Grundlagen der Wissenschaftsorientierung im Geschichtsunterricht

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P. Schönherr


Einleitung

Unstrittig ist, dass Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht bisher zu viel selbst gemacht haben und Schülerinnen und Schüler zu wenig selbständig arbeiten mussten. Die Orientierung war also am Input- und nicht am Output ausgerichtet. Die Aussage, dass schulisches Lernen nicht ohne Lehren möglich ist, stößt dabei sicherlich auf breite Zustimmung.[1] Wie so oft ist eine Balance zwischen Lehren und Lernen zu finden, bei der Lernprozesse angeleitet stattfinden. Ein Prinzip einer solchen Didaktik historischen Lernens ist die Wissenschaftsorientierung


Definition

Wissenschaftsorientierung der Bildung bedeutet, dass Bildungsgegenstände, in ihrer Bedingtheit und Bestimmtheit durch die Wissenschaften erkannt und entsprechend vermittelt werden.[2]Einfacher ausgedrückt werden Lernprozesse an Inhalten und Prozessen der entsprechenden Wissenschaft, in unserem Fall also der Geschichtswissenschaft, ausgerichtet. Methodisch bedeutet dies ein Lernen, das von Fragen der Schülerinnen und Schülern ausgeht und nach individuellen Antworten sucht.


Herkunft der Wissenschaftsorientierung

Um die Frage zu beantworten, wie es zur Wissenschaftsorientierung im Unterricht kam, verweist von Borries auf die Gymnasien.[3] Dabei wird näher ausgeführt, dass an Gymnasien schon immer wissenschaftsorientiert gearbeitet und somit gelehrt und gelernt wurde. Dies diente vor allem zur Vorbereitung auf die Hochschule. Somit war die gymnasiale Lehramtsausbildung, also das Lehramtsstudium an Universitäten, schon immer theoriegeprägt. Als Schwierigkeit ist dabei zu sehen, dass die Ausbildung an der Bezugswissenschaft orientiert war und ist, sich Lehrerinnen und Lehrer aber in der Praxis auch an Lernprozessen der Schülerinnen und Schüler und somit an lernpsychologischen, didaktischen und pädagogischen Kriterien orientieren müssen. Eine (fast) ausschließliche Orientierung an der Bezugswissenschaft scheint also fragwürdig.


Entwicklung der Wissenschaftsorientierung

Im Lauf des 20. Jahrhunderts und dem Weg hin zur Wissensgesellschaft fand eine allgemeine Verwissenschaftlichung des gesellschaftlichen Lebens statt. Wer diese Meinung nicht teilt, der wird zumindest zustimmen, dass ein solcher Schein mehr und mehr eintritt und der Alltag durch wissenschaftliche Disziplinen mehr und mehr durchdrungen wird. Der Deutsche Bildungsrat erstellte somit folgerichtig im Jahre 1970 den Strukturplan für das Bildungswesen. Darin wurde die Wissenschaftsorientierung für alle Bildungsstufen gefordert. Dies beinhaltet alle Fächer, zum Beispiel auch die Kunst, alle Altersstufen, zum Beispiel auch die Grundschule und alle Schulformen, zum Beispiel auch die Hauptschule. [4] Als Folge gab es in der Lehrerausbildung eine größere Theorieorientierung. Gerade für die Grund-, Haupt- und Realschullehrer, also an Pädagogischen Hochschulen, war dies eine Veränderung. Eine solch starke Theorieorientierung wird mittlerweile auch bei der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern gefordert.[5]


Ansichten über Wissenschaftsorientierung im Unterricht

Chancen

Sicherlich haben Schülerinnen und Schüler wie Wissenschaftler Fragen, deren Lösung sie suchen, sie wollen Neues entdecken. Sie sind also prinzipiell wissenschaftsorientiert.[6]

Außerdem tritt an die Stelle der (Re-) Produktion von reinem „historischen Wissen“ die Fähigkeit der Analyse und des Umgangs mit Geschichte, was der Kompetenzorientierung des aktuellen Bildungsplans entspricht und Teilhabe an Geschichtskultur ermöglicht.[7]


Probleme

Dagegen spricht jedoch, dass vor allem junge Schülerinnen und Schüler mit einer Wissenschaftsorientierung im engeren Sinn überfordert sind und die Orientierung an der Bezugswissenschaft oft auf Kosten der Praxisnähe zu Buche schlägt. Somit ziehen Schülerinnen und Schüler keinen Vorteil aus solchem Unterricht, wenn sie zum einen noch sehr jung sind oder zum anderen kein Studium im Anschluss an die Schullaufbahn anstreben.

Ein weiteres Problem der Wissenschaftsorientierung betrifft die Überfrachtung der Lehrpläne, die deswegen vorherrscht, weil die Auswahl von Inhalten aus den Bezugswissenschaften stammt und nicht didaktisch reduziert wurde. Ebenso kommen wichtige wissenschaftliche Methoden und Strukturbegriffe zu kurz, was produktives Arbeiten, wissenschaftlicher Natur oder nicht, erschwert. Somit wird oft keine Rücksicht auf das Lernalter genommen und die Wissenschaft prallt ungefiltert auf die Schülerinnen und Schüler.


Praxis

In der konkreten Praxis sieht dies nach Jaismann so aus, dass durch eigene Fragen der Schülerinnen und Schüler zuerst eine Sachanalyse der vorherrschenden Situation und dann ein Sachurteil erfolgen. Darauf aufbauend soll eine Wertung vorgenommen werden. Somit ist es für jeden Schüler individuell möglich seine Folgerungen zu ziehen, die die Klasse betreffend sehr breit gefächert sein können. Diese sind auf Grundlage multiperspektivischer Quellen zu erarbeiten, woraus dann kontroverse Darstellungen zu zeichnen sind.[8]

Das folgende Schaubild veranschaulicht dies:

  1. vgl. Henke-Bockschatz 2002, S. 87-99.
  2. Klafki 2007, S. 163.
  3. vgl. Kaiser 1991, S. 250-253.
  4. vgl. Borries 2004, S. 31.
  5. vgl. Becker 2007.
  6. Flitner 1997, S. 7, 8.
  7. vgl. Borries 2004, S. 35.
  8. vgl. Borries 2004, S. 45.