Grundlagen handlungsorientierter GU-Unterricht: Unterschied zwischen den Versionen

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== Entwicklungsgeschichte ==
== Entwicklungsgeschichte ==
Der Dualismus zwischen Denken und Handeln in der deutschen Bildungstradition beruht auf der antiken Vorstellung Platons, der dem kognitiven Wissen stets mehr Bedeutung schenkte und praktische Erfahrungen als zweitrangig bezeichnete. Diese Ansichten wurden am Anfang des 19. Jahrhunderts von der sogenannten neuhumanistischen Bewegung aufgegriffen und erweitert. Wilhelm von Humboldt legte folglich den Schwerpunkt auf die Entwicklung der Individualität und der allgemeinen Menschenbildung gegenüber der Berufsausbildung. 1819 kam es schließlich zur Bildungsreform, die eine strikte Trennung von Bildung und Ausbildung bzw. von Theorie und Praxis beinhaltete.
An der Wende zum 20. Jahrhundert entstand eine oppositionelle Bewegung, der es in erster Linie um die Ausbildung von Fertigkeiten und Fähigkeiten im Hinblick auf die spätere berufliche Karriere ging. Die Naturwissenschaften gewannen in diesem Zusammenhang erheblich an Bedeutung. Durch die Einführung eines handlungsorientierten Unterrichts wird heute der Versuch unternommen, beide Traditionen erfolgreich zu kombinieren, was bisher jedoch nur teilweise gelungen ist.
Traditionslinien
Wenn man ins 17. Jahrhundert zurückblickt, findet man die ersten Pädagogen die Grundzüge des handlungsorientierten Unterrichts andachten. Ein ausgesprochen bemerkenswerter Vertreter war Johann Amos Comenius. Er nahm sich zum Ziel, "die Menschen durch wahres Wissen zu Weisheit zu bringen".<ref> Kaiser 1997, 18 </ref>
Wenn man ins 17. Jahrhundert zurückblickt, findet man die ersten Pädagogen die Grundzüge des handlungsorientierten Unterrichts andachten. Ein ausgesprochen bemerkenswerter Vertreter war Johann Amos Comenius. Er nahm sich zum Ziel, "die Menschen durch wahres Wissen zu Weisheit zu bringen".<ref> Kaiser 1997, 18 </ref>


Comenius hatte damals schon eine Stoffvermittlung vor Augen, die alle Sinne ansprechen sollte. Außerdem war er es, der Bilder in den Unterricht einführte. Jean-Jaques Rousseaus Erziehungsroman 'Emile' wurde vom gleichen Grundgedanken geprägt, denn das ganzheitliche Bildungsideal kommt zum Ausdruck und Beispiele des handlungsorientierten Unterrichts sind darin zu finden. Der wohl am häufigsten zitierte Satz kommt jedoch von Johann Heinrich Pestalozzi: „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“.<ref> Meyer/Jank, 346 </ref> Lernen mit Kopf ist selbsterklärend, denn das durch Lernen erworbene Wissen wird im Gehirn, welches sich im Kopf befindet, gespeichert. Lernen mit Herz jedoch, ist schon etwas schwerer zu verstehen. Pestalozzi wollte damit ausdrücken, dass beim Lernen auch die Emotionalität der Schüler angesprochen werden muss um ein ideales Lernergebnis zu erzielen. Wenn Gefühle mit in den Unterricht eingebracht werden, das heißt wenn die Schüler auf der emotionalen Ebene angesprochen werden, wird erfahrungsgemäß ein hoher Behaltenswert sowie Interesse von Seiten der Schüler garantiert. Lernen mit Hand ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des handlungsorientierten Unterrichts, denn wer selbst tut, also mit Hand lernt, der wird vermutlich nicht so schnell vergessen was für ein Handlungsprodukt er hergestellt hat. Handlungsorientierung ist heute vom Unterricht kaum mehr wegzudenken und hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen.<ref> vgl. ebenda </ref>
Comenius hatte damals schon eine Stoffvermittlung vor Augen, die alle Sinne ansprechen sollte. Außerdem war er es, der Bilder in den Unterricht einführte. Jean-Jaques Rousseaus Erziehungsroman 'Emile' wurde vom gleichen Grundgedanken geprägt, denn das ganzheitliche Bildungsideal kommt zum Ausdruck und Beispiele des handlungsorientierten Unterrichts sind darin zu finden. Der wohl am häufigsten zitierte Satz kommt jedoch von Johann Heinrich Pestalozzi: „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“.<ref> Meyer/Jank, 346 </ref> Lernen mit Kopf ist selbsterklärend, denn das durch Lernen erworbene Wissen wird im Gehirn, welches sich im Kopf befindet, gespeichert. Lernen mit Herz jedoch, ist schon etwas schwerer zu verstehen. Pestalozzi wollte damit ausdrücken, dass beim Lernen auch die Emotionalität der Schüler angesprochen werden muss um ein ideales Lernergebnis zu erzielen. Wenn Gefühle mit in den Unterricht eingebracht werden, das heißt wenn die Schüler auf der emotionalen Ebene angesprochen werden, wird erfahrungsgemäß ein hoher Behaltenswert sowie Interesse von Seiten der Schüler garantiert. Lernen mit Hand ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des handlungsorientierten Unterrichts, denn wer selbst tut, also mit Hand lernt, der wird vermutlich nicht so schnell vergessen was für ein Handlungsprodukt er hergestellt hat. Handlungsorientierung ist heute vom Unterricht kaum mehr wegzudenken und hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen.<ref> vgl. ebenda </ref>


2. Die Reformpädagogik
Die Reformpädagogik gilt als ein weiterer wichtiger Vorläufer des handlungsorientierten Unterrichts und kann in Deutschland etwa zwischen 1895-1933 angesetzt werden.
Ihre Vertreter zeichneten sich nicht nur durch eine Schul-, sondern auch durch eine allgemeine Gesellschafts- und Kulturkritik aus. Unter anderem waren sie strikt gegen eine Abgrenzung der Schule von der äußeren Welt, zudem forderten sie die Einführung neuer Lehr- und Lernmethoden und nannten in diesem Zusammenhang auch einige Alternativen zum traditionellen, lehrerorientierten Frontalunterricht. Zwei Vertreter dieser Epoche, die wichtige Impulse für die Idee des modernen, handlungsorientierten Unterrichts gaben, stachen in diesem Zusammenhang besonders heraus. 
Für einen deutlich höheren Stellenwert der praktischen Arbeit in der Schule trat Georg Kerschensteiner (1854-1932) ein, der sich als Gründer der Arbeiterschulbewegung gegen die klassische Buchschule aussprach. Zu seinen wichtigsten Prinzipien zählten Faktoren wie „Selbständigkeit, Zusammenspiel von praktischem Tun und geistigen Leistungen, Lernen an der Sache, Selbstüberprüfung des Erfolges statt fremder Zensuren" <ref> vgl. Gudjons 1999, S.102 </ref> etc. Da er zur Verwirklichung seines Ideals, sowohl  intellektuelle als auch soziale Fähigkeiten zu fördern und weiterzuentwickeln, Werkstätten in den Schulen einrichten ließ, gilt er auch als „Vater der Berufsschule.“ <ref> vgl. Mahler Handlungsorientierter GU 2006, S.23 </ref>
Ein weiterer wichtiger Vertreter war Hugo Gaudig (1860-1923), der sich allerdings in einem Punkt von Kerschensteiner unterschied: Er sprach sich gegen eine vermeintliche Reduktion des Arbeitsschulprinzips auf manuelle Arbeit aus. Sein Hauptziel war es stattdessen, die Schüler zu geistig selbständigen, kritischen Menschen auszubilden.  Die Aufgabe des Lehrers sollte es hierbei sein, Handlungssituationen im Unterricht zu schaffen, die genau zu dieser Selbsttätigkeit anregten.
3. Die materialistische Aneignungstheorie der sowjetischen kulturhistorischen Schule
Die materialistische Aneignungstheorie, die vom sowjetischen Psychologen Wygotski (1896-1934) begründet und von Leontjew (1903-1978) sowie Galperin (geb. 1902) weiterentwickelt wurde, gilt als Grundlage des späteren „handelnden Unterrichts“. Sie befasst sich in erster Linie mit dem Prozess der Bewusstseinsbildung.  Dabei sind drei Elemente dieses Modells von entscheidender Bedeutung: Erkenntnis und Tätigkeit, Aneignung und Lernen sowie die pädagogische Organisation des Aneignungsprozesses. <ref> vgl. Gudjons 2008, Handlungsorientiert lehren und lernen, S.43 </ref>
Eine zentrale Kategorie der Erkenntnistheorie bildet die sog. Widerspiegelung.  Diese meint das „Verhältnis von Abzubildendem (Gegenstände, Erscheinungen, Prozesse in der Welt) und dessen Abbild im menschlichen Bewusstsein (Wahrnehmungen, Empfindungen, Begriffe).“ <ref> vgl. Gudjons 2008, ebd. S.43-44 </ref> Durch die Tätigkeit eines Menschen wird also eine Beziehung zwischen den äußeren Gegenständen und den inneren Erkenntnissen hergestellt, wobei sich die „äußere, materielle Tätigkeit im Laufe der Zeit in Form der Widerspiegelung in innere, psychische Tätigkeit verwandelt.“ <ref> vgl. Bönsch 1999, S.7 </ref> Durch die Wechselwirkung zwischen Erkenntnisobjekt und erkennendem Subjekt bilden sich in der Folge keine statischen Abbilder, sondern der ursprüngliche Inhalt eines Gegenstandes kann sich im Erkenntnisprozess selbst verändern.
Konkret bedeutet das für das Lernen nach Leontjew und Galperin, dass sich der Mensch die reale Welt nur durch Tätigkeit aneignen kann. Tätigkeit ist in diesem Zusammenhang der „Gesamtprozess, in dem der Mensch die objektive Welt (u.a. Technik, Wissenschaft oder Kultur) in subjektive Formen (Vorstellung, Bewusstsein, Sprache) umwandelt.“ <ref> vgl. Mahler Handlungsorientierter GU 2006, S. 25 </ref>
Alle psychischen Tätigkeiten des Menschen sind demnach das Ergebnis seiner handelnden Aneignung der Welt; dabei geht es nicht nur um die Förderung manueller Fähigkeiten durch handwerkliche Tätigkeiten.
Diese Aneignung findet in zwei Schritten statt: Zunächst werden bei der „Interiosierung“ äußere in innere, geistige Handlungen umgewandelt; anschließend bei der „Exteriorisierung“ bereits angeeignete (Denk-)Tätigkeiten in neuen Formen entäußert (z.B. in materieller Produktion oder Sprache).
Diese beiden Prozesse führen folglich dazu, dass das Individuum einerseits durch die Aneignung gesellschaftlicher Verhältnisse geformt wird, andererseits dies aber auch selbst schafft und
dadurch neue  Fähigkeiten entfaltet. <ref> vgl. Rohr 1982, S.97 </ref>
Zur pädagogischen Lenkung dieses Aneignungsprozesses entwickelte Galperin ein Modell,  das aus fünf verschiedenen Niveaustufen besteht:
1) Schaffung einer Orientierungsgrundlage
2) Vollzug einer materiellen, d.h. sinnlich-anschaulichen Handlung
3) Übertragung der Handlung in gesprochene Sprache
4) Entwicklung einer eigenen Sprache für sich (kein Bezug auf das Ausgangsmaterial
    mehr nötig, da die Handlung inzwischen vollständig verinnerlicht wurde)
5) Vollzug der Kontrollhandlung
Der große Unterschied dieses Modells zu den Reformpädagogen und Vertretern des Konzeptes des handlungsorientierten Unterrichts ist, dass am Ende kein gemeinsam erstelltes, konkretes Handlungsprodukt steht, sondern der Lernprozess dann erfolgreich abgeschlossen ist, wenn der Schüler selbständig und bewusst die verinnerlichte Tätigkeit ausführen kann.
4. Deweys Methode der denkenden Erfahrung
Als wichtigster Vordenker des Modells des handlungsorientierten Geschichtsunterrichts gilt der Philosoph und Pädagoge John Dewey (1859-1952).
In seinem Buch „Wie wir denken“ (1910) entwickelte er eine neue Theorie, die davon ausgeht, dass das Denken beim Menschen immer durch einen konkreten Anlass ausgelöst wird und darauf abzielt, einen Zustand der Beunruhigung zu überwinden. Zudem betont er den „Akt des Forschens und Suchens als weiteres Element des Denkprozesses.“ <ref> vgl. Dewey (1910), 2002, S.12 </ref> Die Schüler werden hierbei als „Forscher“ betrachtet, „die eine wissenschaftliche Haltung einzunehmen lernen und am Ende des Lernprozesses das Ergebnis ihrer Arbeit selbst überprüfen.“ <ref> vgl. Mahler, Handlungsorientierter GU 2006, S. 28 </ref> Auch der soziale Aspekt dieses Problemlösungsprozesses wird betont, da nur durch ein hohes Maß an Kooperation und Zusammenarbeit mit Mitschülern ein erfolgreiches Ergebnis aus diesem entstehen kann.
Deweys Schüler William Heard Kilpatrick entwickelte diese Projektmethode zwischenzeitlich weiter und bezog sie - über ihre Funktion als Unterrichtsmethode hinausgehend-  stark auf die allgemeine Kindererziehung. Dementsprechend bezeichnete er sie  - im Gegensatz zu Dewey-  als eine „Philosophie der Erziehung“, die das „herzhafte absichtsvolle Tun“ <ref> vgl. Knoll, Dewey, Kilpatrick und „progressive“ Erziehung, S. 145-192 </ref> zu ihrer Grundlage machte.  Allerdings ist hierbei erwähnenswert, dass Kilpatrick im weiteren Verlauf von seinem stark kinderorientierten Ansatz abrückte und einräumte, dass er „einen Fehler gemacht“ <ref> vgl. Knoll (2010), Pädagogische Rundschau 64, S. 45-60 </ref> habe.
Grundsätzlich spricht sich Dewey deutlich gegen die vom Dualismus zwischen Denken und Handeln geprägte, klassische Ausrichtung der Schule aus. Die zu starke Theorieorientierung führe dazu, dass die Schüler zum „unbeteiligten Schüler“ degradiert würden, die damit beschäftigt seien „Wissen aufzunehmen, nicht aber fruchtbar zu handeln.“ <ref> vgl. Gudjons, Didaktik zum Anfassen 1997, S.133 </ref>  Zudem sieht er die fehlende praktische Tätigkeit als Hauptursache für Fehlverhalten und unerwünschte Nebentätigkeiten, da auf diese Weise die reichlich vorhandene Energie unterdrückt werde. Dies verdeutlicht er in seinem 1916 veröffentlichten Buch „Demokratie und Erziehung“, in dem er für die Methode der sogenannten  „denkenden Erfahrung“ plädiert:
„Der vernachlässigte Körper, für dessen Betätigung keine geordneten und fruchtbringenden Möglichkeiten geschaffen werden, bricht in sinnloses Ungestüm aus, [...]“
Das Handeln beschreibt er als „aktives Tun, bei dem auf Gegenstände/Personen eingewirkt und Veränderungen herbeigeführt werden“ <ref> vgl. Mahler, Handlungsorientierter GU 2006, S. 30 </ref>; anschließend folgt eine selbständige Auswertung hinsichtlich der Qualität dieses Tuns. Der Handlungsprozess ist also einerseits begründet durch eine zielgerichtete Handlung und andererseits durch die reflexive Analyse der Beziehungen zwischen Handlungen und Handlungsfolgen.
Des Weiteren betont er, dass Erfahrungen stets kontinuierlich seien, da diese zum Einen auf vorausgehenden Erfahrungen beruhen und zum Anderen die nachfolgenden beeinflussen.
Zudem stünden sie in Wechselwirkung zwischen Individuum und Umwelt, da sie immer auf 
ein Gegenüber bezogen seien und sich somit nicht innerhalb eines Subjektes vollziehen könnten.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Dewey davon ausgeht, dass die dualistischen Vorstellungen, die einen Gegensatz zwischen Körper und Geist annehmen, durch die wechselseitige Beziehung des Denkens, Handelns und Erfahrens aufeinander überwunden werden können.
Zur Übertragung seines Konzeptes der „denkenden Erfahrung“ auf den Schulunterricht entwickelte Dewey in einem weiteren Schritt das Modell der „bildenden Erfahrung.“ <ref> vgl. Wöll, 1998, S.58 </ref> Dieses ist charakterisiert durch fünf Hauptpunkte:
1) Der Schüler muss eine für den Erwerb geeignete Sachlage vor sich haben
2) Diese Sachlage muss aus Sicht d. Schülers ein echtes Problem aufweisen
3) Der Schüler muss ein hinreichendes Wissen besitzen u. die notwendigen Beobachtungen anstellen, 
    um das Problem zu behandeln
4) Der Schüler muss mögliche Lösungen des Problems entwickeln
5) Er muss die Möglichkeit haben, seine Gedanken durch praktische Anwendung zu erproben und 
    ihre Bedeutung zu klären.
Des Weiteren wird dem persönlichen Interesse der Schüler, welches durch die Anknüpfung auf deren Vorerfahrungen geweckt wird, sehr viel Bedeutung beigemessen. Um wirklich erfahrungsorientierte Lernprozesse zu gewährleisten, müssen die Schüler zudem an der Konstituierung der Handlungsaufgaben beteiligt sein und sie anschließend selbständig lösen. Hierbei sind 2 Merkmale entscheidend:
- Die Auswahl von Aufgaben, die für die Schüler ein reales Problem enthalten und
- ein „fassbares Ergebnis“ am Ende des Lernprozesses.
Während der selbsttätigen Auseinandersetzung mit einem Problem stellen die Schüler zwangsläufig Fragen zu Thema und Unterrichtsfach und erhalten so die Motivation, diesen intensiv nachzugehen. In einem derartigen Unterricht verlässt der Lehrer seine traditionelle Rolle als alleiniger Leiter des Unterrichts und nimmt stattdessen die Rolle des unterstützenden Begleiters ein.


== Merkmale ==
== Merkmale ==

Version vom 12. Juli 2013, 12:32 Uhr

Julia Müller

Definition

"Mit dem Begriff Handlungsorientierter Unterricht wird ein Unterrichtskonzept bezeichnet, das den Schülern einen handelnden Umgang mit den Lerngegenständen und- Inhalten des Unterrichts ermöglichen soll. Die materiellen Tätigkeiten der Schüler bilden dabei den Ausgangspunkt des Lernprozesses."[1] Bei Anbetracht dieser Definition kann man deutlich erkennen, welches die nennenswertesten Akzente des handlungsorientierten Unterrichts sind. Es ist hier von einem Konzept und nicht von einer Didaktik die Rede. Der entscheidende Punkt ist die Wiederzusammenführung von Schule und Leben, sowie die Verbindung zwischen dem handelnden Umgang mit den Lerngegenständen und den materiellen Tätigkeiten der Schüler, denn wie John Dewey schon sagte: "Ein Gramm Erfahrung ist besser als eine Tonne Theorie."[2] Vermutlich wissen viele Schüler, häufig sogar bis zum Ende ihrer Schullaufbahn, nicht wofür sie eigentlich lernen. Aufgrund dessen ist es wichtig, dass sich der Unterricht an den Interessen der Schüler und somit am Hier und Jetzt des schulischen und außerschulischen Lebens orientiert und den Lernenden mehr Verantwortung übergibt. Das Produkt der Handlung, das am Ende eines jeden Unterrichts steht, charakterisiert diesen Prozess wesentlich. Hierzu liefert Hilbert Meyer eine Definition: "Handlungsorientierter Unterricht ist ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Organisation des Unterrichtsprozesses leiten, so dass Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden."[3] Das Wort Handlungsprodukte, könnte bei Unwissenden einen falschen Eindruck hervorrufen: es sind hier keine reinen Spiel- oder Bastelarbeiten gemeint. In Hilbert Meyer’s Definition wird die Rolle der Lehrperson, im Vergleich zur Definition der Enzyklopädie Erziehungswissenschaften stark akzentuiert. Schüler und Lehrer sollen ein gemeinsames Handlungsprodukt vereinbaren, das die Rollen gleichwertiger werden lässt.


Entwicklungsgeschichte

Der Dualismus zwischen Denken und Handeln in der deutschen Bildungstradition beruht auf der antiken Vorstellung Platons, der dem kognitiven Wissen stets mehr Bedeutung schenkte und praktische Erfahrungen als zweitrangig bezeichnete. Diese Ansichten wurden am Anfang des 19. Jahrhunderts von der sogenannten neuhumanistischen Bewegung aufgegriffen und erweitert. Wilhelm von Humboldt legte folglich den Schwerpunkt auf die Entwicklung der Individualität und der allgemeinen Menschenbildung gegenüber der Berufsausbildung. 1819 kam es schließlich zur Bildungsreform, die eine strikte Trennung von Bildung und Ausbildung bzw. von Theorie und Praxis beinhaltete. An der Wende zum 20. Jahrhundert entstand eine oppositionelle Bewegung, der es in erster Linie um die Ausbildung von Fertigkeiten und Fähigkeiten im Hinblick auf die spätere berufliche Karriere ging. Die Naturwissenschaften gewannen in diesem Zusammenhang erheblich an Bedeutung. Durch die Einführung eines handlungsorientierten Unterrichts wird heute der Versuch unternommen, beide Traditionen erfolgreich zu kombinieren, was bisher jedoch nur teilweise gelungen ist.

Traditionslinien

Wenn man ins 17. Jahrhundert zurückblickt, findet man die ersten Pädagogen die Grundzüge des handlungsorientierten Unterrichts andachten. Ein ausgesprochen bemerkenswerter Vertreter war Johann Amos Comenius. Er nahm sich zum Ziel, "die Menschen durch wahres Wissen zu Weisheit zu bringen".[4]

Comenius hatte damals schon eine Stoffvermittlung vor Augen, die alle Sinne ansprechen sollte. Außerdem war er es, der Bilder in den Unterricht einführte. Jean-Jaques Rousseaus Erziehungsroman 'Emile' wurde vom gleichen Grundgedanken geprägt, denn das ganzheitliche Bildungsideal kommt zum Ausdruck und Beispiele des handlungsorientierten Unterrichts sind darin zu finden. Der wohl am häufigsten zitierte Satz kommt jedoch von Johann Heinrich Pestalozzi: „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“.[5] Lernen mit Kopf ist selbsterklärend, denn das durch Lernen erworbene Wissen wird im Gehirn, welches sich im Kopf befindet, gespeichert. Lernen mit Herz jedoch, ist schon etwas schwerer zu verstehen. Pestalozzi wollte damit ausdrücken, dass beim Lernen auch die Emotionalität der Schüler angesprochen werden muss um ein ideales Lernergebnis zu erzielen. Wenn Gefühle mit in den Unterricht eingebracht werden, das heißt wenn die Schüler auf der emotionalen Ebene angesprochen werden, wird erfahrungsgemäß ein hoher Behaltenswert sowie Interesse von Seiten der Schüler garantiert. Lernen mit Hand ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des handlungsorientierten Unterrichts, denn wer selbst tut, also mit Hand lernt, der wird vermutlich nicht so schnell vergessen was für ein Handlungsprodukt er hergestellt hat. Handlungsorientierung ist heute vom Unterricht kaum mehr wegzudenken und hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen.[6]

2. Die Reformpädagogik Die Reformpädagogik gilt als ein weiterer wichtiger Vorläufer des handlungsorientierten Unterrichts und kann in Deutschland etwa zwischen 1895-1933 angesetzt werden. Ihre Vertreter zeichneten sich nicht nur durch eine Schul-, sondern auch durch eine allgemeine Gesellschafts- und Kulturkritik aus. Unter anderem waren sie strikt gegen eine Abgrenzung der Schule von der äußeren Welt, zudem forderten sie die Einführung neuer Lehr- und Lernmethoden und nannten in diesem Zusammenhang auch einige Alternativen zum traditionellen, lehrerorientierten Frontalunterricht. Zwei Vertreter dieser Epoche, die wichtige Impulse für die Idee des modernen, handlungsorientierten Unterrichts gaben, stachen in diesem Zusammenhang besonders heraus.

Für einen deutlich höheren Stellenwert der praktischen Arbeit in der Schule trat Georg Kerschensteiner (1854-1932) ein, der sich als Gründer der Arbeiterschulbewegung gegen die klassische Buchschule aussprach. Zu seinen wichtigsten Prinzipien zählten Faktoren wie „Selbständigkeit, Zusammenspiel von praktischem Tun und geistigen Leistungen, Lernen an der Sache, Selbstüberprüfung des Erfolges statt fremder Zensuren" [7] etc. Da er zur Verwirklichung seines Ideals, sowohl intellektuelle als auch soziale Fähigkeiten zu fördern und weiterzuentwickeln, Werkstätten in den Schulen einrichten ließ, gilt er auch als „Vater der Berufsschule.“ [8]


Ein weiterer wichtiger Vertreter war Hugo Gaudig (1860-1923), der sich allerdings in einem Punkt von Kerschensteiner unterschied: Er sprach sich gegen eine vermeintliche Reduktion des Arbeitsschulprinzips auf manuelle Arbeit aus. Sein Hauptziel war es stattdessen, die Schüler zu geistig selbständigen, kritischen Menschen auszubilden. Die Aufgabe des Lehrers sollte es hierbei sein, Handlungssituationen im Unterricht zu schaffen, die genau zu dieser Selbsttätigkeit anregten.

3. Die materialistische Aneignungstheorie der sowjetischen kulturhistorischen Schule

Die materialistische Aneignungstheorie, die vom sowjetischen Psychologen Wygotski (1896-1934) begründet und von Leontjew (1903-1978) sowie Galperin (geb. 1902) weiterentwickelt wurde, gilt als Grundlage des späteren „handelnden Unterrichts“. Sie befasst sich in erster Linie mit dem Prozess der Bewusstseinsbildung. Dabei sind drei Elemente dieses Modells von entscheidender Bedeutung: Erkenntnis und Tätigkeit, Aneignung und Lernen sowie die pädagogische Organisation des Aneignungsprozesses. [9]


Eine zentrale Kategorie der Erkenntnistheorie bildet die sog. Widerspiegelung. Diese meint das „Verhältnis von Abzubildendem (Gegenstände, Erscheinungen, Prozesse in der Welt) und dessen Abbild im menschlichen Bewusstsein (Wahrnehmungen, Empfindungen, Begriffe).“ [10] Durch die Tätigkeit eines Menschen wird also eine Beziehung zwischen den äußeren Gegenständen und den inneren Erkenntnissen hergestellt, wobei sich die „äußere, materielle Tätigkeit im Laufe der Zeit in Form der Widerspiegelung in innere, psychische Tätigkeit verwandelt.“ [11] Durch die Wechselwirkung zwischen Erkenntnisobjekt und erkennendem Subjekt bilden sich in der Folge keine statischen Abbilder, sondern der ursprüngliche Inhalt eines Gegenstandes kann sich im Erkenntnisprozess selbst verändern. Konkret bedeutet das für das Lernen nach Leontjew und Galperin, dass sich der Mensch die reale Welt nur durch Tätigkeit aneignen kann. Tätigkeit ist in diesem Zusammenhang der „Gesamtprozess, in dem der Mensch die objektive Welt (u.a. Technik, Wissenschaft oder Kultur) in subjektive Formen (Vorstellung, Bewusstsein, Sprache) umwandelt.“ [12] Alle psychischen Tätigkeiten des Menschen sind demnach das Ergebnis seiner handelnden Aneignung der Welt; dabei geht es nicht nur um die Förderung manueller Fähigkeiten durch handwerkliche Tätigkeiten.

Diese Aneignung findet in zwei Schritten statt: Zunächst werden bei der „Interiosierung“ äußere in innere, geistige Handlungen umgewandelt; anschließend bei der „Exteriorisierung“ bereits angeeignete (Denk-)Tätigkeiten in neuen Formen entäußert (z.B. in materieller Produktion oder Sprache). Diese beiden Prozesse führen folglich dazu, dass das Individuum einerseits durch die Aneignung gesellschaftlicher Verhältnisse geformt wird, andererseits dies aber auch selbst schafft und dadurch neue Fähigkeiten entfaltet. [13] Zur pädagogischen Lenkung dieses Aneignungsprozesses entwickelte Galperin ein Modell, das aus fünf verschiedenen Niveaustufen besteht:

1) Schaffung einer Orientierungsgrundlage 2) Vollzug einer materiellen, d.h. sinnlich-anschaulichen Handlung 3) Übertragung der Handlung in gesprochene Sprache 4) Entwicklung einer eigenen Sprache für sich (kein Bezug auf das Ausgangsmaterial

    mehr nötig, da die Handlung inzwischen vollständig verinnerlicht wurde)

5) Vollzug der Kontrollhandlung

Der große Unterschied dieses Modells zu den Reformpädagogen und Vertretern des Konzeptes des handlungsorientierten Unterrichts ist, dass am Ende kein gemeinsam erstelltes, konkretes Handlungsprodukt steht, sondern der Lernprozess dann erfolgreich abgeschlossen ist, wenn der Schüler selbständig und bewusst die verinnerlichte Tätigkeit ausführen kann.

4. Deweys Methode der denkenden Erfahrung Als wichtigster Vordenker des Modells des handlungsorientierten Geschichtsunterrichts gilt der Philosoph und Pädagoge John Dewey (1859-1952). In seinem Buch „Wie wir denken“ (1910) entwickelte er eine neue Theorie, die davon ausgeht, dass das Denken beim Menschen immer durch einen konkreten Anlass ausgelöst wird und darauf abzielt, einen Zustand der Beunruhigung zu überwinden. Zudem betont er den „Akt des Forschens und Suchens als weiteres Element des Denkprozesses.“ [14] Die Schüler werden hierbei als „Forscher“ betrachtet, „die eine wissenschaftliche Haltung einzunehmen lernen und am Ende des Lernprozesses das Ergebnis ihrer Arbeit selbst überprüfen.“ [15] Auch der soziale Aspekt dieses Problemlösungsprozesses wird betont, da nur durch ein hohes Maß an Kooperation und Zusammenarbeit mit Mitschülern ein erfolgreiches Ergebnis aus diesem entstehen kann. Deweys Schüler William Heard Kilpatrick entwickelte diese Projektmethode zwischenzeitlich weiter und bezog sie - über ihre Funktion als Unterrichtsmethode hinausgehend- stark auf die allgemeine Kindererziehung. Dementsprechend bezeichnete er sie - im Gegensatz zu Dewey- als eine „Philosophie der Erziehung“, die das „herzhafte absichtsvolle Tun“ [16] zu ihrer Grundlage machte. Allerdings ist hierbei erwähnenswert, dass Kilpatrick im weiteren Verlauf von seinem stark kinderorientierten Ansatz abrückte und einräumte, dass er „einen Fehler gemacht“ [17] habe. Grundsätzlich spricht sich Dewey deutlich gegen die vom Dualismus zwischen Denken und Handeln geprägte, klassische Ausrichtung der Schule aus. Die zu starke Theorieorientierung führe dazu, dass die Schüler zum „unbeteiligten Schüler“ degradiert würden, die damit beschäftigt seien „Wissen aufzunehmen, nicht aber fruchtbar zu handeln.“ [18] Zudem sieht er die fehlende praktische Tätigkeit als Hauptursache für Fehlverhalten und unerwünschte Nebentätigkeiten, da auf diese Weise die reichlich vorhandene Energie unterdrückt werde. Dies verdeutlicht er in seinem 1916 veröffentlichten Buch „Demokratie und Erziehung“, in dem er für die Methode der sogenannten „denkenden Erfahrung“ plädiert:

„Der vernachlässigte Körper, für dessen Betätigung keine geordneten und fruchtbringenden Möglichkeiten geschaffen werden, bricht in sinnloses Ungestüm aus, [...]“

Das Handeln beschreibt er als „aktives Tun, bei dem auf Gegenstände/Personen eingewirkt und Veränderungen herbeigeführt werden“ [19]; anschließend folgt eine selbständige Auswertung hinsichtlich der Qualität dieses Tuns. Der Handlungsprozess ist also einerseits begründet durch eine zielgerichtete Handlung und andererseits durch die reflexive Analyse der Beziehungen zwischen Handlungen und Handlungsfolgen. Des Weiteren betont er, dass Erfahrungen stets kontinuierlich seien, da diese zum Einen auf vorausgehenden Erfahrungen beruhen und zum Anderen die nachfolgenden beeinflussen. Zudem stünden sie in Wechselwirkung zwischen Individuum und Umwelt, da sie immer auf ein Gegenüber bezogen seien und sich somit nicht innerhalb eines Subjektes vollziehen könnten.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Dewey davon ausgeht, dass die dualistischen Vorstellungen, die einen Gegensatz zwischen Körper und Geist annehmen, durch die wechselseitige Beziehung des Denkens, Handelns und Erfahrens aufeinander überwunden werden können.

Zur Übertragung seines Konzeptes der „denkenden Erfahrung“ auf den Schulunterricht entwickelte Dewey in einem weiteren Schritt das Modell der „bildenden Erfahrung.“ [20] Dieses ist charakterisiert durch fünf Hauptpunkte:

1) Der Schüler muss eine für den Erwerb geeignete Sachlage vor sich haben 2) Diese Sachlage muss aus Sicht d. Schülers ein echtes Problem aufweisen 3) Der Schüler muss ein hinreichendes Wissen besitzen u. die notwendigen Beobachtungen anstellen,

    um das Problem zu behandeln

4) Der Schüler muss mögliche Lösungen des Problems entwickeln 5) Er muss die Möglichkeit haben, seine Gedanken durch praktische Anwendung zu erproben und

   ihre Bedeutung zu klären.

Des Weiteren wird dem persönlichen Interesse der Schüler, welches durch die Anknüpfung auf deren Vorerfahrungen geweckt wird, sehr viel Bedeutung beigemessen. Um wirklich erfahrungsorientierte Lernprozesse zu gewährleisten, müssen die Schüler zudem an der Konstituierung der Handlungsaufgaben beteiligt sein und sie anschließend selbständig lösen. Hierbei sind 2 Merkmale entscheidend: - Die Auswahl von Aufgaben, die für die Schüler ein reales Problem enthalten und - ein „fassbares Ergebnis“ am Ende des Lernprozesses.

Während der selbsttätigen Auseinandersetzung mit einem Problem stellen die Schüler zwangsläufig Fragen zu Thema und Unterrichtsfach und erhalten so die Motivation, diesen intensiv nachzugehen. In einem derartigen Unterricht verlässt der Lehrer seine traditionelle Rolle als alleiniger Leiter des Unterrichts und nimmt stattdessen die Rolle des unterstützenden Begleiters ein.

Merkmale

Ein wichtiges Merkmal des handlungsorientierten Unterrichts ist die Ganzheitlichkeit auf drei verschiedenen Ebenen, nämlich der personalen (Schüler sollen mit allen Sinnen, nicht nur über kognitive Strukturen, angesprochen werden), der inhaltlichen (Unterrichtsinhalte aufgrund von Problemen und Fragestellungen auswählen) und der methodischen (Unterrichtsmethoden müssen ganzheitlich sein zum Beispiel Rollenspiele, Gruppenarbeit, Partnerarbeit, Experimente, Erkundungen und so weiter). Außerdem ist handlungsorientierter Unterricht durch Erfahrungsbezug und Selbstorganisation im Lernprozess gekennzeichnet, er ist demnach sehr schüleraktiv. Im Mittelpunkt stehen die durch ihn geschaffenen Handlungsprodukte, also veröffentlichungsfähige materielle und geistige Ergebnisse der Unterrichtsarbeit. Es werden Freiräume und subjektive Schülerinteressen geschaffen. Desweiteren, darf der Unterricht nicht weltfremd sein, sondern muss sich am wirklichen Leben orientieren. Es ist wichtig, dass Schüler die Möglichkeit haben sich durch den handelnden Umgang mit Themen ihrer Interessen bewusster zu werden. Kopf- und Handarbeit muss bei den Schülern in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden, demnach ist es nicht möglich nur Theorie zu vermitteln, reine Praxis ist jedoch auch nicht förderlich. Handlungsorientierter Unterricht erfordert einen offenen Diskurs, denn der Lehrer darf sich nicht auf den Vorgaben des Bildungsplanes ausruhen. Die Schule wird zur Lernwelt geöffnet. Es verbindet sich hier die Hoffnung, den Schulalltag lebenswirklicher und praxisnäher zu gestalten um Motivation zu schaffen. Der handlungsorientierte Unterricht sollte eine Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit schaffen, sowohl auf der Subjektebene (die eigenen Erfahrungen in der Gegenwart), als auch auf der Objektebene (die Erfahrung anderer in der Vergangenheit). Diese werden dann, durch die Rekonstruktion persönlicher Erfahrungen und Deutungen der Vergangenheit, verknüpft.[21]


Begründung der Notwendigkeit

Die Notwendigkeit der Handlungsorientierung im Geschichtsunterricht, lässt sich aufgrund drei Unterschiedlicher Bereiche begründen.

Die allgemeinpädagogische Begründung: Der Unterricht sollte durch den Einsatz verschiedener Sinne charakterisiert sein. Durch die Handlungsorientierung sollen sich Denkstrukturen entwickeln, indem die Zweigleisigkeit von Denken und Handeln aufgelöst und eine Überlappung beider Formen zum Einsatz gebracht wird.

Die Lernpsychologische Begründung: Laut einer Studie von 1985 behält man vorrangig das was man selbst tun oder formulieren kann. Wenn jedoch mehrere Bezugssysteme gleichzeitig angesprochen werden, kann dabei ein größerer Teil im Gedächtnis gespeichert werden, als wenn nur ein Sinn betätigt wird. Ein Beispiel ist die Sprache, die es durchaus möglich macht Bilder zu entwickeln. Diese Bilder können daraufhin wieder neue Gedanken aufbringen. Sprache und Bilder stimmen sich aufeinander ab. Somit kann besser über aufgenommene Informationen verfügt werden. Es muss darauf geachtet werden, dass die Schüler nicht überlastet werden, denn das ansprechen von mehreren Sinnen gleichzeitig, kann auch zu negativen Lernerfolgen führen. Handlungsorientierter Unterricht ermöglicht den Lernenden an bestimmten Punkten anzuknüpfen und somit können persönliche Strategien und Erfahrungen des Lernens erweitert werden.

Die Kognitionspsychologische Begründung: Entscheidend sind der Erfahrungs- und Lebensweltbezug, die Kontexte und Perspektiven und das Lernen im sozialen Kontext. Diese drei Strukturprinzipien sollten erfüllt sein um erfolgreich handlungsorientiert zu arbeiten.[22]

Umsetzung im Unterricht

Um Handlungsorientierung im Unterricht anzuwenden und umzusetzen, muss eine methodische Planungsüberlegung auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen. Welche Art von Aktivität soll eingesetzt werden? reales Handeln: Interview, Erkundung, Expertenbefragung, Ausstellung simulatives Handeln: Rollenspiel, Planspiel, Streitgespräch, Debatte, Talkshow produktives Gestalten: Lernspiel, Theater, Plakate Wie viel Zeit muss für diese Aktivität eingeplant werden? Wird ein Erkenntnisgewinn im Sinne der Zielsetzung gewährleistet? Die Qualität der Stunde bemisst sich nicht aus der Aktivität der Lernenden, sondern in Lernzuwachs, der durch diese Aktivität initiiert werden konnte. Wie kann die Aktivität in den Unterricht eingebunden werden, damit die Sinnhaftigkeit des Vorhabens für die Schüler transparent werden kann? Es soll eine Fragehaltung geweckt, eine Problematisierung erreicht und eine Lösung gefunden werden. Welche Reflexionsmöglichkeiten bietet die Aktivität und wie können diese in den Unterricht eingebracht werden? Steht der Aufwand in einem ausgewogenen Verhältnis zu der Erkenntnisgewinnung? Es sollte sich immer gut überlegt sein, was eigentlich Ziel der Stunde ist. Wenn beispielsweise beim Thema Ritterzeit eine eigene Rüstung gebaut wird, ist das ausgewogene Verhältnis nicht mehr gewährleistet. Man könnte hier gegebenenfalls eine Ritterrüstung ausleihen und mitbringen, einen kurzen Film zeigen oder einfach ein Bild auf den OHP auflegen. [23]


Praxisbeispiele

Handlungsorientierter Umgang mit Bildern: Bilder sind ein sehr beliebtes und erfolgsversprechendes Medium im Geschichtsunterricht. Sie visualisieren Situationen und die Vorstellungskräfte der Schüler können somit besonders schnell aktiviert werden. Wenn Lehrer Bilder handlungsorientiert einsetzen, kann eine neue Fragehaltung geweckt, oder der differenzierte Blick geschult werden. Durch Bilder ist es außerdem einfacher, Themenfelder zu veranschaulichen. Es gibt eine Variabilität an Möglichkeiten Bilder im Geschichtsunterricht handlungsorientiert einzusetzen und eine davon ist, sie zum sprechen zu bringen. Menschen, die in unterschiedlichen Lebenssituationen auf Bildern dargestellt sind, können durch verschiedene Interventionen zum Sprechen gebracht werden. Man kann beispielsweise mit dem Bild von Johann Bahr "Unfall in einer Maschinenfabrik" vom Jahre 1889 arbeiten. Es ist im Buch 'Geschichte und Gegenwart 2 von 2000 (S.309). Paderborn', zu finden. Aus ihm lassen sich Leitfragen entwickeln, die sich dann wie ein roter Faden durch den Unterricht ziehen und somit den Unterrichtsverlauf beeinflussen. Es sind unterschiedliche Aspekte dabei aufzugreifen. Passende Fragen sind bei diesem Bild über den Arbeitstag, die Arbeiter, die Arbeitsbedingungen, den Unfall und über den Verletzten zu stellen. Die Schüler sollen herausfinden, wie der Arbeitstag in einer Maschinenfabrik aussah und wer dort arbeitete. Die Arbeitsbedingungen können auf dem Bild gut erkannt werden und somit soll es den Schülern zur Aufgabe gemacht werden, diese zu beschreiben. Es ist zu untersuchen wie es zu diesem Unfall kommen konnte und des Weiteren können die Schüler durch Recherchen herausfinden ob es dort eine ärztliche Versorgung gab. Die Lernenden sollen sich in die damalige Zeit hineinzuversetzen und beurteilen was der Unfall für die Familie des Verletzten, sowie für seine Arbeitskollegen bedeutete. In arbeitsteiligen Gruppen, kann das Ziel, die Menschen auf dem Bild wieder ‚lebendig‘ werden zu lassen und sie zum sprechen zu bringen, erreicht werden. Das Bild wird vom Lehrer größer kopiert. Es ist die Aufgabe der Klasse, für die Präsentation der Ergebnisse, aussagekräftige Sprechblasen für die unterschiedlichen Gruppen, die auf dem Bild zu erkennen sind, zu entwickeln und diese Sprechblasen in einem kurzen Vortrag zu begründen. Um das Bild herum werden Sprechblasen hinzugefügt und mit passenden Aussagen gefüllt. Da nach jeder Erarbeitungsphase auch eine Reflexion folgen sollte, bietet sich hier an, die Quellen und Materialien zu nennen, die die Aussagen der Sprechblasen begründen. Die Begründung der Frage, was der Unfall für die einzelnen beteiligten bedeutete lässt deutlich werden ob die Schüler fähig sind dies zu erklären und somit wird das Verständnis überprüft. Bei der Überlegung der Unterschiede und Andersartigkeit von damals zu heute wird die Alterität Wahrgenommen und das erarbeitete reflektiert. [24]

Gitterrätsel: Die Abbildung zeigt ein Gitterrätsel zum Thema Mauerbau, wie es im Geschichtsunterricht eingesetzt werden könnte. Es kann vom Lehrer aber auch von den Schülern selbst erstellt werden. Das Wort ‚Rätsel’ an sich, löst in der Regel schon Motivation und Freude aus.

BILD GITTERRÄTZEL EINFÜGEN Ein solches Gitterrätsel gibt viel mehr her, als es im ersten Augenblick scheint. Man kann hervorragend, zu den verschiedensten Themen handlungsorientiert damit arbeiten. Die Methode kann zum Beispiel als Wiederholung des Themas ‚Mauerbau‘ eingesetzt werden, wobei es mehrere Arbeitsvarianten gibt. Schüler können selbst ein Gitterrätsel für ihre Mitschüler erstellen und somit ihr eigenes Wissen über das Thema prüfen, indem sie sich zuerst selbst über die Bedeutung und Hintergründe der eigenen Wörter bewusst werden. Der Lehrer teilt einen leeren Gittervordruck aus:

Für Schüler sollte mindestens ein DIN A4 Blatt verwendet werden.

Jeder Schüler bekommt ein von einem Mitschüler erstelltes Rätsel. Die Aufgabe ist nun, die Wörter zu finden und jedes Wort zu erklären. Bei diesem Vorgang, wird das gesamte Thema von den Schülern reflektiert. Jeder kann seinen eigenen Wissensstand prüfen. Eine andere Möglichkeit, ist ein vom Lehrer erstelltes Gitterrätsel auszuteilen. Diese Variante hat den Vorteil, dass ganz gezielt auf wichtige Begriffe eingegangen werden kann, mit denen die Klasse noch Schwierigkeiten hat. Das Rätsel könnte auch in Kleingruppen gelöst werden. Ein Gruppenwettbewerb motiviert zusätzlich.

Dies sind nur zwei von vielen Möglichkeiten, handlungsorientiert im Geschichtsunterricht zu arbeiten. Eine Ideensammlung um auch mit anderen Medien zu arbeiten wird im Folgenden aufgeführt:


weitere Umsetzungsbeispiele

Integration außerschulischer Lernorte

• Erkundung durchführen (frühere Funktion von Gebäuden, welche Menschen lebten dort?)

• Recherche im Archiv

• Spurensuche im Museum, in einer Ausstellung oder an einer Gedenkstätte

• Rekonstruktion am historischen Ort (Wie mag sich die Situation hier „damals“ dargestellt haben?)

Umgang mit Bildern

• Malbuchbilder einsetzen (Szenen in einen größeren Zusammenhang bringen lassen)

• Bilder verfremden (Deutungselemente werden eingearbeitet)

• Bilder rekonstruieren (Bildelemente wegnehmen und ergänzen lassen)

• Fehlerbilder entwickeln (Schüler malen für ihre Mitschüler/innen Bilder zum erarbeiteten Inhalt, in die sie Fehler einarbeiten)

• Fotoroman oder Comic erstellen (Verläufe mit Motiven und Absichten der Menschen darstellen)

• Wahlplakate kreieren

• Fotomontage

• Gegenentwurf erstellen (z.B. zu einem Denkmal)

Umgang mit Sprache

• Quellen in die heutige Sprache „übersetzen“

• Schnippeltexte (zwei unterschiedliche Inhalte werden zu einem Text verarbeitet)

• Textpuzzle

• Gegentexte oder Fehlertexte erstellen

• Debatten oder Streitgespräche führen(unterschiedliche Positionen werden vertreten)

• Hearing veranstalten (Unterschiedliche Meinungen werden vorgetragen)

• Podiumsdiskussion entwickeln (Expertenrunde)

• Interview durchführen (auch mit historischen Personen auf der Basis von Quellen, Texten, Bildern)

• Briefe schreiben (den Menschen, mit deren Geschichte man sich beschäftigt hat, werden Briefe geschrieben, in denen man ihnen die eigene Meinung mitteilt, Ratschläge gibt, Verständnis zeigt, etc.)


Basteln

• Anziehpuppen (Kleiderordnung hinterfragen)

• Stehpuppen selber machen (und damit „Geschichte spielen“)

• Puzzle

• Modellbau

• Modell zum Erklären und zum Ausstellen bauen (Holz oder Styropor)

• Diorama (dreidimensionales Modell, z.B. ein ägyptisches Grab mit seinen Wandmalereien und Grabbeigaben „Gräber erzählen Geschichten“)

Spiele

• Rollenspiele/ Simulationsspiele

• Planspiele/ Entscheidungsspiele

• Memory (zur Wiederholung und Einprägung wesentlicher Sachverhalte, Zahlen, Begriffe)

• Ereignisspiele entwickeln

• Scrabble (wesentliche Begriffe der Einheit wiederholen)

Rätsel

• Leute erraten (Meine Position ist…)

• Berufe erraten

• Tabu (Begriffsumschreibungen)

• Ich sehe was, was du nicht siehst… (Bildbetrachtung)

• Gesucht wird… (Steckbrief erstellen)

• Kreuzworträtsel

Musik

• Tänze nachtanzen (und daraus etwas über den Umgang mit einander erfahren)

• Lieder singen, eigene Strophen entwickeln, in Bewegung umsetzen, inszenieren

Computer

• Internetrecherchen
• Geschichte in Computerspielen- oder programen wie zum Beispiel Second Life[25]
• Webquests
• Digital Storytelling

Belege

Literatur

Dietrich, Britta: Handlungsorientiertes Arbeiten am Beispiel der Gestaltung eines Grünen Klassenzimmers mit einer 4.Klasse. 2000

Dewey, John. In: Gudjons, Herbert: Handlungsorientiert lehren und lernen. S.73. Julius Klinkhardt Verlag. Bad Heilbrunn. 5. überarb. Und erw. Auflage. 1997

Enzyklopädie Erziehungswissenschaft'. Bd. 3, S. 600 f. In: Gudjons, Herbert. Handlungsorientierung als methodisches Prinzip im Unterricht. 1987. In: WPB 5/ S.8

Gudjons, Herbert. 1998. S. 107

Gudjons, Herbert: Handlungsorientierung als methodisches Prinzip im Unterricht a.a.O. S.5

Kaiser, Astrid: Einführung in die Didaktik des Sachunterrichts. S.18. Schneider Verlag. Hohengehren 1997

Meyer, Hilbert/Jank, Werner: A.a.O. S.346

Meyer, Hilbert: Unterrichtsmethoden II. Cornelsen. Frankfurt a. M. 1996

Mayer, Ulrich/ Pandel, Hans-Jürgen/ Schneider, Gerhard (Hg.): Handbuch. Methoden im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts: WOCHENSCHAU Verlag 2004

Stöltenfuß, Gerhard: Grundlagen handlungsorientierten Lernens. Bad Heilbrunn/Obb.: Julius Klinkhardt Verlag 1983

Völkel, Bärbel: Handlungsorientierung im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2005

Völkel, Bärbel: Handlungsorientierung. In: Mayer, Ulrich/ Pandel, Hans- Jürgen/ Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch. Methoden im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2004

Internet

http://schulpaed.tripod.com/handlungsor.pdf

http://www.uibk.ac.at/ils/downloads/lernkulturen/handlungsorientierter-unterricht.pdf

Verweise

  1. Enzyklopädie Erziehungswissenschaft 1987 S.8
  2. Dewey in: Herbert 1997, 73
  3. Meyer 1996
  4. Kaiser 1997, 18
  5. Meyer/Jank, 346
  6. vgl. ebenda
  7. vgl. Gudjons 1999, S.102
  8. vgl. Mahler Handlungsorientierter GU 2006, S.23
  9. vgl. Gudjons 2008, Handlungsorientiert lehren und lernen, S.43
  10. vgl. Gudjons 2008, ebd. S.43-44
  11. vgl. Bönsch 1999, S.7
  12. vgl. Mahler Handlungsorientierter GU 2006, S. 25
  13. vgl. Rohr 1982, S.97
  14. vgl. Dewey (1910), 2002, S.12
  15. vgl. Mahler, Handlungsorientierter GU 2006, S. 28
  16. vgl. Knoll, Dewey, Kilpatrick und „progressive“ Erziehung, S. 145-192
  17. vgl. Knoll (2010), Pädagogische Rundschau 64, S. 45-60
  18. vgl. Gudjons, Didaktik zum Anfassen 1997, S.133
  19. vgl. Mahler, Handlungsorientierter GU 2006, S. 30
  20. vgl. Wöll, 1998, S.58
  21. vgl. Mayer/Pandel/Schneider 2004
  22. vgl. ebenda
  23. vgl. Völkel 2004
  24. vgl. Völkel 2005
  25. vgl. Völkel 2005