel zu viel Platz brauchen und umständlich für ihre Einführung im Unterricht sind.

Wenn man aber die Möglichkeit hat, Überreste im Unterricht zu benutzen, kann man es nicht tun ohne sie richtig einzuführen. Sie sollten nicht nur einen Methodenwechsel, der die Schülerinnen und Schüler schneller motiviert, aber sie sollten in einem Zusammenhang vorgestellt und erklärt werden, um das Lernen zu veranschaulichen. Die Lehrer sollten also genug Kenntnisse haben, um die Herkunft, Funktion, das Nutzen und Wert des Objektes erklären zu können. Darin besteht also eine aufwändige Vorbereitung für die Lehrkräfte. Einzige Ausnahme bildet, wenn ein/e Schüler/in einen besonderen Fund in den Unterricht mitbringt. Daraus ergibt sich eine Art situationsorientiertes Arbeiten für die Schüler/Innen, in welchem sie „die Aufklärungsfunktion von Geschichtsunterrichts und Relevanz von Geschichte als Zusammenhang von Vergangenheit und Gegenwart“ erfahren.[14]

Leider sind die meisten Studenten (dh. zukünftige Lehrkräfte) während dem Studium oder im Referendariat nicht an der Benutzung der Sachquellen im Unterricht sensibilisiert und werden also später im Schulalltag nicht an ihre Einführung und Nutzung im Klassenzimmer denken.

Oftmals wurden auch viele Gegenstände im Laufe der Jahrhunderte durch Feuerbrünste, Kriege usw. zerstört oder aber durch Stadtplanungen, vor allem in den 1960/1970ern, oder Umbaumaßnahmen soweit verändert, dass die Gebäude nicht mehr ihrem Originalzustand bzw. ihrer Funktionalität entsprechen.

Es ist also nicht immer einfach sich originale Sachquellen zu beschaffen. Man könnte dann eher Replikate im Unterricht benutzen aber da die Sachquellen noch nicht sehr beliebt in der Schule sind, ist es schwierig viele Überreste auf dem Lehrmittelmarkt zu finden.


Vorteile der Nutzung von Sachquellen im Unterricht

„Sachquellen besitzen besondere Qualitäten, die im Geschichtsunterricht durch sinnliche Erfahrung für den Prozess des historischen Lernens aktiviert werden können.“[15] Die Schülerinnen und Schüler besitzen also die Möglichkeit „mit allen Sinnen“[16] zu lernen und, wie bereits erwähnt, wird dadurch die Wahrnehmung des Objektes länger anhalten. Dadurch, dass die Kinder zuerst vor einem unbekannten Objekt stehen, wird ihre Fantasie angeregt. Sie werden sich selbst überlegen, was die Funktion des Objektes sein kann und so wird die historische Methodenkompetenz geschult. Hierbei sollen die Schülerinnen und Schüler die Rekonstruktion und Dekonstruktion von Teilen der Vergangenheit (wieder-) herstellen. Die Rekonstruktion der Vergangenheit bedeutet, gewisse Dinge aus der Vergangenheit nachbilden zu können und eine historische Narration zu bilden. Wichtig ist, dass die Schülerinnen und Schüler die Quellen stets kritisch hinterfragen können. Die Dekonstruktion ist ein weiterer Schwerpunkt, da die Schülerinnen und Schüler sich ebenfalls darüber Gedanken machen sollten, mit welcher Absicht diese Quelle der Nachwelt hinterlassen wurde.

Heutzutage ist auch Unterricht stark vom „Verbalismus“[17] geprägt. Die Kinder erfahren oder forschen nicht viel selbständig und sind also nicht aktiv genug im schulischen Prozess. Die Nutzung von Sachquellen könnte eine Lösung sein, um eine aktive Mitarbeit zu unterstützen.

Sachquellen erleichtern eine Annäherung der Vergangenheit in unserer Gegenwart. „Sie vermitteln eine besonders enge und unmittelbare Begegnung mit der Geschichte, da sie wie eine konkrete Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart stehen und es der menschlichen Vorstellungskraft leichter machen, Gewesenes im Bewusstsein zu reproduzieren.“[18]



Wo lassen sich Sachquellen finden? [19]

Im alltäglichen Geschichtsunterricht können nur mobile Sachquellen verwendet werden (Bsp. Orden, Schmuckstücke, Spielzeuge, usw.) aber wo kann man sie genau finden?

Museen

Das Museum bleibt bis heute wirklich der Ort, wo man am meisten über Sachquellen entdecken und lernen kann: „Museen sind Einrichtungen, die sich professionell mit der Vermittlung von Geschichte durch Sachquellen beschäftigen und stehen.“[20] Durch die enge Kooperation, die sich zwischen Schulen und Museen immer weiter entwickelt, lassen sich Projektarbeiten (zB. Entstehung einer Ausstellung) oder pädagogische Angebote innerhalb des Museums (zB. Vermittlung von Techniken historischer Gegenständen in einer Werkstatt, Lernkoffer, Führungen, Audioguide…) schaffen. Das Museum bietet also einen anderen Lernkontext, wo die Schülerinnen und Schüler selbst forschen können und damit ihre Kenntnisse vertiefen oder sichern können. Der große Vorteil ist eben, dass die Sachzeugnisse schon kontextualisiert sind und mit Erläuterungen und verschiedenen Informationen den Schülern zugänglich gemacht sind. Der einzige Nachteil bleibt vielleicht, dass die Überreste meistens hinter Vitrinen ausgestellt werden, man kann sie also nicht anfassen und daraus kann wieder einen Abstand zwischen den Schülern und den Überresten entstehen. Aber trotz diesem Abstand verlieren die Sachquellen nicht ihre Authentizität und erwecken immer wieder Interesse bei den Schülern.

Schulsammlung

Manche Schule, oft diejenige die leider nicht die Möglichkeit haben in das Museum zu gehen, weil es entweder kein in der Nähe gibt oder, weil es keine gute pädagogische Betreuung finden können, besitzen systematische Sammlungen die sich erweitern lassen.

Flohmärkte

Wenn man eine Schulsammlung gründen oder erweitern möchte, sollte man aber wissen, wo man sich überhaupt Sachzeugnisse beschaffen kann. Dafür sind Trödelmärkte, Antiquitätsladen oder noch Sperrmüll ziemlich gut geeignet. Damit können die Schülerinnen und Schüler auch selbst feststellen, dass man nicht nur Sachquellen im Museum finden kann, aber, dass sich „Schätze“ noch in alten Dachböden verstecken können.

Zuhause

Man braucht auch nicht unbedingt weit zu gehen, um Sachquellen zu finden. Wenn man sich überlegt, was auf Flohmärkte verkauft wird, da sind nur Sachen, die eine Weile im Keller oder Dachboden gelagert wurden. Das heißt also, dass viele Schülerinnen und Schüler zu Hause die Möglichkeit haben, selbst Überreste zu entdecken. Auch wenn sie in neuen Wohnungen leben, die vielleicht noch nicht alt genug sind, um schon etwas erzählen zu können, werden in vielen Familien bestimmte Objekte aufbewahrt. Diese Quellensuche, die man zu Hause oder bei Verwandten machen kann und, die sich in Familienforschung verwandelt, motiviert natürlich die Schülerinnen und Schüler, weil sie direkt betroffen sind und sich als Teil der Geschichte sehen können.


Verweise

  1. Stadtmüller 1999, 391
  2. vgl. Heese 2007, 26
  3. vgl. Reeken
  4. vgl. Schneider 2005, 512
  5. Heese 2007, 12
  6. Heese, 2007, 17
  7. Heese 2007, 21
  8. vgl. Reeken
  9. Heese 2007, 22
  10. Heese 2007, 24
  11. Heese 2007, 13
  12. vgl. Heese 2007, 26
  13. vgl. Schneider 2005, 509
  14. vgl. Reeken
  15. Heese 2007, 11
  16. Heese 2007, 13
  17. Heese 2007, 13
  18. Hug
  19. vgl. Heese 2007, 51 ff.
  20. Heese 2007, 51


Belege

Heese, Thorsten: Vergangenheit „begreifen“, Die gegenständliche Quelle im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. Wochenschau Verlag. 2007

Hey, Bernd: Das Museum, Die historische Exkursion. Zur Didaktik und Methodik des Besuches historischer Stätten, Museen und Archive, Stuttgart 1978

Reeken, Dietmar: Gegenständliche Quellen und museale Darstellungen, http://www.geschichte.uni-oldenburg.de/als_beruf/download/Sc-vRee-Sachquellen.pdf , (14.08.2012)

Schneider, Gerhard: Gegenständliche Quellen. In: Pandel, Hans Jürgen/Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. 2005, S.509-524

Stadtmüller, Wilfried: Sachquellen. In: Schreiber, Waltraud (Hg.), Erste Begegnungen mit Geschichte. Grundlagen historischen Lernens. Erster Teilband, Neuried 1999, 391-404

http://freimore.uni-freiburg.de/muenzen/kaiser.jpg (14.08.2012)