Bearbeiten von „Was ist Geschichtsbewusstsein?“
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In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns auf die zwei strukturanalytischen Ansätze von Karl-Ernst Jeismann und Hans-Jürgen Pandel. | |||
'''a) Strukturanalytischer Ansatz nach Jeismann:''' | |||
Generell bezieht sich Jeismann auf ein Geschichtsbewusstsein, das den Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive umfasst. Er beruft sich auf eine Definition von Schieder die besagt: | |||
''"Geschichtsbewusstsein meint die ständige Gegenwärtigkeit des Wissens, dass der Mensch und alle von ihm geschaffenen Einrichtungen und Formen seines Zusammenlebens in der Zeit existieren, also eine Herkunft und eine Zukunft haben, dass sie nichts darstellen, was stabil, unveränderlich und ohne Voraussetzungen ist."''<ref> Schieder 1974, 78f </ref> | |||
Für Jeismann hängt Geschichtsbewusstsein mit der erlebten Erfahrung der "Vergangenheitsdeutung, Gegenwartserhellung und Zukunftserwartung"<ref> Fritz et al. 2012, 35 </ref> zusammen. Im Kontext dieser drei Zeiten macht sich die zeithorizontspezifische Strukturierung fest und so wird Geschichtsbewusstsein zu einem Mischprodukt in dem sich die verschieden zeitlichen Horizonte vermengen. | |||
Dabei ist von Bedeutung, dass Geschichte kein Abbild einer Vergangenheit darstellt, sondern nur durch die Rekonstruktion anhand von Zeugnissen aus der Vergangenheit in das Bewusstsein treten kann: so ist durch Geschichtsbewusstsein, dass sich in der Rekonstruktion der Vergangenheit vollzieht, die Vergangenheit in der jeweiligen Gegenwart gegenwärtig. | |||
Hierbei tritt also das Wissen um die Geschichtlichkeit in den Vordergrund, wobei aber auch gleichzeitig die Bedeutung für die jeweilige Gegenwart ("Gegenwartserhellung") und die Zukunft betont wird, welche sich in der Zukunftserwartung äußert. | |||
Darüber hinaus muss klar sein, dass die Rekonstruktion der Vergangenheit an die Gegenwart gebunden ist, denn sie hängt ab von gegenwärtigen Möglichkeiten der Erkenntnis, Wünschen und Deutungen, sowie Fragestellungen. Letztendlich ist das Geschichtsbewusstsein eine dynamische Größe, denn es ist nicht nur von der Betrachtung der Vergangenheit abhängig, sondern kann auch durch veränderte Gegenwartserfahrungen oder Zukunftserwartungen beeinflusst werden. | |||
Neben der zeithorizontspezifischen Strukturierung ist auch die semantische Strukturierung von Bedeutung: so muss das Geschichtsbewusstsein sich "seiner selbst bewußt" sein und als weiteres Kennzeichen des Geschichtsbewusstseins tritt somit die Reflexivität hinzu. Das Ziel ist letztlich ''"einen reflektieren Zusammenhang vielfältiger Art zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu erkennen."''<ref> Jeismann 1988, 10-14 </ref> | |||
Dabei geht er im Wesentlichen von „drei methodisch unterscheidbaren Dimensionen der Erkenntnisleistung im Geschichtsbewusstsein“ aus:<ref> vgl. Schönemann 2012, 102 </ref> historische Sachanalyse, historisches Sachurteil und historisches Werturteil. Somit macht Jeismann das Geschichtsbewusstsein in Dimensionen fest die nicht voneinander getrennt, sondern als aufeinander wechselwirkend betrachtet werden sollen. Darüber hinaus können die drei Dimensionen auch für Unterrichtszwecke operationalisiert werden, was allerdings mit der analytischen Trennung der Dimensionen einhergeht um diese in [[Hilfen zur Bestimmung und Kontrolle von Lernzielen|Lernziel]]kriterien umzuwandeln. | |||
So vollzieht sich die Sachanalyse in der Fähigkeit zur Rekonstruktion von Vergangenem die, ausgehend von einer Fragestellung, versucht vergangene Ereignisse und Prozesse in einen Zusammenhang zu bringen. Mit dem Sachurteil wird ein Urteil aus der vergangenen Zeit, unter Berücksichtigung der vorherrschenden gesellschaftlichen, sowie politischen Umstände und Wertmaßstäben gefällt. Das Werturteil setzt das Geschehene in einen Zusammenhang mit gegenwärtigen Vorstellungen wie beispielsweise die Grund- und Menschenrechte und stellt einen Versuch dar Geschichte aus der Gegenwart heraus zu bewerten.<ref> vgl. Fritz et al. 2012, 68 </ref> | |||
'''b) Strukturanalytischer Ansatz nach Pandel''' | |||
Der zweite strukturanalytische Ansatz geht auf Hans-Jürgen Pandel zurück der das Geschichtsbewusstsein als mentale Struktur betrachtet und in drei Basiskategorien sowie vier soziale Kategorien, welche jeweils aufeinander verweisen, einteilt.<ref> vgl. Pandel 1987, 132 </ref> | |||
Die drei Basiskategorien bilden die Grundlage, auf welcher sich die vier sozialen Kategorien entwickeln können. Zu den Basiskategorien gehören das Temporal-, das Wirklichkeits- und das Historizitätsbewusstsein. | |||
[[Temporal- oder Zeitbewusstsein]] | |||
''"Temporalbewusstsein ist die Fähigkeit, mit der Zeit als Orientierungssystem umzugehen."'' Die Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind unabdingbar um Geschichte zu verstehen. Das Temporalbewusstsein bezieht sich auf die Länge der Zeitausdehnung, der Dichte von Ereignissen, nimmt wertende Zeitakzentuierungen vor und hat ein Zäsurbedürfnis. Außerdem zählt zum Temporalbewusstsein auch die Narrativierung von Zeit.<ref> vgl. Pandel 2005, 10 </ref> | |||
[[Wirklichkeitsbewusstsein]] | |||
Das Wirklichkeitsbewusstsein dient zur Unterscheidung von realen und fiktiven Ereignissen. Geschichte versucht anhand von Quellen das Vergangene möglichst real darzustellen. Das bedeutet allerdings nicht, dass fiktives aus dem Unterricht völlig auszublenden ist.<ref> vgl. Pandel, 2005, 11 </ref> | |||
[[Wandel- oder Historizitätsbewusstsein]] | |||
Das Wandelbewusstsein unterscheidet zwischen veränderbarem und unveränderlichem in historischen Begebenheiten. Es beinhaltet auch das Bewusstsein von verschiedenen Veränderungsgeschwindigkeiten. Nicht jeder Wandel ist direkt erfahrbar, da die eigene Zeit eine sehr begrenzte ist.<ref> vgl. Pandel 2005, 13 </ref> | |||
Nach der Entwicklung dieser drei Kategorien können die vier sozialen Kategorien zur Geltung kommen. | |||
[[Identitätsbewusstsein]] | |||
Das Identitätsbewusstsein zeigt dem Individuum auf, das es selbst und die sozialen Systeme in denen es sich befindet Veränderung erfahren und dennoch die gleichen bleiben. Die Zugehörigkeit zu bestimmten "Wir-Gruppen" ist immer kulturell (religiös, politisch,...) bedingt, deshalb spielt hier das Temporalbewusstsein eine Rolle, da sich Kultur oftmals über einen langen Zeitraum hin entwickelt. Einer Gefahr der sich das Identitätsbewusstsein zusammen mit dem moralischen Bewusstsein stellen muss sind die sozialen Vorurteile und Feindbilder, welche durch die Wir-Ihr-Differenzierung entstehen.<ref> vgl. Pandel 2005, 15 </ref> | |||
[[Politisches Bewusstsein]] | |||
Das politische Bewusstsein bewirkt ein Verständnis über die Asymmetrie der Verteilung von Macht-und Herrschaftsverhältnisse in gesellschaftlichen Systemen. Dabei ist die Frage der Legitimation der Verhältnisse immer von Bedeutung. Macht ist nicht nur als politisch zu betrachten, sondern auch Wirtschafts- und Finanzmacht oder Macht der [[Grundlagen Medien im Geschichtsunterricht| Medien]] werden zum Thema gemacht.<ref> vgl. Pandel 2005, 17 </ref> | |||
[[Ökonomisches Bewusstsein]] | |||
Das ökonomische Bewusstsein bestimmt die Wahrnehmung von sozialen Ungleichheiten. Dabei werden die Entstehung, die Verteilung und die Legitimation beachtet. Durch die Prozesshaftigkeit von gesellschaftlichen Schichtungen wird auch das Wandelbewusstsein tangiert.<ref> vgl. Pandel 2005, 18 </ref> | |||
[[Moralisches Bewusstsein]] | |||
Das moralische Bewusstsein stellt die Frage nach gut oder böse und versucht diese mit Hilfe von Regeln zu beantworten. Die Schwierigkeit liegt in der Vermittlung zwischen Vergangenem und heutigen Sichtweisen, da sich unter anderem Wertvorstellungen über die Jahrhunderte gewandelt haben.<ref> vgl. Pandel 2005, 20 </ref> | |||
== Geschichtsbewusstsein nach Pandel == | == Geschichtsbewusstsein nach Pandel == |