Grundlagen des Historischen Denkens

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T. Müller; K. Bischof

Definition

Historisches Denken (griechisch historíe: Erkundung) [1] „dient im vollen theoretischen Sinne als eine mentale Form authentischer Orientierung von Handeln im zeitlichen Wandel“. [2]

Zusätzlich bestimmt es unsere Vorstellung von Geschichte. [3]. Außerdem ist „das historische Denken […] deshalb – schon wegen seiner jeweils aktuellen Bedeutung – von Anfang an geprägt von Grundsätzen und Begründungen, von Geboten der rechten Überlieferung und der rechten Auslegung, von Kommentaren und Widerlegungen und ist durchaus auch durchsetzt von Kritik und Zweifel am Wahrheitsgehalt des überlieferten Geschichtsbildes“. [4]


Theorie der Geschichte

Als Wissenschaftstheorie des historischen Denkens gilt die Theorie der Geschichte. [5] Diese hat eine objektive, sowie eine subjektive Bedeutung.

Unter der objektiven versteht man Geschichte als „den komplexen Zusammenhang, in dem sich alle menschliche Kultur, im Kleinen wie im Großen, in der Zeit ereignet und wandelt“ [6]. Hingegen meint das subjektive Wesen „die Erforschung, das Wissen, die Deutung und die (re-) konstruktive Darstellung dieses Geschehenszusammenhanges oder einzelner seiner Teile]n[“ [7].

Beachtet werden sollte hierbei, dass die Menschen, welche sich mit der Vergangenheit auseinandergesetzt haben, dies nie aufgrund der Theorie getan haben.


Zwei mögliche Unterscheidungen von historischem Denken

In der Regel bekommt man vergangene Ereignisse von einer anderen Person, die sich auf einem geschichtlichen Gebiet auskennen, vermittelt.

Im eigenen Umfeld bekommt der Mensch Traditionen, Lebensweisen mit geschichtlichem Hintergrund und Lebenseinstellungen vermittelt. Hierbei wird die subjektive Darstellung – wie zum Beispiel die politische Einstellung oder persönliche Absichten – nicht unbedingt berücksichtigt, was dann auf einen Mangel an (Selbst-)Reflexion hindeutet. Hingegen ist aber die Gliederung sehr anschaulich und verständlich. Theorien und Methoden werden hierbei vernachlässigt. [8]

Im Gegensatz dazu gibt es aber auch Menschen, die - wenn sie über Geschichtliches sprechen bzw. es anderen beibringen wollen-, dieses bereits reflektiert und kritisch betrachtet haben.


Regelkreis des historischen Denkens

Regelkreis des historischen Denkens [9]

Das Forschungsprojekt „FUER“ (Förderung und Entwicklung von reflektiertem Geschichtsbewusstsein), an dem verschiedene Geschichtsdidaktiker, -lehrer und -wissenschaftler beteiligt sind, [10] beschäftigt sich mit dem Leitziel: […] [des] reflektierte[n] und [selbst-] reflexive[n] Umgang[s] mit Geschichte. [11]. Dabei wurde von den beiden am Projekt beteiligten Geschichtsdidaktikern Wolfgang Hasberg und Andreas Körber auf den Grundlagen der geschichtstheoretischen Konzeption von Historik des Historikers Jörn Rüsens ein Regelkreis des historischen Denkens entwickelt. [12]

Im Gegensatz zu Rüsens Geschichts-Matrix, die auf Grundlagen des menschlichen Bedürfnisses nach Orientierung begründet ist, wird bei diesem Regelkreis das „Geschichtsbewusstsein“ als „dynamisch“ angesehen. [13] Dieser zeigt, dass die „Lebenswelt“ und die „Geschichtswissenschaft“ in einer engen Beziehung zueinander stehen. [14]

Wenn eigene Vorstellungen und Einstellungen zur Vergangenheit ins Wanken geraten, steht man vor einem „Handlungs- und Orientierungsproblem“ [15], weshalb es dann sinnvoll ist, sich mit der eigens formulierten historischen Frage auseinanderzusetzen. Dies bedeutet im Grunde, dass man eine Frage an die Vergangenheit stellt, um dadurch seine Probleme in der Gegenwart zu lösen. Diese Aufgabe kann mit Hilfe von „(Vor-)Wissen, Deutungen (Sachurteile) und Vor-Urteilen“ durchgeführt werden. [16]

Der Suchende wendet sich der Vergangenheit und Gegenwart zu und methodisiert seine Fragestellung, um so die Geschichte durch die „Basisoperationen“ [17] der De- und Rekonstruktion zu betrachten. [18] Dabei setzt sich der Fragesteller kritisch mit einer ferti-gen Erzählung (z.B. Geschichtsbücher, Romane, Spielfilme) auseinander, im Idealfall bedient er sich historischer Quellen, um so am Ende eine „Erzählung über die Vergangenheit“ zu erstellen. [19]

Es fließen dabei die eigenen Ideen und Vorstellungen von Geschichte mit ein, die dann - wie in diesem Regelkreis beschrieben -, hinterfragt und erweitert werden. Während des ganzen Vorgangs werden die vier Kompetenzbereiche historische Fragekompetenz, historische Methodenkompetenz, historische Orientierungskompetenz und historische Sachkompetenz gefördert. [20]

Da es sich um einen Kreislauf handelt, wiederholt sich dieser Prozess der Fragestellung - über die Suche bis zur Findung der Antwort - immer wieder. Da das Modell sehr allgemein gehalten ist, muss es erst noch „ausdifferenziert“ [21] werden, wenn man es für den Geschichtsunterricht anwenden möchte.


Kompetenz-Strukturmodell des Historischen Denkens

Kompetenz-Strukturmodell des Historischen Denkens [22]

Das oben erwähnte „Projektteam FUER Geschichtsbewusstsein“ hat, nach dem sich keiner dieser Problematik angenommen hat, auch ein Kompetenz- Strukturmodell des Historischen Denkens erarbeitet, um so eine Grundlage zur Diskussion für die Bildungsstandards im Fach Geschichte zu ermöglichen. [23] Dieses Modell beschäftigt sich nicht nur mit dem historischen Denken in der Schule, sondern es geht auch darüber hinaus.[24]

Wie in anderen Fächern schon geschehen, soll auch auf Grundlage dieses Modells Testaufgaben und Bildungsstandards ausgearbeitet werden, um dadurch das erreichte Niveau der Schüler im Vergleich mit anderen Ländern, z.B. durch die PISA Studie, zu überprüfen. [25]

Dabei hat man sich unter anderem mit der Frage auseinander gesetzt, welche historischen Kompetenzen die Schüler im Geschichtsunterricht erlernen sollen und wie man diese im Nachhinein in einem Test sichtbar machen kann. [26].

Diese „Fähigkeit [en], Fertigkeit [en] und Bereitschaft [en], historisch zu denken, “ [27] soll den Schülern in der Gegenwart und auch in der Zukunft helfen, sich mit ihrem Leben auseinanderzusetzen und es zu bewerkstelligen. [28] Der Geschichtsunterricht hat dadurch eine so wichtige Aufgabe, da er direkt an die Lebenswelt der Lernenden anknüpft. [29]. „Die Grundlage für das Strukturmodell ist die narrativistische Geschichtstheorie“. [30] Diese bezieht sich auch wieder auf die Gegenwart und die Möglichkeit der Lernenden dadurch, sich in der Gesellschaft und in ihrer Zeit, so wie in der Zukunft zu orientieren. [31] In der Schule stehen den Schülern die „Geschichten“ der Vergangenheit als „historische Narrationen“ zur Verfügung. [32]

Als Grundlage des Kompetenzmodells dient der oben schon beschriebene „dynamische Regelkreis des historischen Denkens“. Die vier Kompetenzen, aus denen alle, bis auf die Sachorientierung „aus dem Prozess des historischen Denkens“ abgeleitet werden können [33], werden dabei genauer betrachtet und in Verbindung miteinander gesetzt.

Die Kompetenzen gelten als „Fähigkeit [en], Fertigkeit [en] [und] Bereitschaft [konkrete] Prozesse des historischen Denkens zu vollziehen bzw. über Prinzipien/Konzepte/Kategorien/Scripts historischen Denkens zu verfügen“. [34] Eine Verdeutlichung der Zusammenhänge zwischen den Kompetenzen kann man zum Beispiel anhand der historischen Sachkompetenz nachvollziehen. [35]

Man geht davon aus, dass das historische Denken mit der historischen Fragekompetenz beginnt, da eine „Verunsicherung“ oder ein „Interesse“ an einem bestimmten Thema entsteht und man in der Vergangenheit nach Antworten darauf sucht [36].

Der Fragesteller ist auf der Suche nach einer Antwort, die ihm hilft, sich in der Gegenwart oder in der Zukunft zu orientieren, womit der Zusammenhang zur Orientierungskompetenz hergestellt wird. [37] Die heutige Situation wird aus der Perspektive der Vergangenheit betrachtet, um daraus Schlüsse ziehen zu können. [38]

Auch die Methodenkompetenz ist mit der historischen Fragekompetenz eng verbunden. Durch die Frage wird auch bestimmt, welche Quellen verwendet werden, um zur Lösung des Problems zu gelangen. [39]

Die dritte Kompetenz, die mit der Methodenkompetenz in Verbindung steht, ist die historische Sachkompetenz, diese drückt aus, dass der Antwortsuchende in der Lage dazu ist, eine Frage an die Vergangenheit zu stellen. Es werden auf der Suche nach einer zufriedenstellenden Lösung Zusammenhänge hergestellt, was die Weiterentwicklung der Sachkompetenz vorantreibt. [40]

Gelingt es, sich dieser Zusammenhänge bewusst zu werden, die auch zwischen den anderen historischen Kompetenzen wiederzufinden sind, zeigt es, dass man in der Lage ist, die „Prozesshaftigkeit“ und „Kumulativität der Kompetenzentwicklung“ (Sinnergebende Zusammenhänge) zu erkennen. [41]

Lehrer und Lehrerinnen sollten dieses Kompetenzmodell im Hinterkopf bewahren, da der vermittelnde Lernstoff dazu beiträgt, die vier historischen Kompetenzen ihrer Schüler zu erweitern. [42]


Empirische Forschungen zum historischen Denken im Unterricht

Die empirische Forschung in der Geschichtsdidaktik versuchte in den letzten Jahrzehnten herauszufinden, inwieweit sich das sehr theoretische Geschichtsbewusstsein nachweisen lässt.

Dafür wurden Befragungen in zum Beispiel den Projekten „Das Geschichtsbewusstsein Jugendlicher“, „YOUTH“ und „HISTORY“ durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass man das historische Denken selbst nicht nachweisen kann, sondern höchstens eine „geronnene Form“ [43]

Das historische Denken ist allgemein schwer zu erfassen, denn zum einen kann das Denken des Individuums dabei nicht festgestellt werden, sondern nur die Erfassung der Verhaltensweisen, wie verbale und nonverbale Kommunikation, ist möglich. Im Geschichtsunterricht sind der Austausch und das Miteinander der Schüler untereinander fester Bestandteil, wodurch das Geschichtsbewusstsein gefördert und sichtbar gemacht wird. Außerdem werden Unterrichtsmaterialien wie schriftliche Quellen betrachtet.

Die Schule bietet den Schülern als eine von mehreren Instanzen die Möglichkeit, einen Zugang zur Geschichte zu erlangen, was einen Anknüpfungspunkt für die Forschung darstellt[44].

Zweitens kann man bei der Schülerbeobachtung zwar die Denkweisen in Bezug auf Geschichte feststellen, was allerdings kein eindeutiges Indiz für historisches Denken ist. Der Geschichtsunterricht behandelt nicht unbedingt alltägliche Situationen. Dem Lehrer sollte dieser Umstand bewusst sein, weshalb er ihn in der Unterrichtsplanung berücksichtigen sollte. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Schüler einen Gegenwartsbezug herstellen können und jenen in ihrem außerschulischen Leben anwenden können[45].

Außerdem beschäftigen sich Forscher mit dem historischen Denken außerhalb des Klassenzimmers, damit sie feststellen können, ob das Gelernte in der Freizeit genutzt und umgesetzt wird. Deshalb ist es notwendig und unerlässlich, dass sich Menschen – unabhängig von der Schule, in welcher ein Grundwissen vermittelt wird – mit dem Thema Geschichte auseinandersetzen und darüber kommunizieren. [46]


Historisches Denken im Unterricht

Häufig wird das Fach Geschichte von der Bevölkerung als nicht nützlich angesehen, weil es keinen Bezug zur Außenwelt darstelle und keine Bildung für das alltägliche Leben stattfinde. Denn empirische Studien haben ergeben, dass Schüler am Geschichtsunterricht (gezwungenermaßen) teilnehmen, dies aber keinen Einfluss auf ihr späteres Leben nimmt. So wurde festgestellt, dass „Geschichtskenntnisse, Geschichtsinteresse, Politikeinstellung und Politikengagement“ [47] trotz absolvierten Unterrichts eher gering bleiben und dass in den Köpfen der Schüler das historische Denken noch nicht verankert ist.

Um dem entgegen zu wirken, sollte das Augenmerk des Lehrers darauf liegen, was in den Köpfen der Schüler während des Unterrichts passiert, aber ebenso was das Gelernte für einen Stellenwert bei den Schülern langfristig, zum Beispiel für das weitere Leben oder für das Verhalten, einnimmt. Dafür sollte sich der Lehrer in die Schüler hineinversetzen, um sich so bewusster zu werden, wie sie das Lernen wahrnehmen. [48] Aus diesem Grund sollte statt reinem Auswendiglernen, das Aneignen einer „Sinn machenden Denkstruktur“ [49] im Vordergrund stehen.

Die Lehrperson kann dazu die Grundlagen schaffen, indem sie die Schüler dazu ermutigt, fördert und Hilfestellung gibt, jedoch tragen die Kinder und Jugendliche auch einen Teil zum Erfolg bei. „Zweck des Unterrichts ist das „Lernen“, nicht das „Lehren“." [50] Dabei sollte das Geschichtsbewusstsein, welches einen „Prozess“ [51] darstellt, der ein Leben lang andauert, auch berücksichtigt werden. [52]

Am besten sollte der Lehrer versuchen, einen Bezug zur Außenwelt herzustellen. Den Schülern muss in diesem Zusammenhang zum Beispiel auch bewusst werden, dass sich die Menschen des Mittelalters nicht darüber bewusst waren, dass sie in der Epoche namens Mittelalter lebten, sondern dass der Name erst nachträglich konstruiert wurde. [53]

In der Schule und aus eigener Erfahrung kann man oft feststellen, dass sich die Schüler fragen: „ Wozu brauche ich das überhaupt in meinem späteren Leben?“ Aus dieser Demotivation heraus können sie oft nicht verstehen, warum ausgerechnet dieses eine bestimmte Fach oder dieses Thema in der Schule unterrichtet wird, obwohl man sich später in seinem Beruf (vermeintlich) mit ganz anderen Dingen auseinandersetzen muss. [54]

Den Schülern sollte aber bewusst werden, dass Geschichte ihnen Antworten auf ihre alltäglichen Fragen geben kann. So kann man durch einen Blick in die Vergangenheit Fragen klären wie z.B. „Warum heißt das Bundesland in dem wir leben, eigentlich Baden-Württemberg?“[55].

Ebenso sollte den Kindern bzw. Jugendlichen bewusst werden, dass Geschichte zur „Sinnbildung“ dient, wenn man sich verschiedene Fragen über die Vergangenheit stellt. [56]

Die große Frage ist nun, wie Geschichte im Schulunterricht vermittelt werden soll. Damit der Geschichtsunterricht nicht langweilig ist, sollte nicht – wie es in den meisten Stunden der Fall ist - ausschließlich mit Quellen gearbeitet werden. [57]

Es ist wichtig, dass die Schüler ein Geschichtsbewusstsein entwickeln. Dieses konnte sich nicht durchsetzen, weil beispielsweise die Elementarisierung vergessen wurde und es an der Lernprogression mangelt. [58].

Lehrer sollten sich aber auch über einen sinnvollen Aufbau Gedanken machen: Über den „chronologische (n) Aufbau“ der geschichtlichen Lerninhalte wird immer noch sehr stark diskutiert. [59] Es ist zwar von großer Bedeutung, dass bestimmte Grundlagen geschaffen werden, es besteht jedoch die Problematik, dass hier noch keine Einigung darüber erzielt wurde, wie genau dies den Schülern beigebracht werden sollte.

Das Argument, das „ältere Epochen [...] „leichter“ zu erlernen“ sind, als „jüngere“ [60] und dass dadurch eine einfachere Struktur zum Lernen entsteht kann bisher auch nicht vollständig bestätigt werden. Es gibt auch Ereignisse aus der Vergangenheit, die nicht aufeinander aufbauen und so keine Verbindung zueinander haben. [61]

Ein weiteres Argument gegen einen chronologischen Aufbau des Geschichtsunterrichts ist, dass aus dieser Art des Unterrichts nicht unbedingt die gewünschten Schlussfolgerungen gezogen werden und so die Sinnbildung nicht unterstützt wird. Dies kann zu anhaltender Unzufriedenheit in der Gegenwart führen[62].

Zusammenfassend kann man aber davon sprechen, dass es wichtig ist einen „roten Faden“ in den Lerninhalten zu integrieren, um so eine chronologische Reihenfolge der Ereignisse herzustellen, es jedoch auch andere Faktoren gibt, die berücksichtigt werden müssen, um einen erfolgreichen Geschichtsunterricht zu planen[63].

Außerdem sollten bei Unterrichtsthemen nicht einzelne Schüler als Beispiele herangezogen werden. Wenn man beispielsweise über ein Thema spricht, sollte also nicht einer der anwesenden Schüler als (negatives) Beispiel herausgestellt werden. Sie verschließen sich sonst und blockieren weil sie sich schämen oder angegriffen fühlen. Stattdessen sollten den Schülern Lösungswege für Probleme anhand von Geschichten aufgezeigt werden. [64] In einer Klasse können Schüler über- oder unterfordert sein, weil sich die „Einsicht in Geschichtlichkeit“ in verschiedenen Altersstufen entwickeln kann. Für den Lehrer ist es hierbei deswegen von Bedeutung, dass er das historische Denken nicht als Entwicklungsaufgabe versteht[65].

Die Lehrer sollten sich bewusst darüber werden, dass sie mit ihrer Art der Vermittlung der Geschichtsinhalte Einfluss auf die Meinung der Schüler gegenüber einem bestimmten Themas nehmen[66]. Sie sollten aber auch die Lernenden dazu ermutigen, sich ihre eigene Meinung zu bilden und nicht nur das aufzunehmen und anzunehmen, was die Lehrperson ihnen in ihrem Unterricht erzählt. [67] Dies ist ein großer Bestandteil der „Identitätsbildung,- reflexion und –erweiterung“ [68] der Kinder und Jugendlichen.

Aber nicht nur die Schule dient dazu, diesen Prozess in Gang zu setzten, es sind auch andere Institutionen wie z.B. die eigene Familie, Museen und Massenmedien daran beteiligt. Jedoch hat die Schule die Verantwortung, den Schülern beizubringen, wie man sich mit der Vergangenheit auseinandersetzt und somit fähig ist, sich auch außerhalb des Schulgebäudes an Diskussionen über die Geschichte zu beteiligen[69].

Allerdings kann historisches Denken sehr nützlich bei der Verknüpfung von Vergangenheit und Zukunft in Bezug auf andere Entwicklungsaufgaben (Berufswahl, Bevorzugung einer Partei) sein. Trotzdem sollte historisches Denken eher als Bildungsaufgabe angesehen werden. Es lässt sich als „kategorialer und methodischer Zugriff auf Welt und selbst verstehen“.

Geschichte dient im außerschulischen Leben eher der vielseitigen Bildung als dem großen Nutzen für jegliche alltäglichen Lösungsfindungen [70] Deshalb sollte der Lehrer beachten, dass Schule „lebensnah, gegenwartsbezogen und realitätsgerecht“ sein soll, was sich jedoch als relativ schwer rausstellt, weil manche Fragen, die die Schüler beschäftigen (Parteivorliebe, Verliebtheit, Rauschgiftprobleme usw.), in der Klassengemeinschaft nicht besprochen werden können. Um nicht (negativ) aufzufallen und sich gegebenenfalls für das Verhalten rechtfertigen zu müssen, zeigen die Schüler wenig Emotionen wie beispielsweise keine Betroffenheit oder Begeisterung, was sich hinderlich auf einen aktiven Unterricht auswirkt.

Die Lehrperson kann hier mit Geschichtsdidaktik und Bildungsgangtheorie gegenwirken bzw. wie Kleist behauptet, sollte die Dialektik nicht fehlen[71]. Denn wenn sich die Schüler nicht intrinsisch mit dem Unterrichtsstoff auseinandersetzen und quasi alles an ihnen „abprallt“, dann verlieren sie die Motivation und das Interesse am Fach Geschichte, was nicht Sinn der Sache sein soll.

Negativ bewertet wird auch die Tatsache, dass der Osten – nach dem Mauerfall – das Schulkonzept (Geschichtsbücher, Lehrpläne etc.) aus dem Westen einfach übernommen hat. Zu dieser Zeit wäre eine Reform des Geschichtsunterrichts angebracht gewesen.

Es ist es wichtig, dass die Schüler andere Kulturen kennen und verstehen lernen, sowie verschiedene Versionen von Geschichtsbildern vermittelt bekommen. Somit merken sie, dass Geschichte häufig subjektiv ist und lernen außerdem noch, sich mit belastender Geschichte auseinander zusetzen. [72] Wenn das Schulbuch und die Unterrichtsvorbereitung nicht an neue Erkenntnisse angepasst und die oben genannten Lernziele nie berücksichtigt werden, dann stockt der Unterricht.

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass das Schulbuch für einen guten Unterricht sehr wichtig ist, weil in deutschen Schulen viel mit ihm gearbeitet wird. Da stellt sich ein weiteres Problem dar: Schulbücher sind für Lernende oft schwer zu lesen und vor allem schwer zu verstehen. [73] Bodo von Borries vertritt die Überzeugung: „Schulbücher besitzen keine zureichende “Lernprogression“ und sind nicht direkt und wirksam auf den “Kompetenzerwerb von Schülern“, nämlich deren “historischen Denken“, deren “reflektierten Umgang mit Geschichtskultur“ ausgelegt. [74]

Es ist wichtig, dass die Schulbuchtexte nicht nur neue Informationen vermitteln, sondern den Schülern die Möglichkeit bieten, das neue Wissen mit bereits bekanntem zu verknüpfen und einordnen zu können.

Neben dem Schulbuch kann der Lehrer aber auch geeignete Textquellen einsetzen. Diese sind zum Verständnis oft besser, sollten aber nicht nur hauptsächlich verwendet werden[75]. Beachten sollte der Lehrer bei der Verwendung der Quellen aber die britische Studie „SHP (School History Project)“, welche vor der Einführung des „National Curriculum“ durchgeführt worden ist. Das Ergebnis dieses Experiments war, dass die Schüler mit Quellen gut arbeiten können, aber nicht in der Lage sind, sie richtig strukturiert und mit eigenen Worten wiederzugeben. Obwohl die Studie in Großbritannien durchgeführt wurde und sie sich auf das dortige Schulsystem bezieht, stellt sie auch für die Deutschen eine große Relevanz dar. Auch die deutschen Schüler verfügen, laut von Borries, über ein „mangelndes Überblickswissen“[76].

Bodo von Borries erwähnt auch eine Längsschnittstudie von Beck/McKeown, welche zeigt, dass Schüler kurz nach der Behandlung eines Themas im Normalfall einen Wissenszuwachs erhalten haben, welcher allerdings nach ein paar Jahren nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Deshalb müssen Lehrer das in früheren Klassenstufen bereits Gelernte zu späterem Zeitpunkt den Kindern immer wieder neu vermitteln, denn nur ein kleiner Teil gewinnt stetig an Wissen zu[77].

Wineburg zufolge wissen Schüler vieles, aber nicht unbedingt das, was der Lehrplan vorgibt. Dieses Wissen erhalten sie häufig über Filme, welche sie im Kreise ihrer Familie rezipieren und diskutieren. Allerdings gibt es eine Differenz zwischen diesem Wissen und dem historischen Denken, welches die Lehrer in der Schule vermitteln wollen. [78]

Laut Wineburg/Fournier ist historisches Denken:

„Historical thinking of the type described here, and in particular the disposition to think about the past by recognizing the inadequacy of one’s own conceptional apparatus, is essential in teaching people how to understand others different from themselves. If we never recognize that our individual experience is limited, what hope is there for understanding people whose logic defies our own, whose choices and beliefs seem inscrutable when judged against ourselves.[…]"[79]

Wineburg ist sich nämlich durchaus bewusst, dass die plakative volle Zustimmung zur Notwendigkeit “historischen Denkens” wenig wert ist, wenn nicht einerseits konkrete Lernwege zu ihm entwickelt werden und andererseits die darin liegende allgemeine Qualifikation herausgearbeitet wird.“[80] In der Schule lernen die Kinder, wie man Quellen richtig bearbeitet und mit welchen Methoden dies geschehen soll. Allerdings wird ihnen nicht beigebracht, wie sie Geschichten über mehrere Aspekte verstehen, mit ihnen arbeiten und selbst herstellen können.

Viele historische Bilder und schriftliche Quellen sind nicht oder nur teilweise wahrheitsgetreu. Kaiser im Mittelalter haben sich anders porträtieren lassen, als sie tatsächlich aussahen und Kriegsberichte wurden häufig so verfasst, dass der Verfasser sich selbst außerordentlich erfolgreich darstellte und auch heutzutage werden Aufnahmen von Politikern meistens inszeniert[81]. Auf jeden Fall muss man sich diese Tatsachen als Geschichtslehrer ins Bewusstsein rufen, ebenso wie den Schülern. Wichtig ist, dass man mit solchen Quellen kritisch umgeht[82].

Neben dem historischen Lernen sollte das politische Lernen berücksichtigt werden, weil sie sich ergänzen oder überschneiden können[83]. Migration stellt ein interessantes Geschichtsthema für die Lernenden dar, weil sie selbst davon betroffen, aufgrund eigener Migration oder dem Umgang mit bzw. die Beziehung zu Migranten. [84] Migration war fast zu jeder Zeit von Relevanz. Zum Beispiel die Kriegszüge im Mittelalter. [85]

Früher gab es die Pennsylvanien-Dutch, dies waren deutsche Auswanderer. Ihnen wurden negative Eigenschaften, wie „Überfremdung, Unterbietung auf dem Arbeitsmarkt, Hässlichkeit (besonders der Frauen), Frauenunterdrückung, Kulturlosigkeit und Verslumung“ [86] unterstellt. Es besteht die Möglichkeit, dass wenn der Lehrer diese Geschichte im Unterricht behandelt, die Schüler mit einem Hang zur Ausländerfeindlichkeit oder Schülern mit Migrationshintergrund, die eine Ausländerfeindlichkeit erfahren haben, diese Erzählung eventuell zum Überlegen anregt.

Letztlich sollte der Schüler im Geschichtsunterricht nicht (nur) auswendig lernen, sondern selbst (historisch) Denken lernen [87], denn im „Fach Geschichte geht es nicht primär um “Quellenarbeit“, sondern um Fragehaltung.

Der Erwerb historischer Kompetenzen kann man gleichsetzen mit dem Lernen von historischem Denken. Bei der Geschichtskultur sollte der Lehrer die De- und Rekonstruktion berücksichtigen, was zu einer Aneignung der Methodenkompetenz führt, berücksichtigen. [88] Der Lehrer sollte versuchen den Schülern zu erklären, dass Entscheidungen aus der Vergangenheit unter der damaligen Situation zu betrachten sind. Und man diese nicht immer mit dem heutigen Wissenstand und Maßstab bewerten sollte.


Die Geschichtsdidaktik

In der Geschichtsdidaktik gibt es Bereiche, die sich kreuzen und manchmal auch aufeinander einwirken. Damit sind die Geschichtskultur, die historische Identität und die fachlichen Kompetenzen gemeint.

Bei der Geschichtskultur geht es um die Darstellung und Auseinandersetzung mit der Geschichte.

Unter der historischen Identität versteht man die bewusste bzw. auch unbewusste Einordnung von sich selbst als Gruppe oder Individuum.

Zuletzt versteht man unter der Geschichtskompetenz die „immer vorhandene Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft zum historischen Denken“ [89].

Neben der Geschichtsdidaktik gibt es auch die Bildungsgangforschung und die Bildungsgangdidaktik. Bei der letzteren stehen – im Gegensatz zu der Geschichtsdidaktik – die Schülerwahrnehmung und die Langfristperspektive im Mittelpunkt. [90]

Im Normalfall sind die Erkenntnisse einer Wissenschaft außerhalb eines Landes bekannt und die dazugehörige Literatur ist für verschiedensprachige Menschen zugänglich. Die Geschichtsdidaktik beschränkt sich allerdings auf den nationalen Raum. Dies ist nicht von Vorteil für eine Wissenschaft, weil auf diese Weise Missstände – die bedauerlicherweise vorhanden sind – schlecht behoben werden können.

Internationale Kenntnisse, Forschungsergebnisse und Herangehensweisen an den Unterricht könnten dafür eventuell Aushilfe schaffen. [91] Unter diesen Mängeln versteht man, dass der Unterrichtsstoff zum Beispiel im Bezug auf das Alteran der Schüler angepasst werden müsste oder auch die Bedingungen an den Schulen als Institutionen. Ebenso gibt es durch diese nationale Geschichtsdidaktik wenige empirische Studien zum Fach Geschichte. [92]



Belege

Literaturverzeichnis

Borries, B. v. (2008). Historisch Denken Lernen. Opladen & Farmington Hills: Verlag Barbara Burdich.

Günther-Arndt, H./Sauer, M. (2006). Geschichtsdidaktik empirisch. Berlin: LIT.

Wiersing, E. (2007). Geschichte des historischen Denkens. Paderborn: Ferdinand Schöningh.

Kühberger, C. (2009). Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Innsbruck: Studienverlag.

Schreiber, W. & Schöner, A. (n.d.). „Unser Theoriekonzept: Leitziel ist der reflektierte und (selbst-) reflexive Umgang mit Geschichte.“ http://www1.ku- eichstaett.de/GGF/Didaktik/Projekt/grundlagen.html abgerufen. (Letzter Zugriff am 10.03.2013)

Schreiber, W. & Schöner, A. (n.d.). „Theorie und Praxis- Hand in Hand.“ (http://www1.ku-eichstaett.de/GGF/Didaktik/Projekt/vorstellung.html) (Letzter Zugriff am 10.03.2013)

Waltraud, S., Körber, A., von Borries, B., Krammer, R., Leutner- Ramme, S., Mebus, S., . . . Ziegler, B. (2006). Historisches Denken- Ein Kompetenz- Strukturmo-dell. Neuried: ars una Verlagsgesellschaft mbH.


Verweise

  1. vgl. Wiersing, 2007, S. 22
  2. vgl. Günther-Arndt/Sauer, 2006, S. 192
  3. vgl. Wiersing, 2007, S. 21
  4. vgl. Wiersing, 2007, S.24
  5. vgl. Wiersing, 2007, S. 23
  6. Wiersing, 2007, S. 19
  7. Wiersing, 2007, S. 19
  8. vgl. Wiersing, 2007, S. 23-24
  9. http://www1.ku-eichstaett.de/GGF/Didaktik/Projekt/grundlagen.htm
  10. Entnommen am 09.03.2013, http://www1.ku-eichstaett.de/GGF/Didaktik/Projekt/vorstellung.html
  11. Entnommen am 9.03.2013, http://www1.kueichstaett.de/GGF/Didaktik/Projekt/grundlagen.html
  12. vgl. Kühberger, 2009,S. 17
  13. Waltraud, et al., 2006, S. 16 & S. 17
  14. Kühberger, 2009, S. 17
  15. Kühberger, 2009, S. 17
  16. Kühberger, 2009, S.17
  17. Waltraud, et al., 2006, S. 17
  18. vgl. Kühberger, 2009,S. 17
  19. Kühberger, 2009, S. 17
  20. vgl. Kühberger, 2009, S. 18
  21. Waltraud, et al., 2006, S. 18
  22. Waltraud, et al., 2006, S. 30
  23. vgl. Waltraud, et al., 2006, S.5
  24. vgl. Waltraud, et al., 2006, S.15
  25. vgl. Waltraud, et al., 2006, S. 5-6
  26. vgl. Waltraud, et al., 2006, S.6
  27. Waltraud, et al., 2006, S. 13
  28. vgl. Waltraud, et al., 2006, S.13
  29. vgl. Waltraud, et al., 2006, S.14
  30. Waltraud, et al., 2006, S.15
  31. vgl. Waltraud, et al., 2006, S.15
  32. Waltraud, et al., 2006, S.15
  33. Waltraud, et al., 2006, S.18
  34. Waltraud, et al., 2006, S. 28
  35. vgl. Waltraud, et al., 2006, S. 30
  36. Waltraud, et al., 2006, S. 30
  37. vgl. Waltraud, et al., 2006, S.30
  38. vgl. Waltraud, et al., 2006, S. 30
  39. vgl. Waltraud, et al., 2006, S. 31
  40. vgl. Waltraud, et al., 2006, S. 31
  41. vgl. Waltraud, et al., 2006, S. 31
  42. vgl. Waltraud, et al., 2006, S. 9
  43. Günther-Arndt/Sauer, 2006, S. 189
  44. vgl. Günther-Arndt/Sauer, 2006, S. 192
  45. vgl. Günther-Arndt/Sauer, 2006, S. 192-193
  46. vgl. Günther-Arndt/Sauer, 2006, S. 193
  47. Borries, 2008, S. 15
  48. vgl. Borries, 2008, S. 15
  49. vgl. Borries, 2008, S. 253
  50. Borries, 2008, S. 253
  51. Borries, 2008, S.15
  52. vgl. Borries, 2008, S.15
  53. vgl. Borries, 2008, S. 1
  54. vgl. Borries, 2008, S.17
  55. vgl. Borries, 2008, S. 20
  56. vgl. Borries, 2008, S.26
  57. vgl. Borries, 2008, S. 2
  58. vgl. Borries, 2008, S. 3
  59. vgl. Borries, 2008, S. 29
  60. . Borries, 2008, S. 29
  61. vgl. Borries, 2008, S. 29
  62. vgl. Bor-ries, 2008, S. 30
  63. vgl. Borries, 2008 S. 30
  64. vgl. Borries, 2008, S. 12
  65. vgl. Borries, 2008, S. 9
  66. vgl. Borries, 2008, S. 39
  67. vgl. Borries, 2008, S. 41
  68. vgl. Borries, 2008, S. 41
  69. vgl. Borries, 2008, S. 155
  70. vgl. Borries, 2008, S. 10
  71. vgl. Borries, 2008, S. 11
  72. vgl. Borries, 2008, S. 4
  73. vgl. Borries, 2008, S. 49
  74. Borries, 2008, S. 245
  75. vgl. Borries, 2008, S. 60
  76. Borries, 2008, S. 73
  77. vgl. Borries, 2008, S. 51
  78. vgl. Borries, 2008, S. 59
  79. Wineburg/Fournier 1994, 305f.
  80. Borries, 2008, S. 60
  81. vgl. Borries, 2008, S. 102-103
  82. vgl. Borries, 2008, S. 104
  83. vgl. Borries, 2008, S. 138
  84. vgl. Borries, 2008, S. 138
  85. vgl. Borries, 2008, S. 139
  86. Borries, 2008, S. 146
  87. vgl. Borries, 2008, S. 263
  88. vgl. Borries, 2008, S. 5
  89. vgl. Borries, 2008, S. 7
  90. vgl. Borries, 2008, S. 8
  91. vgl. Borries, 2008, S. 47
  92. vgl. Borries, 2008, S. 48