Historische Orte als Lernorte

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(Okt.2012) L. Oberle, A. Wengeler; (Jan.2014) J. Keßner, A. Sauter, S. Schleer; (Jul.2014) S.Kopf, M. Hunkler

Betrachtet man heute die Besuche historischer Orte während der eigenen Schulzeit im Rahmen des Unterrichts, so erinnert man sich wohl häufig an lange Anreisen mit Bus oder Bahn, an Führungen, Referenten und lange Fußmärsche. Die SuS wurden von Station zu Station geführt und haben dann, entweder von einem ortskundigen Führer oder ihren Mitschülern, Vorträge über die jeweilige Station gehört. Selbst tätig vor Ort wurden wohl nur die Wenigsten. Der Ausflug war Frontalunterricht im Freien, Instruktion statt Konstruktion. Tatsächlich könnte diese, den meisten wohl so bekannte Beschreibung, kaum weiter entfernt von der (heute) aktuellen Konzeption des Lernens an historischen Lernorten sein, als nur irgend möglich. Im Verlauf dieses Artikels wird diese aktuelle Konzeption, weitestgehend basierend auf MAYERs Arbeit "Historische Orte als Lernorte" vorgestellt.

Was sind historische Orte?

Je nach Autor variiert die Definition historischer Orte stark. Sie reicht von einem weiten Begriff, alles außerhalb der Schule[1], archäologische Spurensuche, Denkmälern, Archiven, sogar der Befragung von Zeitzeugen[2] bis zum engen Begriff, der lediglich geschichtliche Überreste an ihrem geschichtlichen Ort meint.[3] Leider verliert der Begriff des historischen Ortes durch die vielen unterschiedlichen Definitionen beinahe völlig seine Trennschärfe. Wenn sich darunter Museen wie auch Archive fassen lassen, worin liegt dann der Unterschied zwischen Museums- und Archivpädagogik und wo bleibt dann die Konzeption zum Besuch anderer historischer Orte? Um diese Überschneidungen zu vermeiden, wird daher an dieser Stelle die Definition historischer Orte nach Ulrich Mayer verwendet.[4]

Historische Orte sind:

1) Orte großer Geschichte (z.B. Paulskirche in Frankfurt)

2) Historische Stätten (z.B. Schlösser, Burgen, Kirchen)

3) Orte mit Bezug auf lokale und regionale Entwicklung (z.B. Schloss Karlsruhe für die Region)

4) Orte ohne wahrnehmbare Überreste aber mit Geschichte (z.B. alte Schlachtfelder)

Geschichte außerschulischen Lernens

Das Konzept des außerschulischen Lernens hat sich über die Jahre hinweg unter dem Einfluss unterschiedlicher Vertreter gewandelt. Besonders hervorzuheben sind dabei die 3 pädagogischen Strömungen [5]

  • des Realismus
  • der Aufklärung
  • und der Anschauungspädagogik

Johann A. Comenius (1592-1670) begründete „als einer der wichtigsten Vertreter des pädagogischen Realismus einen ‚zweigleisigen Anschauungsunterricht‘“ [6] mit welchem er sich für veranschaulichte Sachtexte und Sachbegegnung aussprach. Laut Comenius [7] müssen die Menschen „so viel wie möglich ihre Weisheit nicht aus Büchern schöpfen, sondern aus Himmel und Erde, aus Eichen und Buchen, d.h. sie müssen die Dinge selbst kennen und erforschen und nicht nur fremde Beobachtungen und Zeugnisse darüber.“ Dieses Konzept entwickelte Jean-Jacques Rousseau(1712-1778) zu Zeiten der Aufklärung mit seinem „Prinzip des erfahrungsorientierten und entdeckenden Lernens in natürlichen Situationen“ weiter. Rousseau spricht sich dafür aus, dass Kinder die Nützlichkeit bestimmter Lerngegenstände nicht aus Büchern, „sondern aus einer nützlichen Situation heraus erkennen“. [8] Erst wenn die Kinder in eine reale Situation geraten, in der sie ein Problem durch ihren eigenen Lösungsweg meistern müssen, ist der Lerninhalt wirklich in die Lebenswirklichkeit der Kinder integriert und die Situiertheit ist gegeben. Die letzte prägnante Entwicklung des außerschulischen Lernens vollzog sich während der Hochphase der Reformpädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts, aufgrund der Beeinflussung durch die bürgerliche Jugendbewegung. [9] Jugendliche suchten die Nähe zur Natur und sprachen sich damit verbunden für einer natürlichere Lebensweise aus, was sich auch in den Publikationen der Reformpädagogen wie Peter Petersen (1884-1952) wiederspiegelte. Die Leitprinzipien [10] eines reformpädagogisch motivierten Lernens waren

  • die Lebensnähe des schulischen Unterrichts
  • das ganzheitliche Lernen
  • die Erlebnisweckung
  • sowie der handelnde Umgang mit den Sachen

Diese kontinuierliche Öffnung des Unterrichts gegenüber dem gesellschaftlichen Umfeld [11] ermöglichte es den Schülern, wie Comenius schon vor 400 Jahren gefordert hat, ihre Lerngegenstände selbst zu erforschen; die Chancen hiervon werden unter dem Punkt Geschichtsdidaktisches Potenzial weiter ausgeführt.


Geschichtsdidaktische Potenzial

Historische Orte ermöglichen SuS das Aufspüren, Entdecken und bewusste Wahrnehmen, es geht um das selbsttätige Erleben und Erkennen.[12] Das geschichtsdidaktische Potenzial lässt sich nach Mayer dabei in drei Kategorien unterteilen (Abb. 1):

1) Realität und Permanenz

2) Originalität, Anschaulichkeit und Imagination

3) Authentizität und Historizität


Realität und Permanenz

Der Wirklichkeitscharakter historischer Orte ermöglicht Lernen mit allen Sinnen. SuS können vor Ort erfühlen, tasten, riechen, messen, sehen etc. Diese reale Erfahrung wiederum fördert gleichzeitig den von der Lernpsychologie geforderten emotionalen Aspekt des Lernens. Mayer sieht diesen hauptsächlich in der Erfahrung des ehrwürdigen Alten[13], dass in gewisser Weise durch sein erhabenes Alter den SuS ein Gefühl von Ehrfurcht vermittelt. Mehr als fraglich ist natürlich, ob dies die einzige Emotion ist, die der historische Ort und dessen Besuch den SuS vermitteln kann. Durch seine Permanenz ermöglicht der historische Ort noch einen besonderen unterrichtspraktischen Aspekt, er ist bei Tag und bei Nacht, im Sommer bei 35° als auch im Winter bei 20cm geschlossener Schneedecke vorhanden. Im Rahmen einer mehrtägigen Exkursion könnte man einen Ort also mehrmals zu unterschiedlichen Tageszeiten besuchen und den SuS so zum Teil völlig unterschiedliche Eindrücke des Ortes vermitteln.

Originalität, Anschaulichkeit und Imagination

Der historische Ort wirkt auf die SuS ein, beim mehrfachen Besuch zu unterschiedlichen Tages- oder Jahreszeiten wird dies besonders deutlich. Er fördert die Vorstellungskraft der SuS, ihre Imagination. Im weiteren Verlauf sind aber auch die SuS dazu aufgerufen ihre Vorstellungskraft von sich aus zu benutzen, um sich gezielter Eindrücke zu verschaffen, dies nennt Mayer die Förderung der doppelten Imagination durch den historischen Ort.[14] Im Idealfall ist der historische Ort nicht durch Hinweistafeln o. Ä. aufgearbeitet sondern präsentiert sich als realer Ort im echten Kontext, an dem "keine Deutungen vorgegeben werden".[15] Dadurch ermöglicht der historische Ort jedem SuS einen völlig individuellen Zugang aus ganz eigener Perspektive und erfüllt dabei, wie von selbst, das Prinzip der Multiperspektivität.[16]

Authentizität und Historizität

Fehlen vor Ort Deutungen, so müssen SuS eigene Erkenntnisarbeit leisten, um den Ort verstehen zu können. Dabei tritt die Authentizität in den Vordergrund. Denn nur an authentischen Orten ist diese Erkenntnisarbeit überhaupt möglich. Veränderungen würden zu falschen Schlüssen führen. Auch bei der eigenen Erkenntnisarbeit wird wieder das Prinzip der Multiperspektivität gefördert. Besonders beim Besuch regionaler und lokaler historischer Orte kann oftmals eine persönliche Beziehung der SuS zum historischen Ort bestehen. Diese persönliche Affinität steigert das Interesse der SuS am historischen Ort und schafft Motivation.[17] Durch den Vergleich des lokalen historischen Ortes mit der eigenen lokalen Umwelt, kann darüber hinaus "besonders gut ein Begriff von geschichtlicher Veränderung gewonnen werden".[18] Die Veränderung der Umwelt über die Zeit hinweg entspricht genau dem Prinzip der Historizität.

Lernziele

SuS sollen am historischen Lernort selbst tätig werden, eigenständig Erkenntnisse erarbeiten und den Ort erkunden. Dabei ist das wichtigste Ziel beim Besuch historischer Orte "elementare Einsichten in das Wesen historischer Erkenntnisse" zu erreichen.[19] Weitere Ziele sind:

- Anstoßen längerfristigen Interesses für Geschichte

- Sensibilisierung für die bewusste Wahrnehmung historischer Überreste

- Vermittlung von Vorstellungen über historische Gegebenheiten

- Vermittlung von Erkenntnissen über historische Zusammenhänge

- Anbahnung und Einübung elementarer historische Denk- und Arbeitsweisen

-Verständnis für die Einmaligkeit und Schutzwürdigkeit historischer Orte

Praxis

In der Praxis lässt sich der Besuch historischer Orte im Geschichtsunterricht anhand von zwei Kriterien planen, der Besuchsform und dem nach Kompetenzen geordneten Idealtyp. Daran anschließend wird, anhand des methodischen Dreischritts, die Planung und Durchführung des außerschulischen Lerngangs dargestellt.

Besuchsform

Einmaliger Besuch

Der einmalige Besuch im Umfang von ein- bis mehreren Stunden kann zur gezielten Klärung einer im Unterricht aufgekommenen Frage genutzt werden oder auch als Motivation zur Entwicklung eigener Fragestellungen und Thesenentwicklungen durch die SuS. Somit eignet er sich als Einstieg in ein Thema oder auch zu seinem Abschluss. Der Besuch, sofern er nicht nur als Auflockerung des Unterrichtsgeschehens gedacht ist, dient dazu, Beobachtungen zu machen, Anschauungen zu gewinnen und Erfahrungen zu sammeln, die als gemeinsame Basis für zukünftiges Unterrichtsgeschehen genutzt werden kann.[20]

Gezielte Exkursionen

Eher in die Erarbeitungsphase gehören, meist ganztägige Exkursionen, wo der Umgang mit dem historischen Ort anhand vorbereiteter Fragestellungen erfolgt, die dann wiederum im Unterricht nachbearbeitet werden. Sie dienen dem zielgerichteten Erwerb von Informationen und helfen bei der Aneignung, Übung und der Anwendung historisch methodischer Verfahren. Die konkrete Anschauung und die praktische Anstrengung werden mit emotionalen Eindrücken verbunden. Schon Gelerntes wird vertieft, differenziert und mit lokalen Gegebenheiten verglichen.[21]

Mehrfacher Besuch

Bei mehrtägigen Unternehmungen mit den SuS, z.B. bei fächerübergreifenden Projekten kann ein historischer Ort auch mehrfach unter verschiedenen Fragestellungen besucht werden. Meist ist es sinnvoll, den Ort der im Mittelpunkt eines Projektes steht, durch den Besuch anderer historischer Lernorte, wie z. B. Museen, Archive etc. zu ergänzen.[22]

Kompetenzen und Idealtyp

Idealtyp Erkundung

Rekonstruktion von Geschichte anhand der Stätte selbst, sprich die Stätte selbst ist der Gegenstand des Lernens an der Rekonstruktion geleistet werden soll. Hierbei können z.B. Gebäude, Ensembles und historische Landschaften in den Blick genommen werden und nach ihrer Funktion, dem Entstehungszusammenhang etc., gefragt werden, entweder mit dem Versuch die Stätte in ihrer Gänze zu betrachten oder mit gezielter Fragestellung. Zur Strukturierung kann ein dynamischer Kompetenzkatalog dienen, der auf den speziellen Ort angepasst werden kann.

Dynamischer Kompetenzkatalog[23]

"Historische Phänomene in den Blick nehmen" wobei sowohl vorgegebenen Fragestellungen gefolgt werden kann, als auch selbst weitere Gesichtspunkte erschlossen werden sollen. Es geht um die praktische Arbeit in Form von Anschauen, Begreifen, Erschließen, Begehen, Wiedererkennen, Vergleichen, Klassifizieren, Schlussfolgern, wobei die möglichst ganzheitliche Erfassung des Lerngegenstandes das Ziel ist.

"Bindung von Geschichte an den Raum/Ort erkennen" kann den SuS durch topologische Fragen verdeutlicht werden. Die Frage nach dem 'Wo?', die Gründe für die Lage und die daraus folgenden Konsequenzen und seine Einbettung in evtl. größere topographische Zusammenhänge sollte durch die Frage nach Sonderfall oder typischer Ausführung ergänzt werden.

"Funktionen erschließen lernen" beinhaltet die Frage nach der Aufgabe des Ortes, und woraus die Aufgabe erschlossen und Vermutungen dazu überprüft werden können.

"Gestaltung als Informationsquelle erkennen lernen" versucht zu klären wie und warum gerade auf diese Weise gebaut worden ist und welche Absichten sich beim Bauherrn erkennen lassen. Auch die Frage nach Stilelementen als Kennzeichen für eine Zeit fällt unter diese Kompetenz.

"Geschichtlichkeit am konkreten Beispiel erkennen lernen" vermittelt den SuS wissen zu Veränderungen in der Bausubstanz und in der Funktion, Kontinuitäten, Wechselwirkungen eines Ortes mit seiner Umgebung und den dort lebenden Menschen und ähnliches.

"In historische Kontexte einordnen können" Welche Hinweise gibt der Ort zu den Lebensbedingungen der Menschen und evtl. zu den Mentalitäten. Auf welche Rahmenbedingungen in politischer, ökonomischer, wirtschaftlicher, klimatischer Hinsicht kann der Ort geben?

"Bewertungen beurteilen können" fragt nach dem Erinnerungswert eines Ortes und dessen Darstellung durch die Zeit hinweg.

Idealtyp Rekonstruktion historischer Ereignisse an ihrem historischen Ort

Hierbei liegt der Fokus auf der Rekonstruktion eines Ereignisses, welches an einem bestimmten Ort stattgefunden hat, weniger auf dem Ort selbst. Auch wenn bezweifelt werden darf, dass die Rekonstruktion eines Ereignisses an einem Ort an dem selbst keine Spuren mehr zu sehen sind mit jeder Gruppe SuS durchführbar ist, so kann es durchaus interessant sein, einem, (vorher) anhand von Quellen erarbeiteten Sachverhalt, einen Ort und damit eine topographische Verankerung, zu geben. Die Rekonstruktion anhand von Erzählungen, Quellen, medialen Veranschaulichungen, Zeitzeugen etc. kann im Vorfeld, besser jedoch am Ort selbst stattfinden. Hierbei spielen vor allem der situative Aspekt, die wahrgenommene Atmosphäre eines Ortes eine Rolle, um die Erkenntnis, dass zum umfassenden Verständnis eines Ortes notwendig ist, sich verschiedener Quellen zu bedienen. So können auch oberflächlich betrachtet unauffällige Orten, ins Spiel kommen.[24]


Hinterfragen gedeuteter Geschichte

Da historische Orte sehr oft Plätze bereits gedeuteter Geschichte sind, ist es wichtig, den SuS die Fähigkeit zu vermitteln, diese Deutungen zu hinterfragen. Explizite Deutung finden sich z.B. bei Denkmälern oder Gedenkstätten, Verweise in Film und Bild, Gespräche mit Zeitzeugen, Mythen, Legenden und Sagen, die sich um historische Orte ranken etc. Vorgegebene Deutungen sind aber auch und vor allen Dingen in der öffentlichen Geschichtskultur vorhanden, besonders in Formen des Reenactment, historischer Märkte und Festen, Rollen- und Computerspielen etc. Die SuS sollen die Deutungen erkennen, analysieren und mit kontrollierter Rekonstruktion vergleichen.[25]

Um die komplexe Wechselbeziehung eines Ortes und seiner Deutung zu erschließen, kann sich eines (erweiterbaren) Fragenkataloges bedient werden.

Welche Zusammenhänge existieren zwischen einem Ort und dem kollektiven(nationalen, regionalen, konfessionell etc. geprägtem)Geschichtsbild?

Welche Rolle spielte der Ort für das Zustandekommen und/oder Weiterwirken eines (verpflichtenden) Geschichtsbildes?

Welche Auswirkungen könnte ein bestehendes Geschichtsbild auf die Deutung des Ortes haben?

Methoden

Wahrnehmung und Erkundung

Die quantitative Beschränkung bzw. thematische Eingrenzung gilt als Voraussetzung für einen erfolgreichen Umgang mit historischen Orten, wenn durch die Konzentration auf bestimmte Sachverhalte auch logischerweise auf viele interessante Aspekte verzichtet werden muss. Dennoch ist eine intensive Erkundung eines Aspekts einem flüchtigen Überblick vorzuziehen. Historische Orte bieten die Möglichkeit zu offenen als auch lehrerzentrierte Lernformen. Forschend- entdeckendes Lernen hat genau so seinen Platz wie instruktive Verfahren. Diese können z.B. Exkursionen entlang historischer Pfade, Führungen durch sachkundige Personen beinhalten, wie auch Erkundung in der Form gelenkten Entdecken- Lassens z.B. in Form von sachbezogenen Handlungsaufträgen auch Formen freien Entdeckens und Sammelns.

Für die Phase der Erkundung eignen sich folgende Operatoren die jeweils an den spezifischen Ort angepasst und erweitert werden können:

ausmessen, zeichnen, berechnen, fotografieren, filmen, zeigen, benennen, erläutern, vormachen, berichten, suchen, schätzen, skizzieren, abschreiten, fragen, raten.[26]

Aufarbeitung durch Analyse und Deutung

Das historische Lernen darf nicht bei der Feststellung des am Ort vorgefundenen Konkreten stehen bleiben, sondern bedarf der Kontextualisierung durch weitere Materialien, beispielsweise zeitgenössischer Quellen und Darstellungen. Auch Rekonstruktionszeichnungen, evtl. für den Vergleich der Arbeiten der SuS oder wissenschaftliche Texte, Karten und Lexika können sich dazu eignen. Bei der Aufarbeitung gilt der Grundsatz der Methodenvielfalt, jeweils an die Bedürfnisse des Ortes und der SuS angepasst. Es gilt die Imagination zuzulassen und zu fördern und frühere Erkenntnisse anschaulich werden zu lassen. Möglichkeiten zur methodischen Aufarbeitung sind z.B. Gruppen- und Plenumsarbeit , die gewonnene Beobachtungen in die gesamte Lerngruppe überführen. Hierbei kann die Exkursion reflektiert und besondere Ereignisse besprochen werden. Auch können Schülerbeobachtungen und –fragen geprüft, aufarbeitet und ggf. weiterentwickelt werden. Die rein analytische Arbeit lässt sich teilweise mit spielerischen Elementen verbinden, z.B. durch Rollenspiele.[27]

Präsentation der Ergebnisse

Die SuS sollen das Gelernte am Ende für sich selbst und andere einleuchtend darstellen können. Hierzu gibt es bewährte Formen, die allerdings beliebig erweitert und verändert werden können, wobei auf ein angemessenes Verhältnis von Zeit und materiellem Auffand zum Ziel zu achten ist. Einige Möglichkeiten zur Präsentation der Ergebnisse können sein: Erstellen von Berichten durch die SuS, einzeln, in Partnerarbeit oder in der Gruppe, aus denen eine Zeitung erstellt werden kann. Diese kann klassenintern oder für die Schulöffentlichkeit sein, oder auch in Zusammenarbeit mit der lokalen Presse zu einer regionalen Veröffentlichung führen. Organisieren einer Podiumsdiskussion, etwa wenn es um Abriss, Renovierung oder Umnutzung eines Ortes geht, zu der Experten, Zeitzeugen, Anwohner o.ä. eingeladen werden können. Erstellen von Informationstafeln, z.B. Steckbriefe für einzelne Objekte, als Wandzeitungen/Plakaten/Schautafeln, wenn möglich präsentiert im Rahmen einer Ausstellung. Auch diese kann über die Schulgrenzen hinausgehen z.B. durch die Einbeziehung von Behörden, Vereinen oder anderen Instituten. Erstellen von Führungsblättern zu einzelnen Orten, oder Stadtführern mit einer bestimmten Zielgruppe, unter Umständen auch als Internet-Präsentation.[28]

Planung des außerschulischen Lernens - ein methodischer Dreischritt

Um nun konkret einen außerschulischen Lerngang durchzuführen, bietet es sich an, folgenden methodischen Dreischritt aus Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung, anzuwenden.

Vorbereitung

Die Vorbereitung erfolgt zum größten Teil im Klassenraum. Sie umfasst folgende Bereiche [29]:

  1. Entscheidungen über organisatorische Abläufe, wie Ort, Zeit, Termin, Logistik, Einwilligungserklärung der Schulleitung und der Eltern, nötige Begleitpersonen…
  2. Die vorpädagogische Sachstrukturanalyse wie Informationsmaterial zum Lernort, Ansprechpartner vor Ort, Vorexkursion,…
  3. Die didaktisch-methodische Vorüberlegung dient der Ermittlung von Vorwissen und Vorerfahrungen der Schüler. Der Lehrer kann dieses Vorwissen strukturieren und zur didaktischen Analyse des außerschulischen Lernorts nutzen. Die Schüler können sich so der Thematik annähern. Durch die Verknüpfung ihres Vorwissens und ihrer Vorerfahrung mit neuen Informationen kristallisieren sich erste Handlungs- und Lernziele heraus. In heterogenen Klassen ist es so auch möglich Differenzierungsüberlegungen bezüglich der Lern- und Kompetenzziele vorzunehmen.
  4. Benötigte Materialien sollten sich die Schüler möglichst eigenständig erarbeiten. (Bsp.: Fragen an den Lernort, Anschauungsmaterial, wie werden Eindrücke notiert, werden Aufnahmemedien benötigt,…)
  5. Die erzieherische Komponente der Vorbereitung bedeutet, dass mit den Schülern wichtige Verhaltensregeln und eindeutige Abmachungen besprochen werden, die am Lernort gelten. Die Schüler müssen diese kennen, akzeptieren und nachvollziehen. Falls notwendig, müssen auch Sicherheitshinweise gegeben werden.
  6. Der letzte Punkt der Vorbereitung ist die Standort- und Routenplanung. Es handelt sich um ein Planungsraster, das die Auswahl der unterrichtsplanerischen Elemente, wie Sozial- und Aktionsform, Mikromethode, Lern- und Kompetenzziel, usw. an den verschiedenen Standorten der Route erfasst.

Durchführung

Die Durchführung des außerschulischen Lernens kann in drei Begegnungsformen erfolgen [30].

  1. Bei der punktuellen Begegnung handelt es sich um eine einmalige, isolierte Begegnung mit dem Lernort. Sie stellt die häufigste Begegnungsform des außerschulischen Lernens dar. Hierbei ist es wichtig, die Lern- und Kompetenzziele nicht zu umfangreich und zu abstrakt zu gestalten. Eine vorherige intensive Analyse und Reduktion sind unabdingbar. Bei der punktuellen Begegnung sind offene Lernformen zu bevorzugen, auch wenn bei guter Vorbereitung und didaktischer Begründung strukturierte Lernformen denkbar sind.
  2. Die intensive Begegnung erfordert eine ausführliche Vorbereitung und stellt eine zeitlich längere oder wiederholte Begegnung mit dem Lernort dar. Sie ermöglicht ein Erarbeiten spezifischer Frage- und Problemstellungen. Ziel ist ein möglichst eigenständiges Arbeiten der Schüler mit einer Vielfalt an Methoden.
  3. Die projektorientierte Begegnung umfasst eine mehrmalige Kontaktaufnahme mit dem Lernort innerhalb kurzer Zeit, zum Beispiel während Projektwochen. Sie bietet ausreichenden Spielraum für thematisch gebundene Lernformen.

Bei allen drei Begegnungsformen sollte die handelnde Auseinandersetzung mit dem Lernort im Vordergrund stehen. In der didaktisch-methodischen Gestaltung steht die Methodenvielfalt an erster Stelle (Bsp.: offener Unterricht, Stationenlernen, Freiarbeit, entdeckendes Lernen,…). Durch die handelnde Auseinandersetzung mit einem Lerngegenstand kommt es im Gehirn zur Verknüpfung unterschiedlicher Verarbeitungsprozeduren. Dies bedingt ein nachhaltiges Lernen. Um das ganzheitliche und langfristige Lernen zu steigern, ist es sinnvoll verschiedene Sinne anzusprechen (Methodenvielfalt!) [31].

Nachbereitung

In der Nachbereitung wird werden das Erlebte, das Erfahrene und das Beobachtete ausgewertet. Ziel ist es, oben genanntes zu reflektieren und das neu gewonnene Wissen mit dem eigenen Vorwissen zu verknüpfen und es in den eigenen Erfahrungshorizont einzuordnen. Entstandene Fragen werden mit der ganzen Klasse geklärt und diskutiert, um so das Gelernte besser zu speichern. Im Anschluss ist auch die Überleitung zu ähnlichen, komplexeren Themen möglich und gelingt meist gut. Jeder Schüler hat sich durch den außerschulischen Lerngang handelnd mit dem Lernort und seiner Thematik auseinandergesetzt und ein Vorwissen aufgebaut. Dieses kann nun leichter auf eine verwandte Thematik übertragen werden. Durch die handelnde Auseinandersetzung mit dem Lernort wird die Effizienz des Unterrichts um das vier- bis fünffache erhöht und es kommt zu einem verbesserten Lerneffekt. Wichtig ist auch die Präsentation der erarbeiteten Ergebnisse. Auch hier steht eine große Methodenvielfalt zu Verfügung (Bsp.: Wandzeitung, Fotoreportage, Lerntagebuch,…). Die Ergebnispräsentation bietet eine Möglichkeit der Lernzielüberprüfung und der Ergebnissicherung des außerschulischen Lernens[32].



Die Konzeption des Besuchs historischer Orte im Geschichtsunterricht hat sich radikal verändert. Aus den aus der eigenen Schulzeit bekannten Führungen wurden selbstständige wissenschaftliche Untersuchungen, vermessen, kartographieren, fotografieren und dokumentieren. SuS sollen eigene Erkenntnisarbeit leisten und dabei elementare Einsichten in das Wesen historischer Kenntnisse erreichen. Dadurch lässt sich der Besuch historischer Orte ideal in die aktuelle didaktische Landschaft der Kompetenz- und Wissenschaftsorientierung einordnen.

Beispiele

Bibliotheksbesuch

Es gibt vielzählige Lernorte in unserer Kulturwelt, die den SuS die direkte Konfrontation mit Geschichte ermöglichen können. Einer davon ist der Lernort der Bibliothek. Die Nutzungsmöglichkeiten eines solchen Ortes lassen sich in fünf didaktische Perspektiven [33] untergliedern, von denen zwei von größer Bedeutung speziell für den Geschichtsunterricht sind.

1. ‘‘Technische Perspektive (historische Medienkompetenz)‘‘:

  • Ausstattung der Bibliothek mit elektronischen Medien – Erleichterung der Literaturrecherche durch den elektronischen Katalog
  • Nutzung des Internets für Rechercheaufgaben im Sachunterricht
  • Demonstrierung von Chancen und Gefahren der Technik (kritischer Umgang mit Medien)

2. ‘‘Historische Perspektive‘‘:

  • Geschichte des Buches und des Buchdrucks
  • Veränderung des Leseverhaltens
  • Verbot/Zerstörung von Büchern (Nationalsozialismus)
  • Primär- und Sekundärquellen
  • Medien im Wandel der Zeit

Die weiteren Chancen, welche Dühlmeier in seinem Werk nennt, beziehen sich auf die ‘‘sozial- und kulturwissenschaftliche‘‘, die ‘‘naturbezogene‘‘ und die ‘‘raumbezogene Perspektive‘‘.

Nach einer guten Vorbereitung, bei der sich der Lehrer/die Lehrerin mit dem Aufbau und Konzept der Bibliothek beschäftigt hat, bietet diese mehrere Nutzungsmöglichkeiten der Weiterarbeit. Selbstverständlich muss bei der Arbeit an diesem Lernort die Erwartung an die Schüler an Klassenstufe sowie Schülerinteressen angeglichen werden. Es bieten sich mehrere Handlungsmöglichkeiten [34], die Ressourcen einer Bibliothek effektiv zu nutzen, wie zum Beispiel

  • den Orientierungsbesuch
Er dient dazu das Interesse der Schüler zu wecken und sie mit der Nutzung einer Bibliothek vertraut zu machen
  • die Bibliotheksrallye (allgemein oder thematisch gebunden)
Nachdem den Schülern z.B. während eines Orientierungsbesuches der Aufbau einer Bibliothek gezeigt wurde, haben sie nun die Möglichkeit, in Gruppen die Welt der Bücher selbst zu entdecken. Hierbei ist es wichtig, den Schülern zu Beginn der Rallye den genauen Ablauf zu erklären, um sicherzustellen, dass die SuS auch in der Lage sind, an die gewünschten Informationen zu gelangen.
  • den Projekttag
Diese Methode eignet sich besonders bei fächerübergreifenden Themen.
  • mein Buch vom Buch usw…
Die SuS legen ihr eigenes Buch an und befassen sich darin zum Beispiel mit der Geschichte des Buches ( Narration ).

Kloster Maulbronn und Thingstätte Heidelberg

Im Folgenden sollen zwei konkrete Beispiele diskutiert werden. Ausgewählt wurden zwei sehr gegensätzliche Lernorte: das Kloster Maulbronn, das stellvertretend für vergleichbare Klosteranlagen gelten kann, und die Thingstätte Heidelberg, die bei näherem Hinsehen sehr viel Potenzial bietet. Die Vorgehensweise entspricht derjenigen, die Meyer [35] in seinem Aufsatz vorschlägt. Daher sollte man den Aufsatz oder doch zumindest den einschlägigen WIKI-Artikel kennen. Die Beispiele werden zunächst vorgestellt und dann anhand folgender Aspekte untersucht:

Vorbereitung

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der inhaltlichen, der didaktischen und methodischen, der organisatorischen und der erzieherischen Vorbereitung im Hinblick auf die historischen Lernorte.

Inhaltliche Vorbereitung

Die inhaltliche Vorbereitung beginnt bei der Auswahl eines günstig erreichbaren Ortes bzw. eines Ortes, dessen entsprechend großer Nutzen eine längere Anfahrt rechtfertigt. Es schließt sich das Sammeln von Informationen über den Lernort in allen verfügbaren Medien an. Ein Vorabbesuch des historischen Lernortes sollte selbstverständlich sein, wenn zeitlich möglich. Man sollte sich immer selbst einen Eindruck der Anlage verschaffen, das Gelände zu erkunden, Informationstafeln lesen und Ideen für die Durchführung zusammentragen.

Kloster Maulbronn

Hier nur in kurzen Auszügen möglich: bitte entsprechende Fachliteratur nutzen oder online: http://www.kloster-maulbronn.de/

Entstehung

  • Datum: Zisterzienserabtei 1147/48 (kein präziser Gründungstag überliefert)
  • Erbauer: Zisterzienser unter Führung von Abt Dieter
  • Gründe für die Lage: Bischoff Gunther von Speyer, Graf von Henneberg (Herrschaftsgebiet Eckenweiler) unterstützte die vorhandene Klostergemeinschaft von Eckweiler (Lage und Bodenverhältnisse ungünstig für Bau eines Klosters) mit Ländereien; deswegen Umzug ins Salzbachtal, dort Gründung urkundlich mit dem verzeichneten Ortsnamen „Mulenbrunnen“ (deutet auf Lage an der Quelle (Brunnen) einer Mühle (von mittelhochdeutsch „mulin“) hin)

Nutzung durch die Jahrhunderte

  • Zisterzienserabtei (1147/48-1555)
  • Klosterschule 1556-1807
  • Umwandlung in ein evangelisch-theologisches Seminar 1807
  • Das Seminar ist heute ein staatliches Gymnasium mit Internat ab der 9. Klasse bis zum Abitur in Klasse 12. Ungefähr 100 SuS werden dort unterrichtet.
  • Einfluss auf Umland, besonders Stadtgründung
  • die Anlage entwickelte sich schnell zu einem wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zentrum der Region

Heutige Nutzung

  • Staatliches Gymnasium mit Internat ab 9.Klasse bis Abitur Klasse 12
  • Kloster: Weltkulturerbe der UNESCO (seit 1993)
  • Touristisches Ziel, Lehrstätte (Architektur, Künstler, Bauforscher, Geschichte), Denkmalpflege, Sicherung und Bestandserhalt

Weltkulturerbe

  • Aufnahmekriterien: Einzigartigkeit/Authentizität und überzeugender Erhaltungsplan. Aufgenommen werden grundsätzlich jedoch nur Stätten, die besondere historische, künstlerische oder wissenschaftliche Bedeutung haben und unversehrt sowie original sind.
  • Ziel: Schutz und Erhaltung der Kultur- und Naturerben. Jedes Land verpflichtet sich, Bestand und Bedeutung eigenständig zu schützen. Die InternationaleStaatengemeinschaft unterstützt diese Ziele und trägt zum Erhalt bei.
  • Besitz: Gemäßdem „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ von 1972 gehören Welterbestätten der ganzen Menschheit.
  • DasKloster Maulbronn gehört heute zu einer der am vollständigsten erhaltenen Klosteranlagen nördlich der Alpen. Alle Stilrichtungen und Entwicklungsstufen von der Romantik bis Spätgotik vertreten.

Thingstätte Heidelberg

Der Heiligenberg gehörte in den ersten Jahren nach der Machtergreifung zum festen Bestandteil der nationalsozialistischen Blut- und- Boden-Mystik. In zwölfmonatiger Bauzeit schuf der Reichsarbeitsdienst mit Unterstützung Heidelberger Studenten auf dem angeblichen germanischen Kultplatz die sogenannte „Thingstätte auf dem heiligen Berg“, eine Freilichtanlage für NS-Veranstaltungen. Propagandaminister Joseph Goebbels übernahm am 22. Juni 1935 im Rahmen einer Sonnwendfeier die Einweihung der Thingstätte, die er als „wahre Kirche des Reiches“ und „Stätte steingewordenen Nationalsozialismus“ rühmte. Goebbels Auftritt nebst Fahnenwald, Uniformen, Musik und Riesenchor lockte über 20 000 Menschen auf die steinernen Zuschauerränge, eine Zahl, die bei späteren Sonnwendfeiern und Thingspielen nie mehr erreicht wurde. 1936 wurde per Erlass der Begriff „Thingstätte“ durch „Feierstätte Heiligenberg“ ersetzt. Die Nationalsozialisten hatten das Interesse an der „Thingbewegung“ verloren. An ihre Stelle traten Film und Rundfunk mit dem Volksempfänger, einem wirkungsvolleren Propagandainstrument. [36]

Didaktische und methodische Vorbereitung

Im Zuge der didaktischen und methodischen Vorbereitung wägt man das Verhältnis zwischen inhaltlichem Potenzial des Ortes und curricularen Vorgaben [37] ab. Mögliche Themen, die die Lernorte erschließen, vertiefen oder abschließen können, werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Kloster Maulbronn

  • Entstehung und Funktion des Klosters und Einbettung in die damalige mittelalterliche Lebenswelt
  • Bestandteile des Klosters: Paradies, Klosterkirche, Chorgestühl, Herrenrefektorium/ Laienrefektorium, Parlatorium, Dormitorium, Kapitelsaal, Kreuzgang, Kreuzganggarten, Kalefaktorium, Cellarium, Brunnenhaus, landwirtschaftliche Flächen
  • Aus den Gebäudeteilen und den zum Kloster gehörenden Flächen ist das Leben innerhalb des Klosters rekonstruierbar: Taktung, Aufgaben, Abgeschiedenheit, Autonomie
  • Glaube und Religion: das Paradies (Teil der Klosterkirche) als steingewordene Vorstellung vom Jenseits und dessen Gewichtung
  • Baustil (gotisch, vorgotisch), Bauart (Fachwerk, Sandstein), Architektur (massive Mauern – Statik noch nicht weit entwickelt)
  • Sprechende Namen (Maulbronn), Gründungssagen/Sagen (hier: Esel, Wasser/Brunnen)

Ein Wappen an der Quellennische zeigt die Gründungslegende, in der es heißt, dass die Mönche unentschlossen waren, wo sie das Kloster bauen sollten. Sie beluden deshalb ein Maultier mit den Klosterschätzen und ließen es laufen. Das Maultier blieb an der Stelle des heutigen Brunnens (= Bronn) stehen, warf den Klosterschatz ab und scharrte mit dem Huf. Dort schoss sogleich eine Wasserfontäne empor, die die Mönche im Brunnen und später im Brunnenhaus fassten. So habe das Kloster Standort und den Namen Maulbronn erhalten.

Im Kloster Maulbronn ist eine freie Erkundungsform durch die SuS mit lenkenden Arbeitsaufträgen, ganz im Gegensatz zu den Möglichkeiten auf der Thingstätte Heidelberg, unmöglich. Das Betreten der Kirche und der freigegebenen Klostergebäude ist an eine thematisch angepasste Führung gebunden. Diese Erkundung des Lernortes kann auf verschiedene Weisen angegangen werden. Für jeglichen Zeitpunkt des Klosterbesuchs (zum Einstieg, innerhalb und zum Abschluss einer Unterrichtseinheit) können, nach Meinung der Autorinnen, gleichsam Argumente gefunden werden. Zum Einstieg eignet sich das Kloster als Informationsquelle über die damaligen Lebensumstände.

Der Ansatz zum Einstieg in eine Unterrichtseinheit ist ohne jegliches Vorwissen der SuS aus dem Unterricht durchführbar und somit geeignet für ein selbständiges, entdeckendes Lernen. Durch die Führung werden die SuS über den Aufbau des Klosters und der Klausur informiert und erhalten auch Einblick in das ehemals alltägliche Leben. Diese Informationen dienen als Ausgangspunkt für weitere Wissensaneignung, geben Raum um Fragen während der Führung zu stellen und um die zentralen Themen nach und nach, auch später im Unterricht, zu erarbeiten.

Eine weitere Idee wäre den Lerngang als Abschluss zu nutzen, nachdem man schon im Unterricht das Leben im Mittelalter und Kloster durchgenommen hat. Hier bleibt Zeit für entstandene oder weiterführende Fragen. Die visuellen und haptischen Eindrücke untermauern bereits Gelerntes und verankern es durch ihr sensorisches Gewicht weiter im Langzeitgedächtnis. In der Klosteranlage befindet sich ein Informationszentrum, das über die Führung hinaus den Kontakt zu außerschulischen Experten ermöglicht und den Schülern die Gelegenheit bietet, eigenständig Dinge zu erfragen und zu erforschen.

Thingstätte Heidelberg

Die Thingstätte ist ein weitgehend „unberührter“ Ort, der nur zwei Hinweistafeln besitzt - je eine Tafel am unteren und oberen Ende. Es gibt also weder Führungen noch Vorschriften oder einen Eintrittspreis. Dabei handelt es sich präziser um die Thingstätte auf dem Heiligenberg bei Heidelberg, eine Freilichtbühne, die in der Zeit des Nationalsozialismus nach dem Prinzip antiker griechischer Theater erbaut worden ist. Dieses Beispiel bildet einen Gegensatz zu der Klosteranlage, denn die Schüler haben die Möglichkeit sich völlig frei und eigenständig zu bewegen und den historischen Ort ihrem eigenen Erkundungsinteresse entsprechend zu erkunden.

Bei der Thingstätte wäre ein Einsatz ohne Vorwissen zum eigentlichen Thema wohl der angebrachteste, denn die freie Entdeckungsweise weckt den Erkundungsdrang und das Interesse für das Thema. Nachfolgend könnten erarbeitete Fragestellungen und Hypothesen recherchiert bzw. nachgeprüft werden. Somit wäre vor allem ein motivationaler Einstieg in die Unterrichtseinheit gegeben, welcher die SuS unmittelbar miteinbezieht. Durchaus gewinnbringend könnte es auch sein, bereits den Nationalsozialismus mit den SuS angesprochen zu haben. Nach der Exkursion böte es sich an, NS-Propaganda und den Führerkultschließlich explizit zu fokussieren. Auch hier besteht die Möglichkeit, sich über die Stadt Heidelberg an außerschulische Experten zu wenden. Diese beiden Beispiele – das Kloster Maulbronn und die Thingstätte - sind beide regional und gut erreichbar. Sie werden nun einander gegenübergestellt. Jeweilige Vor- und Nachteile werden abgewogen und erläutert.

Organisatorische Vorbereitung

Die geplante Exkursion zu einem außerschulischen Lernort muss von der Schulleitung genehmigt werden. Geschieht dies, werden die Eltern über das Vorhaben, die Zeitplanung und die anfallenden Kosten informiert. Dies geschieht regulär in Form eines Elternbriefs, welcher den SuS mitgegeben wird. Aus schulrechtlichen Gründen sollten die SuS diesen unterschrieben dem Lehrer zurückgeben. Darüber hinaus muss die Finanzierung (Fahrtkosten, Eintritte, evtl. Zuschüsse) mit der Schule und den Eltern abgestimmt werden; gleichfalls sind aus schulrechtlicher Sicht sicherheits- und schülerspezifische Informationen einzuholen (bspw. Allergien bei SuS oder Gefahrenstellen bei der örtlichen Polizei). Absprachen mit Kolleginnen und Kollegen sind zu halten und eine weitere Lehrkraft, die im Idealfall die Klasse schon kennt, als Begleitung auszuwählen. Bei einem Vorabbesuch können auch die Möglichkeiten zur Pausen- und Freizeitgestaltung (Einkaufsbummel, Sitzmöglichkeiten) während des Lerngangs in Augenschein genommen werden und festgestellt werden, ob Verpflegung gekauft werden kann.

Kloster Maulbronn

Eine Gruppenbesichtigung des Klosters Maulbronn kostet für Gruppen (ab 20 Personen) pro Person 6,30 €.Diese muss angemeldet und mit den Verantwortlichen abgesprochen werden. Die Führung kann thematisch dem Unterricht angepasst werden. Es können auf Wunsch Workshops zum mittelalterlichen Leben durchgeführt werden. Hier bestehen vielfältige Angebote: Brot backen, Korbflechten, Filzen, Buchbinden etc. Im Vorhinein könnte das Interesse der SuS so miteinbezogen und demgemäß entschieden werden. Dies wäre ein zusätzlicher Kostenfaktor, den man eventuell bei einem Elternabend besprechen sollte. Der Preis beträgt ab 20 Schülern 4,00 € zzgl. 1,50 € Materialkosten; ansonsten beläuft sich der Pauschalbetrag auf 80,00 €. Die Wahl des Verkehrsmittels sollte nach Einholung von Angeboten beschlossen werden. BaWü-Ticket oder Gruppentickets bieten sich an. Auch die Empfehlung der Mitarbeiter vor Ort könnte sich als hilfreich erweisen.

Im Falle des Klosters Maulbronn erhielten die Autorinnen beispielsweise bei unserem Vorabbesuch sehr nützliche Informationen, unter anderem bezüglich der Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die man wohl auch telefonisch erfragen könnte. Wir konnten aber auch die Führung mit dem Audio-Guide selbst machen, um herauszufinden, welche Informationen den SuS durch dieses Medium zur Verfügung gestellt werden können. Zum Kloster Maulbronn benötigt der Zug ca. eineinhalb Stunden, um vom Hauptbahnhof Karlsruhe bis zum Bahnhof Maulbronn West zu fahren. Inbegriffen ist zusätzlich die daran anschließende Fahrt mit dem Regionalbus bis zur nächstgelegenen Haltestelle („Die Alte Post“).Auch hier gilt es, bei den jeweiligen Verkehrsmitteln die Gruppe anzumelden. Durch die dicken Steingemäuer des Klosters ist es außerdem gerade im Inneren der Klausur sehr kalt, weshalb es sich empfiehlt, warme Kleidung anzuziehen und entsprechende Information an die SuS weiterzugeben.

Thingstätte Heidelberg

Die Thingstätte Heidelberg ist nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Mit der S3 fährt man vom Karlsruher zum Heidelberger Hauptbahnhof und von dort mit der Straßenbahn (Linie 5, 23 oder 21) zum Hans-Thoma-Platz in Heidelberg-Handschuhsheim. Alternativ kann man auch früher, an der Haltestelle Brückenstraße, aussteigen.

Von beiden Haltestellen aus geht es dann zu Fuß weiter und den Heiligenberg hinauf, der mitunter recht steil ist. Ausreichend festes Schuhwerk statt Flip-Flops und ein Rucksack statt Umhängetasche sind sehr ratsam. Man folgt dem Philosophenweg , einem Radweg- und Wanderweg, von der Haltestelle Brückenstraße ausgehend. Er ermöglicht einen vielgerühmten Ausblick auf die Heidelberger Altstadt und das Schloss sowie den Neckar. Von der Haltestelle Hans-Thoma-Straße aus führt der Weg auf einer ausgebauten und geteerten Autostraße auf den Berg. Hier könnten auch ein gemieteter Bus oder organisierte Fahrgemeinschaften die SuS zur Thingstätte befördern. Unser Vorschlag wäre eine Wanderung auf dem Philosophenweg, eine Rast vor Erreichen der Thingstätte (hier bietet sich die Ruine des Stefansklosters besonders an, da sie ebenfalls einen Ausblick auf die Altstadt erlaubt und viele Sitzmöglichkeiten bietet) und dann die Erkundung der Stätte selbst. Der Rückweg könnte dann mit Auto/Bus erfolgen. Zu den Kosten für die Hin-und Rückfahrt kommen keine weiteren Positionen hinzu, denn die Thingstätte ist für jeden frei zugänglich und es gibt auf dem gesamten Fußmarsch und auf dem Berg keine Einkaufsmöglichkeiten. Es muss also zumindest ein Teil der Verpflegung für den Tag mitgebracht werden.

Erzieherische Vorbereitung

Ein dem Ort angemessenes Verhalten wird von SuS erwartet. Man sollte die Klasse über Verhaltensregeln und Konsequenzen bei eventuellem Fehlverhalten aufklären. Die Verhaltensregeln wie auch die Konsequenzen bei deren Nichtbeachtung sollten sowohl SuS als auch deren Eltern schriftlich erhalten und eventuell unterschreiben. Gerade in der Kirche des Klosters sollen sich SuS respektvoll und ruhig verhalten. Auch auf der Thingstätte Heidelberg wird erwartet, dass sich in dem weitläufigen Waldgebiet niemand ohne Abmeldung von der Gruppe entfernt. Frei verfügbare Zeit wird es anschließend geben, wenn die Gruppen- und Ausflugsregeln entsprechend eingehalten wurden.

Je nach Grad der Selbstständigkeit der SuS kann im Klassenzimmer vorab oder direkt vor Ort das Vorgehen bei der Bearbeitung der Aufgaben geklärt werden oder differenzierende Hilfestellungen (Scaffolding) verschiedenen Grades zusammen mit den Arbeitsaufträgen gegeben werden. Die Arbeitsaufträge sollen klar formuliert sein und eventuelle Fragen der SuS geklärt werden.

Die SuS können sich eigenständig nach Sympathie oder Interesse am Thema in Gruppen von idealerweise 3 Personen aufteilen. Alternativ kann dies die Lehrkraft übernehmen, um Kriterien wie Motivation, Kenntnisstand und Verhalten zu berücksichtigen.Regeln zu Benutzung von Handys sind unerlässlich und individuell zu formulieren. Oft problemlos akzeptiert wird folgender Vorschlag, da er gut zu begründen ist: Während der Fahrt zum Exkursionsort können die Handys von den SuS genutzt werden (Fotos können anschließend ausgetauscht werden!) und vor Beginn der Erkundung oder anderen Vorgehensweisen eingesammelt werden.Das Verhältnis von „Arbeitszeit“ und „Freizeit“ und die Pausen zum Essen sollten kommuniziert und begründet werden, um Diskussionen vor Ort zu vermeiden.

Das geschichtsdidaktische Potenzial

Beide Lernorte sind „historische Stätten“ und damit Orte, an denen sich Ergebnisse menschlichen Handelns in realen Zeugnissen manifestieren. Im Falle des Klosters Maulbronn ist dies offensichtlich, im Falle der Thingstätte Heidelberg in weniger offensichtlicherer, speziellerer Form. Dabei handelt es sich gleichermaßen um Orte, die für die lokale oder regionale geschichtliche Entwicklung Bedeutung haben [38].Die Lernenden sollen im Aufspüren, Entdecken, Erkunden und Wahrnehmen Spuren der Geschichte erkennen und erleben können, dass geschichtliche Entwicklungen auch durch räumliche Begebenheiten beeinflusst werden und sich auf die räumlichen Verhältnisse auswirken[39].

Kloster Maulbronn

Im Falle des Klosters Maulbronn findet man eine geeignete Landschaft für die Anlegung umfangreicher Wassersysteme (großes System an Seen,Weiher, Teiche,Wassergräben) vor, die für die Regulierung und den Bedarf des Mühlenantriebs betätigt werden konnten. Dem feuchten Gebiet wurde ein verzweigtes Grabensystem zur Entwässerung entgegengesetzt; die Salzach nutzte man damals schon für ein Abwassersystem.

Darüber hinaus war eine effiziente Landwirtschaft möglich, es wurden Wirtschaftshöfe und Weinberge über mehrere Geländestufen angelegt. Diese anfängliche Infrastruktur konnte sich über Jahre hinweg zu einer ganzen Stadt entwickeln und befand sich in einem andauernden Entwicklungszustand.

Thingstätte Heidelberg

Die Thingstätte ragt hoch über der Stadt auf dem Heiligenberg; die Kulisse allein besitzt bereits einen beeindruckenden Effekt. In der Stätte selbst zeigt sich, dass die Sprache, aufgrund des Schalls, sehr gut nutzbar ist. Auch die Fokussierung auf den Redner unterstreicht diesen Effekt.

Folgend werden besondere geschichtsdidaktische Aspekte aufgeführt.

Realität und Permanenz

Sowohl die Thingstätte als auch das Kloster Maulbronn sind aus Stein gebaut und strahlen „Wirklichkeitscharakter und Dauerhaftigkeit“ [40]aus. Im Falle des Klosters wurden seit der Errichtung im Jahre 1147 Öffnungen von Wänden vorgenommen und an anderen Stellen Öffnungen verschlossen, aber man kann auch hier noch die ursprüngliche Struktur erkennen. Desweiteren zeugen diese baulichen Veränderungen vom veränderten Gebrauch der Räume. An der Thingstätte sind keine baulichen Veränderungen vorgenommen worden.

Beide Exkursionsziele können wie so viele andere historische Orte mit allen Sinnen „begriffen“ werden [41]. Der jeweilige historische Ort hat für Lernende, die in dessen näherer Umgebung wohnen, immer auch eine besondere Bedeutung. Im Falle der Thingstätte Heidelberg erleben SuS einen großen Überraschungseffekt, wenn sie plötzlich mitten im Wald auf die Anlage stoßen.

Beide Lernorte ermöglichen das Lernen mit allen Sinnen, man kann ihn besehen, begehen, anfassen, im wörtlichen Sinne begreifen, betasten, beriechen, vermessen [42].Die Schüler werden auf einer emotionalen Ebene angesprochen, denn es handelt sich um etwas Altes und Ehrwürdiges, welches damals von historisch realen Menschen erdacht, hergestellt und genutzt wurde. Die Beständigkeit der Anlagen, welche Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte überdauern, wirkt auf die Schülerinnen und Schüler und kann im günstigen Fall das Interesse der SuS wecken, die Spuren vergangener Geschehnisse auffindbar zu machen. Darüber hinaus hat diese Beständigkeit auch einen unterrichtspraktischen Effekt, denn der Lernort steht prinzipiell immer zur Verfügung und kann zu jeder Tageszeit und bei jedem Wetter wieder aufgesucht werden[43].

Entscheidet man sich für mehrmalige Besuche (zum Beispiel mittags bei Sonnenschein, an einem trüben Tag oder in der Abenddämmerung) bekommen die SuSjeweils andere Eindrücke. Diese können in eine differenziertere Gesamterfassung des Objekts miteinbezogen werden[44].

Originalität, Anschaulichkeit und Imagination

Im Gegensatz zu mobilen Sachquellen, die zur besseren Anschaulichkeit und zur Anregung der Imagination „re-kontextualisiert“ werden, ist dies bei historischen Lernorten wie dem Kloster Maulbronn und der Thingstätte Heidelberg nicht notwendig. Die bereits mitgebrachte Vorstellungskraft ermöglicht es den SuS, sich den Ort als etwas Lebendiges vorzustellen [45] und durch Anschauung historischen Begriffen sinnliche Kraft zu geben. Orte, die real erlebbar sind, sind in der Lage das entdeckende Lernen[46]anzuregen, denn kein anderes Medium besitzt eine solche Anschaulichkeit hinsichtlich originaler Farbe, Form, Größe und Dreidimensionalität [47].Schon alleine die „räumliche“ Erfahrung durch Begehen, „künstlerische und architektonische Wirkung oder die Symbolhaftigkeit“ [48] veranschaulichen dies und machen die Objekte erlebbar.

Kloster Maulbronn

Im Kloster wird das Vorstellungsvermögen der SuS gefördert, welche anhand der aufgefundenen Gegebenheiten die Lebensumstände und die Lebenskultur der historischen Menschennachempfinden. Gerade die Kälte, die man während der Begehung in den alten Gemäuern erfährt, regt diese an. Durch die komplett erhaltene Klosteranlage mit den einzelnen Funktionsgebäuden ist es den SuS möglich, die Lebens- und Arbeitswelt von Menschen der Vergangenheit [49]nachzuvollziehen. Hier wird durch vorgegebene Informationen die Vorstellungskraft anregt.

Thingstätte Heidelberg

Im Falle der Thingstätte Heidelberg besonders herauszustellen ist die Tatsache, dass hier wirklich eine multiperspektivische Erschließung durch die problemlose Entfernung der Hinweistafeln möglich wird. Die SuS haben also keinerlei Informationen, sondern betreten die Anlage und beginnen sie zu erkunden. Die Hypothesen, die sie automatisch bilden und sicher auch artikulieren werden, können sie weiteren Verlauf der Erkundung und der Arbeit auf eine eventuelle Präsentation hin selbst überprüfen. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass die Thingstätte selbst keine eindeutigen Hinweise liefert, die eine Identifizierung ihrer Funktion ermöglichen. Erst das Lesen der Hinweistafeln ließe eine eindeutige Feststellung der Erbauer, der Funktion und Nutzung zu. Die SuS erhalten aber andererseits die seltene und wertvolle Möglichkeit, die fachwissenschaftliche Arbeitsweise des Historikers nachzuvollziehen, der einen Fund analysiert.

Bei der Thingstätte Heidelberg werden die zwei Informationstafeln abgedeckt. Somit ermöglicht die Stätte unmittelbare und offene Zugangs- und Interpretationsweisen [50].Da hier keine Deutungen vorgegeben werden, kann der echte, begreifbare Gegenstand auf ganzheitliche und gleichzeitig differenzierte, individuell oder sozial verschiedene Weise wahrgenommen und bewertet werden[51].Resultierend wird hier das geschichtsdidaktische Prinzip der Multiperspektivität gefordert.


Authentizität und Historizität

Schriftliche Quellen, Bildquellen und bildliche Reproduktionen ermöglichen den SuS kaum emotionalen Zugang und lassen eine zeitliche Distanz nur schwer erahnen. Die immobilen Quellen hingegen sprechen durch Originalität und Anschaulichkeit für sich selbst, was man historische Authentizität nennen kann[52]. Sachliche Relikte bleiben in der Regel stumm, weshalb jedem Einzelnen ermöglicht wird, eigene Erkenntnisarbeit zu leisten. Die daraus resultierende Mehrdeutigkeit führt wiederum zur Multiperspektivität. So erhalten das Kloster Maulbronn und die Thingstätte Heidelberg für jeden einzelnen Schüler einen eigenen Charakter, bei dem es gilt sich auszutauschen, um eine Mehrdeutigkeit zu erzeugen.

Das Interesse an der eigenen Region kann die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Geschichte fördern, weshalb es günstig ist, regionale Orte wie das Kloster Maulbronn oder die Thingstätte Heidelberg zu wählen. Historische Orte vermitteln das Prinzip der Historizität[53], kurz gefasst sind sie also auch Zeuge geschichtlicher Veränderungen, denn die Orte existieren nicht mehr genauso wie damals.

Im Kloster Maulbronn ist das gerade durch die verschiedenen Baustile, zugemauerte Durchgänge, geöffneten Räumen u.v.m. sehr gut zu erkennen. Auch die Thingstätte durchlebte in den Jahren klimatisch und ökonomische bedingte Veränderungen, welche ersichtlich sind. Beide Objekte werden heute auch nicht mehr in der Form wie damals genutzt und zeigen, dass sie sich in einem kontinuierlichen Wandel befinden.

Funktionen

Bei der Thingstätte Heidelberg ist eine gezielte einmalige Tagesexkursion angedacht, bei der die historische Stätte Gegenstand historischen Lernens ist. Alle Informationen werden unter Anleitung eigenständig erarbeitet.

Das Kloster Maulbronn ist sehr vielfältig und bietet ein breites Spektrum von Perspektiven und Themen an, mithilfe derer man das Kloster erforschen könnte. Deshalb wäre ein mehrfacher Besuch notwendig, um mehrere Aspekte erarbeiten zu können. Ein Manko stellt hierbei allerdings die beschränkte Erkundungsweise dar, da es den SuS nicht erlaubt ist, eine eigenständige Untersuchung durchzuführen. Hier würden sich Projekte über einen längeren Zeitraum wie z.B. Wanderwochen o.Ä. anbieten. Je nachdem könnte dies durch einen Besuch in Museen und Archiven ergänzt werden. Im Kloster Maulbronn findet man auch diese vor Ort vor.

Kompetenzen

Die Kompetenzen bestehen aus den drei Idealtypen „Erkundung“ an sich [54], „Rekonstruktion historischer Ereignisse“ [55] und „Hinterfragen gedeuteter Geschichte“ [56].Die Erkundung besteht in der Untersuchung der Bindung des historischen Ortes an den Raum. Hier können die Fragen , die Schreiber aufwirft [57], gestellt werden.

Kloster Maulbronn

Erkundung

  • Warum liegt das Kloster gerade hier? Wie beeinflusste diese Lage die Entwicklung der Umgebung? Der Ort Maulbronn entstand, wie viele Siedlungen, erst durch den Bau des Klosters. Das Kloster wiederum wurde an einem Ort gebaut, welcher für ein Kloster günstige Bedingungen bot.
  • Es kann untersucht werden, inwiefern Maulbronn ein „typisches“ Kloster ist.
  • Durch die baulichen Veränderungen im Kloster, besonders die Öffnung des zuvor streng abgegrenzten Bereiches der Laienbrüder, kann Kontinuität und Wandel der Funktion des Klosters gezeigt werden.

Im Fall des Klosters Maulbronn sind für die Rekonstruktion historischer Ereignisse vor allem Quellen wertvoll, die nicht in den Klostergebäuden selbst zu finden sind. Beispielsweise wäre es möglich anhand von Protokollen der Kapitelsitzungen die Gesprächsführung und den Ablauf nachzuvollziehen. Hernach könnte in verteilten Rollen ein Thema nach diesem Schema diskutiert werden.

Thingstätte Heidelberg

Während des Aufenthaltes auf dem Heiligenberg sollen die SuS im Zuge der Erkundung (siehe unten) die akustischen Verhältnisse testen. Daher bietet es sich an, die SuS eine kurze Rede halten oder ein Gedicht vorzutragen zu lassen. Auf diese Weise können die SuS nachempfinden, wie man sich die Atmosphäre auf der Thingstätte vorzustellen hat.

Für das Hinterfragen gedeuteter Geschichte bieten beide Orte keine Anhaltspunkte.

Methoden

Als Methoden stehen wie oben beschrieben „Wahrnehmung und Erkundung“ [58], „Aufarbeitung durch Analyse und Deutung“ [59] und die „Präsentation der Ergebnisse“ [60]zu Verfügung.

Wahrnehmung und Erkundung kann im Grad der Lenkung variieren. Für die beiden hier vorgestellten historischen Lernorte gibt es nach unserer Kenntnis keine historischen Lernpfade. Vielmehr sollen unsere Überlegungen zur Thingstätte Heidelberg in Zukunft als solche dienen.Im Falle der Thingstätte finden keine Führungen statt.

Kloster Maulbronn

Kloster und Kirche können im Kloster Maulbronn nur im Rahmen einer Führung betreten werden. Expertenkenntnisse des Personals können also in die Wahrnehmung und Erkundung mit einfließen.

Im Kloster Maulbronn dürfen SuS sich nicht unbeaufsichtigt aufhalten. Freies Entdecken und Sammeln von Eindrücken und Informationen ist dagegen auf der Thingstätte Heidelberg keine „Gefahr“, die es laut Mayer zu meiden gilt [61], sondern das Gebot der Stunde und ausdrücklich erwünscht. Selbstverständlich erfolgt die Erkundung durch „gelenktes Entdeckenlassen“ [62] und durch „Beobachtungs- und Handlungsaufträge“ [63]. Hier können auch die unterschiedlichen Interessen der SuS einfließen, da verschiedene Arbeitsaufträge angeboten werden können. Im Falle der Thingstätte Heidelberg befinden sich vor Ort zwei Hinweistafeln, die leicht abgedeckt werden können.

Die SuS haben den Auftrag im Kloster Maulbronn…

  • …Räume ausmessen und berechnen (Bsp. Kapitelsaal: Wieviele Menschen passten hinein). Hierzu können die SuS
  • …die Sitzordnung des Kapitels zeichnen (wenn Quelle zugänglich).
  • …die Spuren der Klosterschüler als Beweis für deren Existenz fotografieren (Einkerbungen/Graffiti).
  • …beschreiben, wie das Alltagsleben der Klosterbewohner aussah
  • …zeigen, wie ein Tagesablauf in der Klausur aussah
  • …die verschiedenen Bereiche und Räumlichkeiten des Klosters benennen
  • …vormachen, wie die Klosterschüler im Chorgestühl beteten
  • …erläutern, warum die Räumlichkeiten teilweise doppelt vorhanden sind
  • …die Klosterregeln vortragen.
  • …berichten, wie sie sich in der Kirche fühlen
  • …Spuren des konkreten Lebens der Klosterschüler suchen
  • …schätzen, wieviele Menschen in die Sitzbänke der Kirche passen
  • …den berühmten Klosterbrunnen skizzieren
  • …das Klostergelände abschreiten, um eine Vorstellung der Größenordnung zu erhalten
  • …fragen, was nicht verstanden wurde
  • …hinterfragen des Schweigegelübdes
  • …raten, wie viele Klosterschüler in den Speisesaal passten
  • Karten, Lagepläne und Grundrisse des Klosters erstellen


Die SuS haben den Auftrag auf der Thingstätte Heidelberg…

  • …die ungefähre Breite, Länge und Höhe auszumessen (siehe auch abschreiten).
  • …einen Grundriss zu zeichnen.
  • …durch eine Sitzprobe (z. B. wie viele Personen können auf einem Meter Sitzreihe Platz finden) die Personenzahl zu berechnen, die auf den Rängen Platz findet (zuvor siehe raten).
  • …die Anlage zu fotografieren
  • …die möglichen Geschehnisse auf der Thingstätte wie das Halten einer Rede oder eine Theateraufführung (je nach dem was die SuS sich vorstellen) mit applaudierendem Publikum bzw. aufführenden Darstellern in Standbildern fotografisch festzuhalten.
  • …durch Filmaufnahmen die gute Akustik zu dokumentieren (filmen).
  • …zu beschreiben, was um die Anlage herum zu sehen ist (oder eben nicht)und wie sie in die Landschaft eingebettet ist.
  • …zu zeigen, wo die höchste Sitzstelle ist.
  • …die Bestandteile der Anlage zu benennen.
  • …vorzumachen, wie man auf der Bühne vielleicht agiert haben könnte (siehe auch skizzieren).
  • …zu erläutern, wie man sich an diesem Ort fühlt.
  • …ein Gedicht oder eine Rede (für die Wahl zum Klassensprecher etwa)vorzutragen, um die Akustik zu testen. Die SuS können so selbst feststellen, dass man Gesprochenes ohne Mikrophon bis in die obersten Reihen hören kann.
  • …anderen Gruppen während der Erkundung zu berichten. Hier ist eine Ausweitung auf das Berichten/Präsentieren vor anderen Klassen oder den Eltern denkbar.
  • …nach dem Platz zu suchen, von dem aus man am besten hört.
  • …zu schätzen, wieviele Leute auf den Sitzrängen Platz finden.
  • …ein mögliches Ereignis auf der Thingstätte zu skizzieren.
  • …den Umfang der Anlage abschreiten, um eine Größenordnung festzulegen. Als Hilfsmittel kann die eigene Schrittlänge dienen, falls (zufälligerweise natürlich) kein Zollstock oder Maßband zur Hand ist. Später muss dann die Schrittlänge der SuS, die das Gelände „vermessen“ haben, festgestellt werden.
  • …nach weiteren Informationen zufragen. (Stadt Heidelberg/Schutzgemeinschaft)
  • …zu raten, wofür die Anlage da ist und wann sie gebaut wurde.
  • …Karten, Lagepläne und Grundrisse zu erstellen.

Die folgenden Schritte Analyse und Deutung und Präsentation der Ergebnisse sind als eng verzahnt zu betrachten. Während der Erkundung und/oder nach Rückkehr in die Schule bzw. in den nachfolgenden Tagen ist in jedem Fall auch eine Präsentation der Ergebnisse der Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit nötig, um allen SuS alle gesammelten Informationen zugänglich zu machen. Im Falle der Thingstätte ist die Beantwortung der Frage nach der Funktion und die zeitliche Verortung des Baus zu leisten, wenn dies nicht schon vor Ort geschieht.

Zur Präsentation der Ergebnisse bietet es sich gerade bei der Thingstätte an, Führungsblätter zu erstellen. Diese können anderen Klassen zur Information, Überarbeitung und Erweiterung angeboten werden. Eine Evaluation/Reflexion in Form von Selbst- und/oder Fremdevaluation sollte nicht fehlen.Frage an Tutoren: Falls es zu Selbst- und Fremdevaluation einen WIKI-Eintrag gibt, könnte man diesen dann vlltverlinken?

Belege

Literatur

Burk, Karlheinz & Claussen Claus: Lernorte außerhalb des Klassenzimmers I, Didaktische Grundlegung und Beispiele, Arbeitskreis Grundschule e.V., Beiträge zur Reform der Grundschule, Band 45. Frankfurt am Main 1980 „Comenius, Johann A.:“ Große Didaktik. Stuttgart 7.Auflage 1992

Dühlmeier, Bernd: Außerschulische Lernorte in der Grundschule. Baltmannsweiler 1. Auflage 2008

Hey, Bernd: Die historische Exkursion – Zur Didaktik und Methodik des Besuchs historischer Stätten, Museen und Archiven. Stuttgart 1978

Mayer, Ulrich: Historische Orte als Lernorte. In: Mayer, Ulrich/Pandel, Hans –Jürgen/Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch Methoden des Geschichtsunterrich., Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag 2011, S. 389 – 407

Müller, Carla und Karin Stober (Hrsg.). Kloster Maulbronn, Deutscher Kunstverlag GmbH: Berlin/München, 2013.===“

Sauerborn, Petra & Brühne, Thomas: Didaktik des außerschulischen Lernens. Baltmannsweiler 4.Auflage 2012

Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung München (Hrsg.): Geschichte vor Ort – Anregungen für den Unterricht an außerschulischen Lernorten. Donauwörth 1999

Ziegler, Walter: Die historische Exkursion. In: Hasch, Rudolf (Hrsg.): Landesgeschichte und Exkursion im Geschichtsunterricht. Donauwörth. 1978, S.109-126

Einzelnachweise

  1. vgl. Hey 1978, 12
  2. vgl. Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung München 1999
  3. vgl. Ziegler 1978, 109
  4. vgl. Mayer 2011, 390
  5. vgl. Dühlmeier 2008, 7
  6. Dühlmeier 2008, 7
  7. Comenius 1992, 112
  8. Dühlmeier 2008, 8
  9. vgl. Dühlmeier 2008, 9
  10. vgl. Dühlmeier 2008, 9
  11. vgl. Dühlmeier 2008, 14
  12. vgl. Mayer 2011, 392
  13. vgl. Mayer 2011, 392
  14. vgl. Mayer 2011, 393
  15. Mayer 2011, 393
  16. vgl. 2011, 393
  17. vgl. Mayer 2011, 395
  18. Mayer 2011, 395
  19. Mayer 2011, 395
  20. vgl. Mayer 2011, 389
  21. vgl. Mayer 2011, 389
  22. vgl. Mayer 2011, S. 389
  23. vgl. Mayer 2011, 399
  24. vgl. Mayer 2011, 400
  25. vgl. Mayer 2011, 401
  26. vgl. Mayer 2011, 403-404
  27. vgl. Mayer 2011, 404-405
  28. vgl. Mayer 2011, 404-405
  29. Petra Sauerborn & Thomas Brühne: Didaktik des außerschulischen Lernens. 4. Aufl. Baltmannsweiler 2012
  30. Karlheinz Burk & Claus Claussen: Lernorte außerhalb des Klassenzimmers I, Didaktische Grundlegung und Beispiele, Arbeitskreis Grundschule e.V., Beiträge zur Reform der Grundschule, Band 45. Frankfurt am Main 1980
  31. Petra Sauerborn & Thomas Brühne: Didaktik des außerschulischen Lernens. 4. Aufl. Baltmannsweiler 2012
  32. Petra Sauerborn & Thomas Brühne: Didaktik des außerschulischen Lernens. 4. Aufl. Baltmannsweiler 2012
  33. vgl. Dühlmeier 2008, 156
  34. vgl. Dühlmeier 2008, 157
  35. Mayer, Ulrich. Historische Orte als Lernorte. In: Pandel, Hans-Jürgen, Ulrich Mayer und Gerhard Schneider (Hrsg.). Handbuch Methoden des Geschichtsunterrichts, Schwalbach/Taunus: Wochenschau Verlag 2011, 389 – 407
  36. Hinweistafel an der Thingstätte Heidelberg
  37. vgl. Mayer 2004, 402
  38. vgl. Mayer 2004, 392
  39. vgl. Mayer 2004, 392
  40. vgl. Mayer 2004, 392
  41. vgl. Mayer 2004, 392
  42. vgl. Mayer 2004, 392
  43. vgl. Mayer 2004, 393
  44. vgl. Mayer 2004, 392
  45. vgl. Mayer 2004, 393
  46. vgl. Mayer 2004, 393
  47. vgl. Mayer 2004, 393
  48. vgl. Mayer 2004, 393.394
  49. vgl. Mayer 2004, 393
  50. vgl. Mayer 2004, 393
  51. vgl. Mayer 2004, 393
  52. vgl. Mayer 2004, 394
  53. vgl. Mayer 2004, 394
  54. vlg. Mayer 2004, 398
  55. vlg. Mayer 2004, 400
  56. vlg. Mayer 2004, 401
  57. vgl. Schreiber 1998, 219
  58. vlg. Mayer 2004, 403
  59. vlg. Mayer 2004, 404
  60. vlg. Mayer 2004, 405
  61. vlg. Mayer 2004, 404
  62. Mayer 2004, 404
  63. Mayer 2004, 404