Bearbeiten von „Der Film - die Geschichtsdokumentation

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=== Didaktische Begründung – wieso müssen wir uns mit Filmen im GU beschäftigen? ===
=== Didaktische Begründung – wieso müssen wir uns mit Filmen im GU beschäftigen? ===


Wohl kein anderes [[Grundlagen Medien im Geschichtsunterricht| Medium]] hat in den vergangenen Jahrzehnten so viel für die Aufarbeitung von Geschichte beigetragen wie das Fernsehen samt seiner verschiedenen Filmgattungen. Geschichte im Fernsehen kann in verschiedenen Darstellungsformen auftreten wie beispielsweise als Dokumentarfilm, Filmdokument, Spielfilm, Reportage, Cartoon oder als klassischer Unterrichtsfilm. Oft geben sie einen faszinierenden Einblick in eine vergangene Zeit und beeinflussen dadurch historisches Interesse, Wissen, Verständnis und Bewusstsein Dies hat zur Folge, dass die Vermittlung von Geschichte im Fernsehen sich allmählich unter den bedeutsamen Punkten der [[Einführung in die Grundlagen der Fachdidaktik| Geschichtsdidaktik]] etabliert hat.
Wohl kein anderes Medium hat in den vergangenen Jahrzehnten so viel für die Aufarbeitung von Geschichte beigetragen wie das Fernsehen samt seiner verschiedenen Filmgattungen. Geschichte im Fernsehen kann in verschiedenen Darstellungsformen auftreten wie beispielsweise als Dokumentarfilm, Filmdokument, Spielfilm, Reportage, Cartoon oder als klassischer Unterrichtsfilm. Oft geben sie einen faszinierenden Einblick in eine vergangene Zeit und beeinflussen dadurch historisches Interesse, Wissen, Verständnis und Bewusstsein Dies hat zur Folge, dass die Vermittlung von Geschichte im Fernsehen sich allmählich unter den bedeutsamen Punkten der Geschichtsdidaktik etabliert hat.


Dass der Film im Geschichtsunterricht in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, hat durchaus seine Berechtigung. In unserer heutigen, zunehmend multimedialen Gesellschaft wird die heutige [[Grundlagen der Geschichtskultur|Geschichtskultur]] überwiegend durch medial vermittelte Bilder entwickelt. Historische Vorstellungen werden heute oftmals, wenn nicht sogar ausschließlich, durch historische Filme und Dokumentationen vermittelt, da diese leicht zugänglich sind und auch von jungen Menschen oft konsumiert werden. Historische Spielfilme können innere Vorstellungsbilder hervorrufen, sodass die Imagination der Schülerinnen und Schüler von geschichtlichen Vorgängen bereichert und differenziert wird. So kann beispielsweise ein bestimmtes Milieu, eine bestimmte Atmosphäre und Stimmung genauer vermittelt werden. Als Anschauungsmittel historischer Situationen und Bedingungen tragen sie „insbesondere auch für die historischen Persönlichkeiten, deren Reden usw., zu einer besseren Visualisierung und damit Vergegenwärtigung von Vergangenheit bei.“ <ref> Meyers: Geschichte lehren und lernen - Film im GU, 62 </ref>. Bereits vorhandene Kenntnisse können anhand Filme aller Art erweitert werden. Des Weiteren geben sie Aufschlüsse über das Auftreten von Personen, über Rituale, Veranstaltungen und Vorgänge aber auch über Reaktionen. Der Filmeinsatz greift die Inhalte nochmals auf, veranschaulicht diese, aber er dient auch der Vertiefung und Festigung der Themenschwerpunkte. Im Vergleich zur klassischen literarischen Geschichtsschreibung können all die Formen geschichtlicher Filmproduktionen das [[Was ist Geschichtsbewusstsein?|Geschichtsbewusstsein]] viel weitreichender bestimmen.  
Dass der Film im Geschichtsunterricht in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, hat durchaus seine Berechtigung. In unserer heutigen, zunehmend multimedialen Gesellschaft wird die heutige Geschichtskultur überwiegend durch medial vermittelte Bilder entwickelt. Historische Vorstellungen werden heute oftmals, wenn nicht sogar ausschließlich, durch historische Filme und Dokumentationen vermittelt, da diese leicht zugänglich sind und auch von jungen Menschen oft konsumiert werden. Historische Spielfilme können innere Vorstellungsbilder hervorrufen, sodass die Imagination der Schülerinnen und Schüler von geschichtlichen Vorgängen bereichert und differenziert wird. So kann beispielsweise ein bestimmtes Milieu, eine bestimmte Atmosphäre und Stimmung genauer vermittelt werden. Als Anschauungsmittel historischer Situationen und Bedingungen tragen sie „insbesondere auch für die historischen Persönlichkeiten, deren Reden usw., zu einer besseren Visualisierung und damit Vergegenwärtigung von Vergangenheit bei.“ <ref> Meyers: Geschichte lehren und lernen - Film im GU, 62 </ref>. Bereits vorhandene Kenntnisse können anhand Filme aller Art erweitert werden. Des Weiteren geben sie Aufschlüsse über das Auftreten von Personen, über Rituale, Veranstaltungen und Vorgänge aber auch über Reaktionen. Der Filmeinsatz greift die Inhalte nochmals auf, veranschaulicht diese, aber er dient auch der Vertiefung und Festigung der Themenschwerpunkte. Im Vergleich zur klassischen literarischen Geschichtsschreibung können all die Formen geschichtlicher Filmproduktionen das Geschichtsbewusstsein viel weitreichender bestimmen.  


Laut Gerhard Schneider gibt es keine Quelle und kein Medium, „das hinsichtlich seiner Intensität, seiner Faszination, Suggestivität, Ausdrucksstärke und Erlebnisqualität, aber auch seiner Genauigkeit und Realitätsnähe dem Film gleichkäme.“ <ref> Pandel & Schneider: Medien im GU, 370 </ref>. Bei einem Unterricht, in dem Filme miteinbezogen wurden, ergaben ausführliche Studien zur Lerneffektuierung im Geschichtsunterricht im Vergleich zu einem rein verbal ablaufenden Unterricht einen Leistungszuwachs von 20 %. <ref> vgl. Pandel & Schneider: Medien im GU, 366 </ref>. Es ist demnach nicht von der Hand zu weisen, dass Informationen, die sowohl über das Ohr als auch über das Auge aufgenommen werden, auch tiefgreifender und wirkungsvoller im Gedächtnis bleiben, als solche, die lediglich durch bloßes Lesen gewonnen werden. Dies führt dazu, dass mit dem Einsatz von Filmen im Geschichtsunterricht eine Steigerung der Lern- und Behaltensleistung erreicht werden kann.  
Laut Gerhard Schneider gibt es keine Quelle und kein Medium, „das hinsichtlich seiner Intensität, seiner Faszination, Suggestivität, Ausdrucksstärke und Erlebnisqualität, aber auch seiner Genauigkeit und Realitätsnähe dem Film gleichkäme.“ <ref> Pandel & Schneider: Medien im GU, 370 </ref>. Bei einem Unterricht, in dem Filme miteinbezogen wurden, ergaben ausführliche Studien zur Lerneffektuierung im Geschichtsunterricht im Vergleich zu einem rein verbal ablaufenden Unterricht einen Leistungszuwachs von 20 %. <ref> vgl. Pandel & Schneider: Medien im GU, 366 </ref>. Es ist demnach nicht von der Hand zu weisen, dass Informationen, die sowohl über das Ohr als auch über das Auge aufgenommen werden, auch tiefgreifender und wirkungsvoller im Gedächtnis bleiben, als solche, die lediglich durch bloßes Lesen gewonnen werden. Dies führt dazu, dass mit dem Einsatz von Filmen im Geschichtsunterricht eine Steigerung der Lern- und Behaltensleistung erreicht werden kann.  
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Die ausgelösten Emotionen können bei Lernenden auch eine motivationale Wirkung auslösen, und somit den Unterricht beleben. Da Langeweile bekanntermaßen schädlich für den Unterricht ist, können die Schülerinnen und Schüler mit dem Einsatz von Filmen durchaus zur Mitarbeit motiviert werden. Nicht immer sind Dokumentarfilme sehr anspruchsvoll, sei es in Hinblick auf den Inhalt oder die Ästhetik, weshalb seitens der Lernenden keine intellektuellen Fähigkeiten vorhanden sein müssen. Dadurch stößt der Filmeinsatz wohl kaum auf Ablehnung und wirkt für Leistungsschwächere motivierender als das Arbeiten mit Textquellen, das mehr Ansprüche stellt. Daraus ergibt sich für den Lehrer auch die Möglichkeit „auch mit solchen Schülern ins Gespräch zu kommen, denen der intellektuelle Zugang zur Geschichte zum Beispiel über Textquellen schwerfällt oder ihr Interesse weniger erreicht.“ <ref> Meyers: Geschichte lehren und lernen – Film im GU, 58 </ref>. Des Weiteren motivierend ist der Alltagsbezug. Der Einsatz von Filmen im Unterricht stellt für die Schülerinnen und Schüler auch einen vertrauten Umgang bzw. eine vertraute Beschäftigung dar und knüpft somit an heute gängige Formen der Informationsbeschaffung an.
Die ausgelösten Emotionen können bei Lernenden auch eine motivationale Wirkung auslösen, und somit den Unterricht beleben. Da Langeweile bekanntermaßen schädlich für den Unterricht ist, können die Schülerinnen und Schüler mit dem Einsatz von Filmen durchaus zur Mitarbeit motiviert werden. Nicht immer sind Dokumentarfilme sehr anspruchsvoll, sei es in Hinblick auf den Inhalt oder die Ästhetik, weshalb seitens der Lernenden keine intellektuellen Fähigkeiten vorhanden sein müssen. Dadurch stößt der Filmeinsatz wohl kaum auf Ablehnung und wirkt für Leistungsschwächere motivierender als das Arbeiten mit Textquellen, das mehr Ansprüche stellt. Daraus ergibt sich für den Lehrer auch die Möglichkeit „auch mit solchen Schülern ins Gespräch zu kommen, denen der intellektuelle Zugang zur Geschichte zum Beispiel über Textquellen schwerfällt oder ihr Interesse weniger erreicht.“ <ref> Meyers: Geschichte lehren und lernen – Film im GU, 58 </ref>. Des Weiteren motivierend ist der Alltagsbezug. Der Einsatz von Filmen im Unterricht stellt für die Schülerinnen und Schüler auch einen vertrauten Umgang bzw. eine vertraute Beschäftigung dar und knüpft somit an heute gängige Formen der Informationsbeschaffung an.


Mit der Verwendung von Filmen im Unterricht können die Schülerinnen und Schüler auch für ihren privaten Filmkonsum dazu lernen, da solch ein Unterricht die allgemeine Medienkompetenz fördert. Der Lehrer kann sie zu einem reflektierten Umgang mit diesen geschichtskulturellen Erzeugnissen der Vergangenheit und Gegenwart befähigen. Beispielsweise anhand einer kritischen [[Der Film/Filmanalyse|Filmanalyse]] werden die Lernenden dazu aufgefordert, diese Medien genauer unter die Lupe zu nehmen, zu hinterfragen und somit differenzierter zu beurteilen. Sie lernen, dass jeder Film, gar jede vermeintlich neutrale Dokumentation, letztendlich im gewissen Maße subjektiv ist und lediglich versucht ein Bild von damals zu zeigen. Es ist äußerst wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler jedoch letzten Endes erkennen, dass jedes Filmprodukt nicht 1:1 zeigt, wie es wirklich damals gewesen ist. Für den Umgang mit Medien, sei es in der Schule oder Zuhause, ist diese Arbeit für die Lernenden äußerst lehrreich. Peter Meyers spricht den Medienerziehern ebenfalls eine wichtige Rolle zu und äußert sich in seinem Buch wie folgt darüber: „Der Film als Quelle und der Film als Produkt und Faktor von Geschichtsbewusstsein sind wichtige Felder des Medienerziehers und Geschichtslehrers in der Schule und damit selbstverständlich auch des Geschichtsdidaktikers“. <ref> Meyers: Geschichte lehren und lernen – Film im GU, 39 </ref>.
Mit der Verwendung von Filmen im Unterricht können die Schülerinnen und Schüler auch für ihren privaten Filmkonsum dazu lernen, da solch ein Unterricht die allgemeine Medienkompetenz fördert. Der Lehrer kann sie zu einem reflektierten Umgang mit diesen geschichtskulturellen Erzeugnissen der Vergangenheit und Gegenwart befähigen. Beispielsweise anhand einer kritischen Filmanalyse werden die Lernenden dazu aufgefordert, diese Medien genauer unter die Lupe zu nehmen, zu hinterfragen und somit differenzierter zu beurteilen. Sie lernen, dass jeder Film, gar jede vermeintlich neutrale Dokumentation, letztendlich im gewissen Maße subjektiv ist und lediglich versucht ein Bild von damals zu zeigen. Es ist äußerst wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler jedoch letzten Endes erkennen, dass jedes Filmprodukt nicht 1:1 zeigt, wie es wirklich damals gewesen ist. Für den Umgang mit Medien, sei es in der Schule oder Zuhause, ist diese Arbeit für die Lernenden äußerst lehrreich. Peter Meyers spricht den Medienerziehern ebenfalls eine wichtige Rolle zu und äußert sich in seinem Buch wie folgt darüber: „Der Film als Quelle und der Film als Produkt und Faktor von Geschichtsbewusstsein sind wichtige Felder des Medienerziehers und Geschichtslehrers in der Schule und damit selbstverständlich auch des Geschichtsdidaktikers“. <ref> Meyers: Geschichte lehren und lernen – Film im GU, 39 </ref>.
 
Den Kritikern lässt sich entgegnen, dass der Einsatz von Film in seinen verschiedenen Darstellungsformen im Geschichtsunterricht zu Recht immer mehr Zuspruch erfährt. Es scheint, als werde keinem anderen Medium mehr geglaubt bzw. kein anderes Medium scheint für die Schülerinnen und Schüler authentischer zu sein. Der Film fördert Identifikation und die Bereitschaft, sich in die gezeigte Geschichte hineinzuversetzen. Wie kein anderes Medium verdeutlicht er Vergangenes - wenn auch nicht wahrheitsgetreu - und lässt anhand der Unmittelbarkeit Lernende nicht nur direkt daran teilhaben, sondern sie auch ihre Emotionen freisetzen. Besonders Dokumentationen können in geschichtsdidaktischer Hinsicht gelungen sein. Diese sind oftmals problemorientiert ausgelegt, integrieren multiperspektivische Quellen und thematisieren oftmals Kontroversen, um ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein anzubahnen. <ref> vgl. Barricelli, Lücke: Handbuch Praxis des GU, 165 </ref> Die Vorzüge des Mediums Film im Geschichtsunterricht abzurunden, eignet sich ein Zitat aus Pandels & Schneiders Werk: „Da Filme viele Sinne ansprechen, können sie folglich auch viel leisten.“ <ref> Pandel & Schneider: Medien im GU, 378 </ref>.  


Den Kritikern lässt sich entgegnen, dass der Einsatz von Film in seinen verschiedenen Darstellungsformen im Geschichtsunterricht zu Recht immer mehr Zuspruch erfährt. Es scheint, als werde keinem anderen Medium mehr geglaubt bzw. kein anderes Medium scheint für die Schülerinnen und Schüler authentischer zu sein. Der Film fördert Identifikation und die Bereitschaft, sich in die gezeigte Geschichte hineinzuversetzen. Wie kein anderes Medium verdeutlicht er Vergangenes - wenn auch nicht wahrheitsgetreu - und lässt anhand der Unmittelbarkeit Lernende nicht nur direkt daran teilhaben, sondern sie auch ihre Emotionen freisetzen. Besonders Dokumentationen können in geschichtsdidaktischer Hinsicht gelungen sein. Diese sind oftmals problemorientiert ausgelegt, integrieren [[Grundlagen der Multiperspektivität| multiperspektivische]] Quellen und thematisieren oftmals Kontroversen, um ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein anzubahnen. <ref> vgl. Barricelli, Lücke: Handbuch Praxis des GU, 165 </ref> Die Vorzüge des Mediums Film im Geschichtsunterricht abzurunden, eignet sich ein Zitat aus Pandels & Schneiders Werk: „Da Filme viele Sinne ansprechen, können sie folglich auch viel leisten.“ <ref> Pandel & Schneider: Medien im GU, 378 </ref>.


=== Didaktische Aspekte des Filmeinsatzes ===
=== Didaktische Aspekte des Filmeinsatzes ===


Entscheidet sich eine Lehrkraft bei der Planung einer Unterrichtseinheit für die Verwendung eines Films um ein Unterrichtsziel zu erreichen, muss diese unter dem gewaltigen Angebot an Filmen zunächst einmal den passenden heraussuchen und sich dann anschließend gründlich überlegen, wann und zu welchem Zwecke er diesen in den Unterricht einbauen möchte. Es hängt von der Intention ab, ob man dieses Medium als Unterrichtseinstieg, in der Erarbeitungsphase, zur Wiederholung, zur Vertiefung des Gelernten oder aber zur Transferbildung verwendet. Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Filme jeglicher Gattung und jeglichen Genres, sinnvoll in den Unterricht integriert werden sollen. Das bedeutet auch, dass sich, trotz immer noch hoher Beliebtheit, die letzte Stunde vor den Ferien nicht als sinnvoll erweist, da es in diesem Fall eher der angenehmen Füllung der letzten Stunde dient.  Die Lehrkraft muss sich darüber im Klaren sein, dass ein Film kein „Selbstläufer“ ist und die Schülerinnen und Schüler ihm nicht einfach so ohne jegliche Auswertung ausgesetzt werden sollen. <ref> vgl. Meyers: Geschichte lehren und lernen – Film im GU, 59 </ref>. Wie für alle anderen Lehrmittel gilt auch hier, dass „kein [[Grundlagen Medien im Geschichtsunterricht| Medium]] aus sich selbst heraus als Lehrmittel legitimiert ist“ <ref> Pandel & Schneider: Medien im GU, 369 </ref> und deshalb zunächst einmal didaktische Erwägungen in Betracht gezogen werden müssen, um zu erkennen, ob der Einsatz eines Filmes sich als sinnvoll herausstellt oder nicht.  
Entscheidet sich eine Lehrkraft bei der Planung einer Unterrichtseinheit für die Verwendung eines Films um ein Unterrichtsziel zu erreichen, muss diese unter dem gewaltigen Angebot an Filmen zunächst einmal den passenden heraussuchen und sich dann anschließend gründlich überlegen, wann und zu welchem Zwecke er diesen in den Unterricht einbauen möchte. Es hängt von der Intention ab, ob man dieses Medium als Unterrichtseinstieg, in der Erarbeitungsphase, zur Wiederholung, zur Vertiefung des Gelernten oder aber zur Transferbildung verwendet. Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Filme jeglicher Gattung und jeglichen Genres, sinnvoll in den Unterricht integriert werden sollen. Das bedeutet auch, dass sich, trotz immer noch hoher Beliebtheit, die letzte Stunde vor den Ferien nicht als sinnvoll erweist, da es in diesem Fall eher der angenehmen Füllung der letzten Stunde dient.  Die Lehrkraft muss sich darüber im Klaren sein, dass ein Film kein „Selbstläufer“ ist und die Schülerinnen und Schüler ihm nicht einfach so ohne jegliche Auswertung ausgesetzt werden sollen. <ref> vgl. Meyers: Geschichte lehren und lernen – Film im GU, 59 </ref>. Wie für alle anderen Lehrmittel gilt auch hier, dass „kein Medium aus sich selbst heraus als Lehrmittel legitimiert ist“ <ref> Pandel & Schneider: Medien im GU, 369 </ref> und deshalb zunächst einmal didaktische Erwägungen in Betracht gezogen werden müssen, um zu erkennen, ob der Einsatz eines Filmes sich als sinnvoll herausstellt oder nicht.  


Generell muss die Lehrkraft vorab viel Vorarbeit und -überlegeungen leisten. Mehr als man zunächst denken mag. Schon allein pragmatische Überlegungen wie das Beherrschen der Apparate (DVD Player, Videorecorder, Beamer, Fernseher...usw.) und ihrer jeweiligen Einstellungen gehört dazu. In manchen Fällen müssen diese Apparate gar erst einmal organisiert, oder ein entsprechender Raum reserviert werden, da leider nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass diese zur Verfügung stehen. Ebenso müssen die psychologischen Bedeutungen der Vorführart mitberücksichtigt werden. Dazu gehört auch die Klärung, ob der geplante Film von den Schülerinnen und Schülern überhaupt psychisch aber auch intellektuell verarbeitet werden kann. Die (Medien-)Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, das Alter der Zuschauer bzw. die Altersmäßigkeit des Materials und die Kenntnisse der Quellenkritik spielen dabei eine Rolle. Hierbei kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, nur bestimmte Filmszenen zu zeigen.
Generell muss die Lehrkraft vorab viel Vorarbeit und -überlegeungen leisten. Mehr als man zunächst denken mag. Schon allein pragmatische Überlegungen wie das Beherrschen der Apparate (DVD Player, Videorecorder, Beamer, Fernseher...usw.) und ihrer jeweiligen Einstellungen gehört dazu. In manchen Fällen müssen diese Apparate gar erst einmal organisiert, oder ein entsprechender Raum reserviert werden, da leider nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass diese zur Verfügung stehen. Ebenso müssen die psychologischen Bedeutungen der Vorführart mitberücksichtigt werden. Dazu gehört auch die Klärung, ob der geplante Film von den Schülerinnen und Schülern überhaupt psychisch aber auch intellektuell verarbeitet werden kann. Die (Medien-)Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, das Alter der Zuschauer bzw. die Altersmäßigkeit des Materials und die Kenntnisse der Quellenkritik spielen dabei eine Rolle. Hierbei kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, nur bestimmte Filmszenen zu zeigen.
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Didaktisch wertvoll bezüglich des Einsatzes von Filmprodukten im Geschichtsunterricht erweisen sich anschließende Diskussionen im Plenum, schließlich ergeben sich hierbei Möglichkeiten zum Austausch. Die Lehrkraft muss schon bei der Unterrichtsplanung die anschließende Phase der Filmauswertung bedenken und feststellen, ob nach dem Film noch ausreichend Zeit für Fragen und spontane Meinungsäußerungen der Schüler zur Verfügung steht, was sich oftmals als Problem erweist. Dennoch sollte man auf die spontanen Stellungnahmen nicht verzichten, da gerade junge Schülerinnen und Schüler das Handeln und Leiden der Protagonisten so tief nachempfinden, und am Ende der Vorführung am ehesten bereit sind ihre Gefühle zu äußern. Neben ihren körperlichen Befindlichkeiten können sie auch über körperlichen Reaktionen wie Schweiß, Gänsehaut oder Fluchttendenzen berichten. Diese Identifikation mit den handelnden Personen macht es zwingend notwendig den Schülerinnen und Schülern die Zeit für Äußerungen zu geben, damit sie zur Ruhe kommen und das Gesehene rational verarbeiten können. Im Allgemeinen gilt, je jünger die Zuschauer, desto wichtiger ist es ihnen genügend Zeit zum „Dampfablassen“ zu geben. Die Lehrkraft erhält aus den Äußerungen ein gutes Bild über den Rezeptionsstand seiner Klasse und hat dabei dann die Aufgabe einseitige oder falsche Deutungen gleich zu Beginn zu korrigieren und sie im Verlaufe des Gesprächs bedachtsam in Richtung seiner Lernziele zu lenken. Ebenso hat die Lehrkraft die Aufgabe die Schülerinnen und Schüler darauf aufmerksam zu machen, dass es selbstverständlich und nicht verwunderlich oder gar falsch ist, dass Äußerungen unterschiedlich ausfallen, da schließlich jeder Schüler das Gesehene unterschiedlich wahrnimmt. <ref> vgl. Meyers: Geschichte lehren und lernen - Film im GU, 57 – 66 </ref>.
Didaktisch wertvoll bezüglich des Einsatzes von Filmprodukten im Geschichtsunterricht erweisen sich anschließende Diskussionen im Plenum, schließlich ergeben sich hierbei Möglichkeiten zum Austausch. Die Lehrkraft muss schon bei der Unterrichtsplanung die anschließende Phase der Filmauswertung bedenken und feststellen, ob nach dem Film noch ausreichend Zeit für Fragen und spontane Meinungsäußerungen der Schüler zur Verfügung steht, was sich oftmals als Problem erweist. Dennoch sollte man auf die spontanen Stellungnahmen nicht verzichten, da gerade junge Schülerinnen und Schüler das Handeln und Leiden der Protagonisten so tief nachempfinden, und am Ende der Vorführung am ehesten bereit sind ihre Gefühle zu äußern. Neben ihren körperlichen Befindlichkeiten können sie auch über körperlichen Reaktionen wie Schweiß, Gänsehaut oder Fluchttendenzen berichten. Diese Identifikation mit den handelnden Personen macht es zwingend notwendig den Schülerinnen und Schülern die Zeit für Äußerungen zu geben, damit sie zur Ruhe kommen und das Gesehene rational verarbeiten können. Im Allgemeinen gilt, je jünger die Zuschauer, desto wichtiger ist es ihnen genügend Zeit zum „Dampfablassen“ zu geben. Die Lehrkraft erhält aus den Äußerungen ein gutes Bild über den Rezeptionsstand seiner Klasse und hat dabei dann die Aufgabe einseitige oder falsche Deutungen gleich zu Beginn zu korrigieren und sie im Verlaufe des Gesprächs bedachtsam in Richtung seiner Lernziele zu lenken. Ebenso hat die Lehrkraft die Aufgabe die Schülerinnen und Schüler darauf aufmerksam zu machen, dass es selbstverständlich und nicht verwunderlich oder gar falsch ist, dass Äußerungen unterschiedlich ausfallen, da schließlich jeder Schüler das Gesehene unterschiedlich wahrnimmt. <ref> vgl. Meyers: Geschichte lehren und lernen - Film im GU, 57 – 66 </ref>.


Umstritten ist hierbei die Frage, ob das Filmprodukt ganz gezeigt werden soll, oder den Schülerinnen und Schülern nur Auszüge gezeigt werden sollen. Befürworter sprechen bei einem Film von einem „geschlossenen Gebilde, einem Gesamtkunstwerk“ das demnach auch nicht in Einzelteile zerstückelt werden darf und nur als ganze Einheit seine intendierte Wirkung erreicht. Dem gegenüber stehen Kritiker wie Professor Norbert Zwölfer, die der Meinung sind, dass das Vorführen ganzer Filme „die bei Schülern gängige Konsumhandlung gegenüber Medien“ ausbaut und deshalb nicht stattfinden darf. <ref> vgl. Meyers: Geschichte lehren und lernen - Film im GU, 59 </ref>. Vielleicht ist es sinnvoll sich darauf zu einigen, dass die Arbeit mit Filmstücken dann gerechtfertigt ist, wenn sie lediglich der Visualisierung von Geschichte dienen und keine eingehende [[Der Film/Filmanalyse|Filmanalyse]] stattfinden soll. Ebenso können bestimmte Aspekte, die man hervorheben möchte, mit Hilfe von Teilstücken genauer betrachten werden. Besonders bei Dokumentationen ist es oftmals ratsam nur einen Teil zu betrachten, also einen besonderen Schwerpunkt zu setzen. Wenn man auf diesen bestimmten Aspekt genauer eingehen möchte, muss nicht der ganze Film als gesamtes Konstrukt präsentiert werden. Letztendlich ist die Entscheidung, ob das ganze Filmprodukt oder lediglich nur Szenen gezeigt werden sollen, von der Intention abhängig. Genügend Zeit für die Ausstrahlung und eben auch für die anschließenden Gespräche sollte jedoch gewährt werden hinsichtlich der Arbeit mit Filmen im Geschichtsunterricht gibt es mehrere Möglichkeiten diese sinnvoll in den Unterricht zu integrieren, welche hier nun kurz und knapp skizziert werden.
Umstritten ist hierbei die Frage, ob das Filmprodukt ganz gezeigt werden soll, oder den Schülerinnen und Schülern nur Auszüge gezeigt werden sollen. Befürworter sprechen bei einem Film von einem „geschlossenen Gebilde, einem Gesamtkunstwerk“ das demnach auch nicht in Einzelteile zerstückelt werden darf und nur als ganze Einheit seine intendierte Wirkung erreicht. Dem gegenüber stehen Kritiker wie Professor Norbert Zwölfer, die der Meinung sind, dass das Vorführen ganzer Filme „die bei Schülern gängige Konsumhandlung gegenüber Medien“ ausbaut und deshalb nicht stattfinden darf. <ref> vgl. Meyers: Geschichte lehren und lernen - Film im GU, 59 </ref>. Vielleicht ist es sinnvoll sich darauf zu einigen, dass die Arbeit mit Filmstücken dann gerechtfertigt ist, wenn sie lediglich der Visualisierung von Geschichte dienen und keine eingehende Filmanalyse stattfinden soll. Ebenso können bestimmte Aspekte, die man hervorheben möchte, mit Hilfe von Teilstücken genauer betrachten werden. Besonders bei Dokumentationen ist es oftmals ratsam nur einen Teil zu betrachten, also einen besonderen Schwerpunkt zu setzen. Wenn man auf diesen bestimmten Aspekt genauer eingehen möchte, muss nicht der ganze Film als gesamtes Konstrukt präsentiert werden. Letztendlich ist die Entscheidung, ob das ganze Filmprodukt oder lediglich nur Szenen gezeigt werden sollen, von der Intention abhängig. Genügend Zeit für die Ausstrahlung und eben auch für die anschließenden Gespräche sollte jedoch gewährt werden hinsichtlich der Arbeit mit Filmen im Geschichtsunterricht gibt es mehrere Möglichkeiten diese sinnvoll in den Unterricht zu integrieren, welche hier nun kurz und knapp skizziert werden.
 
Filmprodukte jeglicher Art können zunächst einmal auf neue Themen einstimmen, Schülerinnen und Schüler zu Äußerungen anregen oder sie zu einer tieferen Auseinandersetzung mit einem bestimmten Problem motivieren. Des Weiteren können diese lediglich als Informationsquellen dienen, aus denen die Schülerinnen und Schüler in Einzel-, Partner- , oder Gruppenarbeit diese als Materialgrundlage nutzen. Ferner können sie zur Entscheidungshilfen bei Problemen oder zur Lernkontrolle herangezogen werden. Wie bereits erwähnt können mit Filmprodukten erarbeitete Teilaspekte genauer beleuchtet, oder eine gesamte Thematik noch einmal zur Vertiefung verdeutlicht werden. Denkbar ist auch eine kreative Herstellung von Filmen seitens der Schüler, indem vorhandene Filmausschnitte neu montiert, mit anderem Ton unterlegt oder Dokumente inseriert werden. Anhand dieser kreativen Mitgestaltung können Filme besonderen Lernbedürfnissen angepasst werden. Konkrete Anwendungsmöglichkeiten von Film im Geschichtsunterricht werden im Abschnitt der Methodik genauer ausgeführt. <ref> vgl. Pandel & Schneider: Medien im GU, 377f </ref>.


Filmprodukte jeglicher Art können zunächst einmal auf neue Themen einstimmen, Schülerinnen und Schüler zu Äußerungen anregen oder sie zu einer tieferen Auseinandersetzung mit einem bestimmten Problem motivieren. Des Weiteren können diese lediglich als Informationsquellen dienen, aus denen die Schülerinnen und Schüler in Einzel-, Partner- , oder [[Grundlagen Arbeits- und Sozialformen#Gruppenarbeit|Gruppenarbeit]]  diese als Materialgrundlage nutzen. Ferner können sie zur Entscheidungshilfen bei Problemen oder zur Lernkontrolle herangezogen werden. Wie bereits erwähnt können mit Filmprodukten erarbeitete Teilaspekte genauer beleuchtet, oder eine gesamte Thematik noch einmal zur Vertiefung verdeutlicht werden. Denkbar ist auch eine kreative Herstellung von Filmen seitens der Schüler, indem vorhandene Filmausschnitte neu montiert, mit anderem Ton unterlegt oder Dokumente inseriert werden. Anhand dieser kreativen Mitgestaltung können Filme besonderen Lernbedürfnissen angepasst werden. Konkrete Anwendungsmöglichkeiten von Film im Geschichtsunterricht werden im Abschnitt der Methodik genauer ausgeführt. <ref> vgl. Pandel & Schneider: Medien im GU, 377f </ref>.


=== Problematik/kritische Bemerkungen ===
=== Problematik/kritische Bemerkungen ===
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Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit dem komplexen und durchaus spannungsgeladenen Verhältnis zwischen der Geschichtswissenschaft und dem [[Grundlagen Medien im Geschichtsunterricht| Medium]] (Dokumentar)Film. Dabei soll zunächst der Film generell als Quelle der Zeitgeschichte beleuchtet werden. Hierbei ist festzustellen, dass sich die Historiographie lange Zeit eher schwer mit dieser Kategorie tat. Anschließend geht es um eine spezielle Filmgattung, die Geschichtsdokumentation. Angerissen wird die Bedeutung des Fernsehens als geschichtskulturelle Institution. Dann werden die großen zeithistorischen Auseinandersetzungen der späten Bonner Republik schlaglichtartig beleuchtet. Ohne ihre Berücksichtigung dürfte die Einordnung des Genres, insbesondere das Verstehen seiner großen Popularität, eher schwer fallen. Am Beispiel des wahrscheinlich einflussreichsten Vertreters des Formates, Guido Knopp, sollen dann die häufigsten Kritikpunkte der Historiographie dargestellt und auch ein wenig betrachtet werden.
Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit dem komplexen und durchaus spannungsgeladenen Verhältnis zwischen der Geschichtswissenschaft und dem Medium (Dokumentar)Film. Dabei soll zunächst der Film generell als Quelle der Zeitgeschichte beleuchtet werden. Hierbei ist festzustellen, dass sich die Historiographie lange Zeit eher schwer mit dieser Kategorie tat. Anschließend geht es um eine spezielle Filmgattung, die Geschichtsdokumentation. Angerissen wird die Bedeutung des Fernsehens als geschichtskulturelle Institution. Dann werden die großen zeithistorischen Auseinandersetzungen der späten Bonner Republik schlaglichtartig beleuchtet. Ohne ihre Berücksichtigung dürfte die Einordnung des Genres, insbesondere das Verstehen seiner großen Popularität, eher schwer fallen. Am Beispiel des wahrscheinlich einflussreichsten Vertreters des Formates, Guido Knopp, sollen dann die häufigsten Kritikpunkte der Historiographie dargestellt und auch ein wenig betrachtet werden.
Auf den ersten Blick könnte diese Vorgehensweise aus schuldidaktischer Sichtweise ein wenig abgehoben erscheinen. Es versteht sich aber von selbst, dass sowohl ein wissenschafts- wie auch ein kompetenzorientierter Unterricht nicht umhinkommt, sich diesen Gedanken zu stellen.
Auf den ersten Blick könnte diese Vorgehensweise aus schuldidaktischer Sichtweise ein wenig abgehoben erscheinen. Es versteht sich aber von selbst, dass sowohl ein wissenschafts- wie auch ein kompetenzorientierter Unterricht nicht umhinkommt, sich diesen Gedanken zu stellen.


=== Geschichtswissenschaft und Film ===
=== Geschichtswissenschaft und Film ===
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Im Laufe der letzten 100 Jahre wurde Gefilmtes im weitesten Sinne immer mehr zu einem Teil des allgemeinen Diskurses und der kollektiven wie auch individuellen Erinnerung. Zu Recht verweist Günter Riederer darauf, dass eine Geschichte des Zwanzigsten Jahrhunderts ohne eine Geschichte des Films nicht zu schreiben ist. <ref> Riederer, 2003, S. 95. </ref>
Im Laufe der letzten 100 Jahre wurde Gefilmtes im weitesten Sinne immer mehr zu einem Teil des allgemeinen Diskurses und der kollektiven wie auch individuellen Erinnerung. Zu Recht verweist Günter Riederer darauf, dass eine Geschichte des Zwanzigsten Jahrhunderts ohne eine Geschichte des Films nicht zu schreiben ist. <ref> Riederer, 2003, S. 95. </ref>


Im Gegensatz zur [[Einführung in die Grundlagen der Fachdidaktik| Geschichtsdidaktik]], die sich im Zusammenhang mit der Frage des historischen Lernens relativ frühzeitig für die Gattung Film interessierte, kann man die Beziehung zwischen Fachwissenschaft und Film lange Zeit eher als ein Nichtverhältnis charakterisieren. Dies änderte sich erst mit der Hinwendung der historischen Forschung zum Bild als Quellengattung sui generis im Zuge des Iconic Turns der letzten beiden Jahrzehnte. <ref> Zur Bandbreite vgl. den Tagungsband zum Konstanzer Historikertag 2006, auf dem diese Neuorientierung quasi kanonisiert wurde: Wischermann, 2007. </ref> Die nun zunehmend kulturgeschichtlich inspirierte Forschung befragt visuelle Artefakte im weitesten Sinne hinsichtlich ihrer Konstruktion von Wirklichkeit – neben bildlichen Quellen kann dies z.B. auch Architektur sein. Dabei beschränkt sie sich nicht auf die Deutung der äußeren, von Menschenhand künstlich geschaffenen Bilder, jene also, die das Auge wahrnimmt.  
Im Gegensatz zur Geschichtsdidaktik, die sich im Zusammenhang mit der Frage des historischen Lernens relativ frühzeitig für die Gattung Film interessierte, kann man die Beziehung zwischen Fachwissenschaft und Film lange Zeit eher als ein Nichtverhältnis charakterisieren. Dies änderte sich erst mit der Hinwendung der historischen Forschung zum Bild als Quellengattung sui generis im Zuge des Iconic Turns der letzten beiden Jahrzehnte. <ref> Zur Bandbreite vgl. den Tagungsband zum Konstanzer Historikertag 2006, auf dem diese Neuorientierung quasi kanonisiert wurde: Wischermann, 2007. </ref> Die nun zunehmend kulturgeschichtlich inspirierte Forschung befragt visuelle Artefakte im weitesten Sinne hinsichtlich ihrer Konstruktion von Wirklichkeit – neben bildlichen Quellen kann dies z.B. auch Architektur sein. Dabei beschränkt sie sich nicht auf die Deutung der äußeren, von Menschenhand künstlich geschaffenen Bilder, jene also, die das Auge wahrnimmt.  


Im metaphorischen Sinne weiterführend, geht es auch und vor allem um die inneren, die geistigen Bilder, um Sinngebung also, um Vorstellungen und Ideen. <ref> Beispielhaft: Jostkleigrewe, 2007. </ref> Mentale wie reale Bilder bedingen einander. Sie stehen zu einander in einer stetigen Wechselwirkung und beeinflussen sich gegenseitig bei ihrer Entstehung. <ref> Vgl. hierzu etwa: Becker, 2001, S. 36. </ref> Insbesondere die Entwicklung der immateriellen Vorstellung, wir reden von gedanklichen und sprachlichen Bildern, bedarf der materiellen, visuellen Information. Darum bedeutet die ausschließliche Fixiertheit auf die schriftliche Überlieferung und die Nichtberücksichtigung visueller Informationsträger ganz schlicht das Außerachtlassen von Quellen und führt damit zu einer mehr oder weniger erheblichen Erkenntniseinbuße.  
Im metaphorischen Sinne weiterführend, geht es auch und vor allem um die inneren, die geistigen Bilder, um Sinngebung also, um Vorstellungen und Ideen. <ref> Beispielhaft: Jostkleigrewe, 2007. </ref> Mentale wie reale Bilder bedingen einander. Sie stehen zu einander in einer stetigen Wechselwirkung und beeinflussen sich gegenseitig bei ihrer Entstehung. <ref> Vgl. hierzu etwa: Becker, 2001, S. 36. </ref> Insbesondere die Entwicklung der immateriellen Vorstellung, wir reden von gedanklichen und sprachlichen Bildern, bedarf der materiellen, visuellen Information. Darum bedeutet die ausschließliche Fixiertheit auf die schriftliche Überlieferung und die Nichtberücksichtigung visueller Informationsträger ganz schlicht das Außerachtlassen von Quellen und führt damit zu einer mehr oder weniger erheblichen Erkenntniseinbuße.  
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Allerdings bereitet der Film aufgrund der Intensität und Komplexität sowie der Verschränkung und Dichte der verarbeiteten Daten zusätzliche Schwierigkeiten bei der Dekonstruktion seiner Inhalte und der Analyse von Authentizität oder Imagination und Suggestion. Auf eine weitere grundsätzliche Problematik verweist Günter Riederer. Filme entziehen sich der klassischen Unterscheidung der Quellen in Traditionen und Überreste. Sie beinhalten immer Elemente, die es erlauben, sie der einen oder anderen Gruppe hinzufügen zu können. <ref> So Riederer, 2003, S. 89. </ref>
Allerdings bereitet der Film aufgrund der Intensität und Komplexität sowie der Verschränkung und Dichte der verarbeiteten Daten zusätzliche Schwierigkeiten bei der Dekonstruktion seiner Inhalte und der Analyse von Authentizität oder Imagination und Suggestion. Auf eine weitere grundsätzliche Problematik verweist Günter Riederer. Filme entziehen sich der klassischen Unterscheidung der Quellen in Traditionen und Überreste. Sie beinhalten immer Elemente, die es erlauben, sie der einen oder anderen Gruppe hinzufügen zu können. <ref> So Riederer, 2003, S. 89. </ref>


Neben der historischen Kontextualisierung, also der Untersuchung der äußeren Strukturen und Umstände müssen bei der eigentlichen [[Quellenarbeit im Geschichtsunterricht (Sek.I)| Quellenarbeit]] filmische und nichtfilmische Codes erkannt werden. Im Zusammenhang mit der Entstehung eines Filmes muss die Frage nach den unterschiedlichsten Akteuren und deren Interessen gestellt werden, nach Divergenzen und Konvergenzen. Ein vollständiger Blick auf das soziokulturelle Umfeld darf es aber nicht dabei bewenden lassen, nur die Produzierenden ins Visier zu nehmen. Auch die Konsumenten und ihre Erwartungen müssen Berücksichtigung finden. Innerhalb dieses Beziehungsgeflechtes geht es dann um die Entschlüsselung der Bildästhetik, um die innere [[Grundlagen Inszenierung|Inszenierung]], um Kameraführung, um die gefilmten Personen und ihre Auftritte, um Vordergründe, Staffagen und Kulissen und um den Schnitt der einzelnen Szenen. Schließlich sind die akustischen Signale zu betrachten, Geräusche, gesprochener Text und vor allem die Musik. Bemerkenswert ist hierbei die Feststellung „Bilder tragen Information, Geräusche die Emotion“ des Dokumentarfilmers Thomas Balzer. <ref> Balzer, 2009, S. 150. </ref> Allgemein wird auch das Bild als Kolporteur der Emotion betrachtet.
Neben der historischen Kontextualisierung, also der Untersuchung der äußeren Strukturen und Umstände müssen bei der eigentlichen Quellenarbeit filmische und nichtfilmische Codes erkannt werden. Im Zusammenhang mit der Entstehung eines Filmes muss die Frage nach den unterschiedlichsten Akteuren und deren Interessen gestellt werden, nach Divergenzen und Konvergenzen. Ein vollständiger Blick auf das soziokulturelle Umfeld darf es aber nicht dabei bewenden lassen, nur die Produzierenden ins Visier zu nehmen. Auch die Konsumenten und ihre Erwartungen müssen Berücksichtigung finden. Innerhalb dieses Beziehungsgeflechtes geht es dann um die Entschlüsselung der Bildästhetik, um die innere Inszenierung, um Kameraführung, um die gefilmten Personen und ihre Auftritte, um Vordergründe, Staffagen und Kulissen und um den Schnitt der einzelnen Szenen. Schließlich sind die akustischen Signale zu betrachten, Geräusche, gesprochener Text und vor allem die Musik. Bemerkenswert ist hierbei die Feststellung „Bilder tragen Information, Geräusche die Emotion“ des Dokumentarfilmers Thomas Balzer. <ref> Balzer, 2009, S. 150. </ref> Allgemein wird auch das Bild als Kolporteur der Emotion betrachtet.


Dies alles lässt sich nur in der Theorie trennen. Wie bei der Komposition muss es auch bei der Dekonstruktion in enger Interdependenz zueinander verstanden werden. Nicht vergessen werden darf, dass ein Film im ständigen Fluss ist und keinen statischen Moment kennt. Das trägt zur Komplexität der Filmanalyse bei. Diese kurze und bestimmt nicht vollzählige Auflistung macht zumindest deutlich, dass es seitens einer ernstzunehmenden historischen Filmanalyse nur im Geringsten um ein discrimen veri ac falsi gehen kann. <ref> Riederer, 2003, S. 95. </ref> Vielmehr muss die Arbeit auf das Dechiffrieren der Metaerzählung ausgerichtet sein. Es geht um die filmische Verarbeitung historischer Erfahrung, um Konstruktion von Mythen und Geschichtsbildern, um den Umgang mit Geschichte. In dieser geschichtskulturellen Interessens- und Zielperspektive treffen sich Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik. <ref> Neuerdings etwa: Pandel, 2013, S. 169. </ref>
Dies alles lässt sich nur in der Theorie trennen. Wie bei der Komposition muss es auch bei der Dekonstruktion in enger Interdependenz zueinander verstanden werden. Nicht vergessen werden darf, dass ein Film im ständigen Fluss ist und keinen statischen Moment kennt. Das trägt zur Komplexität der Filmanalyse bei. Diese kurze und bestimmt nicht vollzählige Auflistung macht zumindest deutlich, dass es seitens einer ernstzunehmenden historischen Filmanalyse nur im Geringsten um ein discrimen veri ac falsi gehen kann. <ref> Riederer, 2003, S. 95. </ref> Vielmehr muss die Arbeit auf das Dechiffrieren der Metaerzählung ausgerichtet sein. Es geht um die filmische Verarbeitung historischer Erfahrung, um Konstruktion von Mythen und Geschichtsbildern, um den Umgang mit Geschichte. In dieser geschichtskulturellen Interessens- und Zielperspektive treffen sich Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik. <ref> Neuerdings etwa: Pandel, 2013, S. 169. </ref>


Das alles erfordert ein komplexes Handwerkszeug und eine breite Methodenvielfalt. In einem „fröhlichen Synkretismus“ <ref> Riederer, 2003, S. 98. </ref> muss der Historiker etablierte Fachgrenzen überschreiten. Innerhalb der Geschichtswissenschaft sollte er sich frei in den Feldern der Diskurs-, Mentalitäts-, Sozial- und Kulturgeschichte bewegen können. Darüber hinaus muss er sich der Soziologie, der Medienwissenschaft, Philosophie und Kulturwissenschaften als Hilfswissenschaften zu bedienen wissen.
Das alles erfordert ein komplexes Handwerkszeug und eine breite Methodenvielfalt. In einem „fröhlichen Synkretismus“ <ref> Riederer, 2003, S. 98. </ref> muss der Historiker etablierte Fachgrenzen überschreiten. Innerhalb der Geschichtswissenschaft sollte er sich frei in den Feldern der Diskurs-, Mentalitäts-, Sozial- und Kulturgeschichte bewegen können. Darüber hinaus muss er sich der Soziologie, der Medienwissenschaft, Philosophie und Kulturwissenschaften als Hilfswissenschaften zu bedienen wissen.  
 
 


=== Das Fernsehen als konstitutives Element von Geschichtspolitik, Erinnerungskultur und Geschichtskultur ===
=== Das Fernsehen als konstitutives Element von Geschichtspolitik, Erinnerungskultur und Geschichtskultur ===




Als wirkmächtigstes Organ in der medialen Aufbereitung der Vergangenheit dürfte mittlerweile das Fernsehen zu bezeichnen sein <ref> Vgl. ebda </ref>. Es ist nicht nur ein Bestandteil der gegenwärtigen Erinnerungs- und [[Grundlagen der Geschichtskultur|Geschichtskultur]], sondern der erfolgreichste Akteur mit der breitesten Öffentlichkeitswirksamkeit. Dabei befindet es sich in einer starken Konkurrenz, die von den Klassikern bildungsbürgerlicher Kultur wie dem Feuilleton oder dem Historischen Roman, zahlreichen populärwissenschaftlichen und populären Zeitschriften, bis hin zur [[Grundlagen der Living History|Living-History-]] und Histotainment-Szene reicht, diese selbst ist wiederum alles andere als homogen. Hier lassen sich ernst zu nehmende und die Wissenschaft bereichernde Ansätze finden, neben Formen, die im günstigeren Falle harmlose Spielereien sind. Sie sind die Hauptakteure auf den inflationär anwachsenden Mittelaltermärkten und –festen. In einem Graubereich dieser Szene tummeln sich aber auch Gruppen mit rechtsradikalem und revisionistischem Hintergrund. Sie bevorzugen als  thematische Bezugspunkte die Germanen und natürlich den Zweiten Weltkrieg. Computerspiele, bei denen die Geschichte den Part eines exotischen Bühnenbildes gibt, vervollständigen die Aufzählung.  
Als wirkmächtigstes Organ in der medialen Aufbereitung der Vergangenheit dürfte mittlerweile das Fernsehen zu bezeichnen sein <ref> Vgl. ebda </ref>. Es ist nicht nur ein Bestandteil der gegenwärtigen Erinnerungs- und Geschichtskultur, sondern der erfolgreichste Akteur mit der breitesten Öffentlichkeitswirksamkeit. Dabei befindet es sich in einer starken Konkurrenz, die von den Klassikern bildungsbürgerlicher Kultur wie dem Feuilleton oder dem Historischen Roman, zahlreichen populärwissenschaftlichen und populären Zeitschriften, bis hin zur Living-History- und Histotainment-Szene reicht, diese selbst ist wiederum alles andere als homogen. Hier lassen sich ernst zu nehmende und die Wissenschaft bereichernde Ansätze finden, neben Formen, die im günstigeren Falle harmlose Spielereien sind. Sie sind die Hauptakteure auf den inflationär anwachsenden Mittelaltermärkten und –festen. In einem Graubereich dieser Szene tummeln sich aber auch Gruppen mit rechtsradikalem und revisionistischem Hintergrund. Sie bevorzugen als  thematische Bezugspunkte die Germanen und natürlich den Zweiten Weltkrieg. Computerspiele, bei denen die Geschichte den Part eines exotischen Bühnenbildes gibt, vervollständigen die Aufzählung.  


Die Bedeutung des Fernsehens in diesem Kessel Buntes wächst ihm nicht zuletzt durch eine überaus breite Palette an unterschiedlichsten Sendeformaten zu, über die es verfügen kann und die die verschiedensten Bedürfnisse eines ungleichen und sehr differenzierten Publikums ansprechen: Es wartet mit selbst produzierten Spielfilmen auf oder sendet als Zweitverwerter erfolgreich gelaufene Kinofilme. In den letzten Jahren erwies sich auch ein neues Genre als sehr erfolgreich, das Reality Experiment, das Formen der Daily Soap, der Reality Show und von Living History in sich vereinigt – „Schwarzwaldhaus“, „Leben im Gutshaus“ oder „Steinzeit als Experiment“ gewissermaßen als „Big Brother“ für Bildungsbürger. Damit rezipiert und imitiert es wiederrum die Konkurrenz.
Die Bedeutung des Fernsehens in diesem Kessel Buntes wächst ihm nicht zuletzt durch eine überaus breite Palette an unterschiedlichsten Sendeformaten zu, über die es verfügen kann und die die verschiedensten Bedürfnisse eines ungleichen und sehr differenzierten Publikums ansprechen: Es wartet mit selbst produzierten Spielfilmen auf oder sendet als Zweitverwerter erfolgreich gelaufene Kinofilme. In den letzten Jahren erwies sich auch ein neues Genre als sehr erfolgreich, das Reality Experiment, das Formen der Daily Soap, der Reality Show und von Living History in sich vereinigt – „Schwarzwaldhaus“, „Leben im Gutshaus“ oder „Steinzeit als Experiment“ gewissermaßen als „Big Brother“ für Bildungsbürger. Damit rezipiert und imitiert es wiederrum die Konkurrenz.
Über die Auswahl der Themen, aber auch über die Art und Weise ihrer inhaltlichen Aufbereitung, ihre Gestaltung und [[Grundlagen Inszenierung|Inszenierung]] bestimmt das Fernsehen die private wie auch kollektive Perzeption und Rezeption von Geschichte. Es gestaltet Erinnerungskultur und Geschichtskultur. Aber mehr noch, das Fernsehen ist ein Medium der Geschichtspolitik. Es überträgt die Staatsakte der Erinnerung, die offiziellen staatlichen Feierstunden und Gedenkveranstaltungen zu Jahrestagen oder Zentenarfeiern.  
Über die Auswahl der Themen, aber auch über die Art und Weise ihrer inhaltlichen Aufbereitung, ihre Gestaltung und Inszenierung bestimmt das Fernsehen die private wie auch kollektive Perzeption und Rezeption von Geschichte. Es gestaltet Erinnerungskultur und Geschichtskultur. Aber mehr noch, das Fernsehen ist ein Medium der Geschichtspolitik. Es überträgt die Staatsakte der Erinnerung, die offiziellen staatlichen Feierstunden und Gedenkveranstaltungen zu Jahrestagen oder Zentenarfeiern.  
 
Über diese Mittlerrolle hinaus ist es aber auch selbst ein Akteur der Geschichtspolitik. Es reagiert nicht nur auf den historischen Diskurs in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Das Fernsehen und seine Macher haben selbst die Macht, zu entscheiden, wer oder was erinnerungswürdig ist und wie die Erinnerung auszusehen hat. Es setzt selbst Themen und Schwerpunkte und nutzt dabei immer mehr auch die Möglichkeiten des Netzes. Aktuell demonstriert das ZDF diese Rolle mit seinem Dreiteiler „Unsere Mütter unsere Väter“ mehr als eindrücklich. Bereits im Vorfeld wurde der Film sowohl durch die Eigenwerbung wie auch durch die Besprechungen in den Printmedien und im Hörfunk zu einem medialen Großereignis hoch gepuscht. <ref> Vgl. etwa die Besprechung von Frank Schirrmacher in der FAZ vom 15.3.2013, auch in: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/unsere-muetter-unsere-vaeter/unsere-muetter-unsere-vaeter-im-zdf-die-geschichte-deutscher-albtraeume-12115192.html. </ref> Die Ausstrahlung begleitete ein umfangreiches Zusatzprogramm aus Dokumentationen, Interviews, Magazinen, Chatrooms und Diskussionsforen.
 


Über diese Mittlerrolle hinaus ist es aber auch selbst ein Akteur der Geschichtspolitik. Es reagiert nicht nur auf den historischen Diskurs in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Das Fernsehen und seine Macher haben selbst die Macht, zu entscheiden, wer oder was erinnerungswürdig ist und wie die Erinnerung auszusehen hat. Es setzt selbst Themen und Schwerpunkte und nutzt dabei immer mehr auch die Möglichkeiten des Netzes. Aktuell demonstriert das ZDF diese Rolle mit seinem Dreiteiler „Unsere Mütter unsere Väter“ mehr als eindrücklich. Bereits im Vorfeld wurde der Film sowohl durch die Eigenwerbung wie auch durch die Besprechungen in den Printmedien und im Hörfunk zu einem medialen Großereignis hoch gepuscht. <ref> Vgl. etwa die Besprechung von Frank Schirrmacher in der FAZ vom 15.3.2013, auch in: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/unsere-muetter-unsere-vaeter/unsere-muetter-unsere-vaeter-im-zdf-die-geschichte-deutscher-albtraeume-12115192.html. </ref> Die Ausstrahlung begleitete ein umfangreiches Zusatzprogramm aus Dokumentationen, Interviews, Magazinen, Chatrooms und Diskussionsforen.


=== In der Kritik der Wissenschaft: Geschichtsdokumentationen ===
=== In der Kritik der Wissenschaft: Geschichtsdokumentationen ===
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Allerdings entbehrt der Vorwurf der Emotionalisierung seitens der Geschichtswissenschaft einer gewissen Ironie nicht. Er grenzt durchaus auch ans Pharisäerhafte, bedenkt man die Aufgeladenheit und Aufgeregtheit mit der die Historiker selbst aufeinander losgegangen sind und ihre wissenschaftlichen Differenzen ausgefochten haben. Ute Frevert und Anne Schmidt plädieren neuerdings für mehr Gelassenheit und auch Selbstkritik. Zu Recht stellen sie die Frage, ob denn das geschriebene Wort per se weniger emotional aufgeladen sei, als der visuelle Informationsträger. <ref> Beispielsweise lässt Gerhard Graniers Sammelrezension immer noch die hochgradige Erregung des Historikerstreits erahnen: Granier, 1990. </ref> In der postulierten Kausalität von Bild und Emotion und der negativen Bewertung der Emotionen sehen sie eine gewisse Arroganz und Selbststilisierung vieler Historiker. <ref> Frevert, Schmidt, 2011, S. 23. </ref> Dabei tradierten die Kritiker soziale Rollenbilder und alte Klischees und schrieben überkommene soziale Hierarchien fort. Die affektive und emotionale Seite des Menschen werde mit einer populären Kultur des Bildes gleichgesetzt und den „breiten“ Bevölkerungskreisen zugeschrieben, kurz: Massenkultur. Im Gegensatz dazu sähen sich die Kritiker ganz in der traditionellen Rolle der rationalen Aufklärer. Sie nähmen für sich das kühle und abwägende Argumentieren in Anspruch, dessen Basis die höherwertige und überlegene Schriftkultur der bürgerlichen Bildung sei.
Allerdings entbehrt der Vorwurf der Emotionalisierung seitens der Geschichtswissenschaft einer gewissen Ironie nicht. Er grenzt durchaus auch ans Pharisäerhafte, bedenkt man die Aufgeladenheit und Aufgeregtheit mit der die Historiker selbst aufeinander losgegangen sind und ihre wissenschaftlichen Differenzen ausgefochten haben. Ute Frevert und Anne Schmidt plädieren neuerdings für mehr Gelassenheit und auch Selbstkritik. Zu Recht stellen sie die Frage, ob denn das geschriebene Wort per se weniger emotional aufgeladen sei, als der visuelle Informationsträger. <ref> Beispielsweise lässt Gerhard Graniers Sammelrezension immer noch die hochgradige Erregung des Historikerstreits erahnen: Granier, 1990. </ref> In der postulierten Kausalität von Bild und Emotion und der negativen Bewertung der Emotionen sehen sie eine gewisse Arroganz und Selbststilisierung vieler Historiker. <ref> Frevert, Schmidt, 2011, S. 23. </ref> Dabei tradierten die Kritiker soziale Rollenbilder und alte Klischees und schrieben überkommene soziale Hierarchien fort. Die affektive und emotionale Seite des Menschen werde mit einer populären Kultur des Bildes gleichgesetzt und den „breiten“ Bevölkerungskreisen zugeschrieben, kurz: Massenkultur. Im Gegensatz dazu sähen sich die Kritiker ganz in der traditionellen Rolle der rationalen Aufklärer. Sie nähmen für sich das kühle und abwägende Argumentieren in Anspruch, dessen Basis die höherwertige und überlegene Schriftkultur der bürgerlichen Bildung sei.
Der Antagonismus von Ratio und Anima und die negative Konnotation der Emotion sind wenig Ziel führend, insbesondere dann wenn wir eine pädagogische oder didaktische Perspektive einnehmen. Lernen, auch historisches Lernen braucht Ratio wie Anima, emotionale wie kognitive Anregung. Ebenso ist einer der zentralen Begriffe der Geschichtsdidaktik, das [[Was ist Geschichtsbewusstsein?|Geschichtsbewusstsein]] , emotional kontaminiert <ref> Vgl. neuerdings Pandel, 2013, 148 f. </ref> Geschichtsbewusstsein ist ein kulturelles Phänomen. Als Teil der persönlichen Identität entsteht es im gesellschaftlichen Diskurs und ist historisch wandelbar. Mit dieser Feststellung beginnen wir uns im Kreis zu drehen und könnten von vorne beginnen.
Der Antagonismus von Ratio und Anima und die negative Konnotation der Emotion sind wenig Ziel führend, insbesondere dann wenn wir eine pädagogische oder didaktische Perspektive einnehmen. Lernen, auch historisches Lernen braucht Ratio wie Anima, emotionale wie kognitive Anregung. Ebenso ist einer der zentralen Begriffe der Geschichtsdidaktik, das Geschichtsbewusstsein, emotional kontaminiert <ref> Vgl. neuerdings Pandel, 2013, 148 f. </ref> Geschichtsbewusstsein ist ein kulturelles Phänomen. Als Teil der persönlichen Identität entsteht es im gesellschaftlichen Diskurs und ist historisch wandelbar. Mit dieser Feststellung beginnen wir uns im Kreis zu drehen und könnten von vorne beginnen.
 


== Schule konkret: Das kritisches Arbeiten mit Geschichtsdokumentation im Unterricht ==
== Schule konkret: Das kritisches Arbeiten mit Geschichtsdokumentation im Unterricht ==
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Der Wechsel der geschichtlichen Darstellung in ein historisches Präsens sorgt durch die gefühlsnahe Berichterstattung für die entsprechende Authentizität. Dieser Effekt wird durch das Abhalten des Interviews am eigentlichen Geschehensort unterstützt.
Der Wechsel der geschichtlichen Darstellung in ein historisches Präsens sorgt durch die gefühlsnahe Berichterstattung für die entsprechende Authentizität. Dieser Effekt wird durch das Abhalten des Interviews am eigentlichen Geschehensort unterstützt.
Durch das Befragen eines Zeitzeugen kann schon wertvolle Erkenntnisse über ein Geschehen gewonnen werden. Besteht allerdings die Möglichkeit mehrere Zeitzeugen zu befragen, kann ein so genannter kollektiver Erinnerungseffekt entstehen und es lässt sich eine [[Grundlagen der Multiperspektivität| multiperspektivische]] Darstellung des Erlebten erstellen.
Durch das Befragen eines Zeitzeugen kann schon wertvolle Erkenntnisse über ein Geschehen gewonnen werden. Besteht allerdings die Möglichkeit mehrere Zeitzeugen zu befragen, kann ein so genannter kollektiver Erinnerungseffekt entstehen und es lässt sich eine multiperspektivische Darstellung des Erlebten erstellen.


Zeitzeugen spielen häufig sogar Nebenfiguren in dem entsprechenden Dokumentarfilm. Diese bekommen eine größere Authentizität, wenn die Veränderung derer durch Fotographien von damals unterstreicht wird. Um Zeitzeugen noch eindrucksvoller darzustellen, werden die Aufnahmen meistens im Großformat mit neutralem Bildhintergrund gemacht. Dies lenkt die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die Person und nicht auf Nebensächlichkeiten.
Zeitzeugen spielen häufig sogar Nebenfiguren in dem entsprechenden Dokumentarfilm. Diese bekommen eine größere Authentizität, wenn die Veränderung derer durch Fotographien von damals unterstreicht wird. Um Zeitzeugen noch eindrucksvoller darzustellen, werden die Aufnahmen meistens im Großformat mit neutralem Bildhintergrund gemacht. Dies lenkt die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die Person und nicht auf Nebensächlichkeiten.
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Bilder können dem Kommentar als illustrativen Hintergrund dienen, d.h. der Kommentar folgt den Fakten ohne jedoch auf die Bilder eingehen zu müssen. Bilder können jedoch auch einen argumentatorischen Eigenwert haben, dann verweist der Kommentar auf die Bildebene, um z.B. Aussaugen zu belegen oder auch um Erkenntnisse zu gewinnen und die Situation genauer zu erklären.
Bilder können dem Kommentar als illustrativen Hintergrund dienen, d.h. der Kommentar folgt den Fakten ohne jedoch auf die Bilder eingehen zu müssen. Bilder können jedoch auch einen argumentatorischen Eigenwert haben, dann verweist der Kommentar auf die Bildebene, um z.B. Aussaugen zu belegen oder auch um Erkenntnisse zu gewinnen und die Situation genauer zu erklären.
3.5 Schule konkret In diesem Abschnitt soll die Rolle des Dokumentarfilms in der Schule und für die Schule betrachtet werden. Hierzu folgt zunächst eine kurze Einführung in die [[Grundlagen der Medienpädagogik|Medienpädagogik]] und Medienkompetenz. Danach werden einige mögliche Methoden und Herangehensweisen an das [[Grundlagen Medien im Geschichtsunterricht| Medium]] Dokumentarfilm in den Blick genommen und Beispieldokumente vorgestellt, die die Arbeit mit diesem erleichtern sollen.
3.5 Schule konkret In diesem Abschnitt soll die Rolle des Dokumentarfilms in der Schule und für die Schule betrachtet werden. Hierzu folgt zunächst eine kurze Einführung in die Medienpädagogik und Medienkompetenz. Danach werden einige mögliche Methoden und Herangehensweisen an das Medium Dokumentarfilm in den Blick genommen und Beispieldokumente vorgestellt, die die Arbeit mit diesem erleichtern sollen.
 


===  Medienpädagogik ===
===  Medienpädagogik ===
   
   


Die [[Grundlagen der Medienpädagogik|Medienpädagogik]] ist eine Fachrichtung der Erziehungswissenschaft. <ref> Vgl. hierzu und zum folgenden Abschnitt: Aufenanger, 2004. </ref> Medien gehören heute zum Alltag von Familie und Schule und können in unterschiedliche Kategorien unterteilt werden, wie Printmedien (Buch, Bild, Zeitungsartikel…), Sprache, elektronische Medien (Fernsehen, Internet, Computerspiele etc.).
Die Medienpädagogik ist eine Fachrichtung der Erziehungswissenschaft. <ref> Vgl. hierzu und zum folgenden Abschnitt: Aufenanger, 2004. </ref> Medien gehören heute zum Alltag von Familie und Schule und können in unterschiedliche Kategorien unterteilt werden, wie Printmedien (Buch, Bild, Zeitungsartikel…), Sprache, elektronische Medien (Fernsehen, Internet, Computerspiele etc.).
Medien sind Miterzieher geworden und können sowohl die Kommunikation erleichtern als auch Orientierung anbieten. Durch diese medialen Miterzieher muss von einer veränderten Bildungssituation also auch von veränderten Lernvoraussetzungen und Lernmöglichkeiten für die Schule ausgegangen werden. Die Medienpädagogik analysiert und reflektiert den Umgang mit den Medien im Alltag der Menschen und versucht durch die Entwicklung von Konzepten zur medialen Aufklärung und somit zur Medienerziehung beizutragen und konstruktiv zu lenken.  
Medien sind Miterzieher geworden und können sowohl die Kommunikation erleichtern als auch Orientierung anbieten. Durch diese medialen Miterzieher muss von einer veränderten Bildungssituation also auch von veränderten Lernvoraussetzungen und Lernmöglichkeiten für die Schule ausgegangen werden. Die Medienpädagogik analysiert und reflektiert den Umgang mit den Medien im Alltag der Menschen und versucht durch die Entwicklung von Konzepten zur medialen Aufklärung und somit zur Medienerziehung beizutragen und konstruktiv zu lenken.  


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Die Mediengestaltung spaltet sich in innovative und kreative auf. Technik und Methodik zur Gestaltung der Medien werden hier gelehrt.
Die Mediengestaltung spaltet sich in innovative und kreative auf. Technik und Methodik zur Gestaltung der Medien werden hier gelehrt.
Zuletzt kann durch die mithilfe der vier Säulen erworbenen Fähigkeiten vom Beherrschen von Medien gesprochen werden.
Zuletzt kann durch die mithilfe der vier Säulen erworbenen Fähigkeiten vom Beherrschen von Medien gesprochen werden.  
 


===  Methodische Aspekte ===
===  Methodische Aspekte ===
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== Belege ==
== Belege ==


=== Literatur ===
'''Monographien und Aufsätze'''


'''Aufenanger, Stefan,''' Medienpädagogik, in: Heinz-Hermann Krüger, Cathleen Grunert (Hrsg.), Wörterbuch Erziehungswissenschaft, Wiesbaden 2004, S. 302-307.
'''Aufenanger, Stefan,''' Medienpädagogik, in: Heinz-Hermann Krüger, Cathleen Grunert (Hrsg.), Wörterbuch Erziehungswissenschaft, Wiesbaden 2004, S. 302-307.
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'''Frevert, Ute, Anne Schmidt,''' Geschichte, Emotion und die Macht der Bilder, in: Geschichte und Gesellschaft, 37 (2011), S. 5-25.  
'''Frevert, Ute, Anne Schmidt,''' Geschichte, Emotion und die Macht der Bilder, in: Geschichte und Gesellschaft, 37 (2011), S. 5-25.  
Geschichtsspielfilme zum historischen Lernen: „Learning by doing“: Eine Interventionsstudie zum historischen Lernen durch Geschichtsspielfilme (PDF)


'''Granier, Gerhard,''' Sammelrezension zum Historikerstreit, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 47 (1990), H. 1, S. 181-189.
'''Granier, Gerhard,''' Sammelrezension zum Historikerstreit, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 47 (1990), H. 1, S. 181-189.
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'''Wischermann, Clemens (Hrsg.)''', GeschichtsBilder. 46. Deutscher Historikertag vom 19. bis 22. September in Konstanz. Berichtband, Konstanz 2007.
'''Wischermann, Clemens (Hrsg.)''', GeschichtsBilder. 46. Deutscher Historikertag vom 19. bis 22. September in Konstanz. Berichtband, Konstanz 2007.


 
'''Internet'''
=== Weblinks ===


http://www.heute.de/Goodbye-Guido-26415458.html
http://www.heute.de/Goodbye-Guido-26415458.html
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wiki.histnet.ch
wiki.histnet.ch


=== Einzelnachweise ===
'''PDF'''
 
Geschichtsspielfilme zum historischen Lernen: „Learning by doing“: Eine Interventionsstudie zum historischen Lernen durch Geschichtsspielfilme
 
== Verweise ==


<references />
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