Bearbeiten von „Grundlagen der Geschichtskultur

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''L.Ruf, S. Paralikidou (WS 2012/13); N.Paschke (SoSe2013); T. Suttarp (WS 2013/14)''
''L.Ruf, S. Paralikidou (WS 2012/13); N.Paschke (SoSe2013); T. Suttarp (WS 2013/14)''


== Was ist Geschichtskultur? ==Geschichtskultur befasst sich mit der „Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit Vergangenheit und Geschichte umgeht“ (Hans-Jürgen Pandel) und ist eine „praktisch wirksame Artikulation von Geschichtsbewusstsein  im Leben einer Gesellschaft“ (Jörn Rüsen) <ref> Triepke 2011, S.20 </ref>.
== Was ist Geschichtskultur? ==


Geschichtskultur befasst sich mit der „Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit Vergangenheit und Geschichte umgeht“ (Hans-Jürgen Pandel) und ist eine „praktisch wirksame Artikulation von Geschichtsbewusstsein  im Leben einer Gesellschaft“ (Jörn Rüsen) <ref> Triepke 2011, S.20 </ref>.


Notwendig ist also eine Abgrenzung der Begriffe Geschichtskultur und Geschichtsbewusstsein. Geschichtsbewusstsein ist die Gesamtheit der unterschiedlichen Vorstellungen und Einstellungen zur Vergangenheit <ref> vgl. Jeismann 1977, S. 13 </ref>, wobei Geschichtsbewusstsein eine individuelle Komponente hat, während Geschichtskultur kollektiv gebildet wird. Es handelt sich quasi um zwei Seiten einer Medaille: Das Geschichtsbewusstsein bildet sich im Leben eines Menschen individuell und ist ein mentaler Prozess, die Geschichtskultur stellt als Außenseite des Geschichtsbewusstseins sämtliche Formen, Erscheinungsbilder, Ereignisse, Orte und Kunstwerke dar, die im Umgang mit Geschichte entstehen <ref> vgl. Triepke 2011, S. 21 </ref>.


Notwendig ist also eine Abgrenzung der Begriffe Geschichtskultur und [[Was ist Geschichtsbewusstsein?|Geschichtsbewusstsein]]. Geschichtskultur ist die Gesamtheit der unterschiedlichen Vorstellungen und Einstellungen zur Vergangenheit <ref> vgl. Jeismann 1977, S. 13 </ref>, wobei Geschichtsbewusstsein eine individuelle Komponente hat, während Geschichtskultur kollektiv gebildet wird. Es handelt sich quasi um zwei Seiten einer Medaille: Das Geschichtsbewusstsein bildet sich im Leben eines Menschen individuell und ist ein mentaler Prozess, die Geschichtskultur stellt als Außenseite des Geschichtsbewusstseins sämtliche Formen, Erscheinungsbilder, Ereignisse, Orte und Kunstwerke dar, die im Umgang mit Geschichte entstehen <ref> vgl. Triepke 2011, S. 21 </ref>.
Unter Geschichtskultur versteht man somit den Umgang der Gegenwart mit Geschichte, „[...] also die durch das [[Was ist Geschichtsbewusstsein?|Geschichtsbewusstsein]] geleistete historische Erinnerung“<ref> Rüsen 2008, S. 242 </ref>.
 
Unter Geschichtskultur versteht man somit den Umgang der Gegenwart mit Geschichte, „[...] also die durch das Geschichtsbewusstsein geleistete historische Erinnerung“<ref> Rüsen 2008, S. 242 </ref>.
Geschichtskultur ist, wie der Name schon sagt, abhängig von den landesspezifischen Gesellschaften und ihren aktuellen politischen und ethischen Gegebenheiten, sie unterscheidet sich demnach von Nation zu Nation.
Geschichtskultur ist, wie der Name schon sagt, abhängig von den landesspezifischen Gesellschaften und ihren aktuellen politischen und ethischen Gegebenheiten, sie unterscheidet sich demnach von Nation zu Nation.


Durch Faktoren wie Familie, Schule und [[Grundlagen Medien im Geschichtsunterricht| Medien]] oder aber durch eigene unmittelbare Erfahrungen als Zeitzeuge, bildet jeder Mensch seine eigenen Bilder und Vorstellungen von Vergangenem. So erinnert sich jeder Mensch individuell - allerdings wird er dabei ständig von der Gesellschaft beeinflusst. Im Gegensatz zum Geschichtsbewusstsein führt die Geschichtskultur somit zu einem kollektiven Erzeugnis, individuelle Erinnerungen werden in der Gesellschaft gesammelt und somit kollektiv und für jeden zugänglich gemacht.
Durch Faktoren wie Familie, Schule und Medien oder aber durch eigene unmittelbare Erfahrungen als Zeitzeuge, bildet jeder Mensch seine eigenen Bilder und Vorstellungen von Vergangenem. So erinnert sich jeder Mensch individuell - allerdings wird er dabei ständig von der Gesellschaft beeinflusst. Im Gegensatz zum Geschichtsbewusstsein führt die Geschichtskultur somit zu einem kollektiven Erzeugnis, individuelle Erinnerungen werden in der Gesellschaft gesammelt und somit kollektiv und für jeden zugänglich gemacht.


Dies führt zu einem weiteren Begriff, dem der Erinnerungskultur, der im engen Zusammenhang mit Geschichtskultur steht und deshalb eine Abgrenzung nötig macht.
Dies führt zu einem weiteren Begriff, dem der Erinnerungskultur, der im engen Zusammenhang mit Geschichtskultur steht und deshalb eine Abgrenzung nötig macht.
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Die Moderne versuchte die Staatsbürger durch historische Bildung für das Gemeinwesen zu gewinnen, hier diente die „Geschichte als Bildung“.
Die Moderne versuchte die Staatsbürger durch historische Bildung für das Gemeinwesen zu gewinnen, hier diente die „Geschichte als Bildung“.
Die Postmoderne der Gegenwart hat vor allem die Wohlstandsbürger der Konsumgesellschaft im Auge, denen Geschichte als Freizeiterlebnis vermittelt werden soll, hier dient „Geschichte als Erlebnis“ <ref> vgl. Schönemann 2000, S. 47ff </ref>.
Die Postmoderne der Gegenwart hat vor allem die Wohlstandsbürger der Konsumgesellschaft im Auge, denen Geschichte als Freizeiterlebnis vermittelt werden soll, hier dient „Geschichte als Erlebnis“ <ref> vgl. Schönemann 2000, S. 47ff </ref>.
== Entstehung des Begriffs Geschichtskultur ==
== Entstehung des Begriffs Geschichtskultur ==


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Die Herrschenden versuchen die historischen Erinnerungen in geschichtsträchtigen Symbolen wie nationalen Gedenktagen, Denkmälern und Gedenkstätten oder Museen aufrecht zu erhalten <ref> vgl. Rüsen 1994, S. 15 </ref>.
Die Herrschenden versuchen die historischen Erinnerungen in geschichtsträchtigen Symbolen wie nationalen Gedenktagen, Denkmälern und Gedenkstätten oder Museen aufrecht zu erhalten <ref> vgl. Rüsen 1994, S. 15 </ref>.


Diese bewusste Traditionsbildung und – pflege hat eine politische Legitimationsfunktion. Sie vollzieht sich durch Zustimmung der Betroffenen. Die historische Erinnerung dient als [[Grundlagen Medien im Geschichtsunterricht| Medium]] dieser Zustimmung, indem sie politische Herrschaft mental im Geschichtsbewusstsein verankert <ref> vgl. Rüsen 1994, S. 15 </ref>.
Diese bewusste Traditionsbildung und – pflege hat eine politische Legitimationsfunktion. Sie vollzieht sich durch Zustimmung der Betroffenen. Die historische Erinnerung dient als Medium dieser Zustimmung, indem sie politische Herrschaft mental im Geschichtsbewusstsein verankert <ref> vgl. Rüsen 1994, S. 15 </ref>.
Sie wird hierbei nach gewissen bestehenden oder vergangenen Machtkriterien geformt und ist sehr stark an die kulturellen Gegebenheiten gebunden<ref> vgl. Rüsen 2008, S. 246 </ref>.
Sie wird hierbei nach gewissen bestehenden oder vergangenen Machtkriterien geformt und ist sehr stark an die kulturellen Gegebenheiten gebunden<ref> vgl. Rüsen 2008, S. 246 </ref>.


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Kein historisches Gemälde ist nur ästhetisch, kein Denkmal nur politisch und keine Ausstellung rein kognitiv gestaltet.
Kein historisches Gemälde ist nur ästhetisch, kein Denkmal nur politisch und keine Ausstellung rein kognitiv gestaltet.
Meistens überwiegt jedoch eine Dimension bei einem historischen Phänomen.
Meistens überwiegt jedoch eine Dimension bei einem historischen Phänomen.
Die Schwierigkeit des Verhältnisses der drei Dimensionen besteht darin, dass sobald eine Dimension den Prozess der Geschichtskultur dominiert, diese die anderen Dimensionen versucht zu instrumentalisieren <ref> vgl. Rüsen 1997, S. 40 </ref>.
Die Schwierigkeit des Verhältnisses der drei Dimensionen besteht darin, dass sobald eine Dimension den Prozess der Geschichtskultur dominiert, diese die anderen Dimensionen versucht zu instrumentalisieren <ref> vgl. Rüsen 1997, S. 40 </ref>.
Ein Dominieren der ästhetischen Dimension führt zu einer Ästhetisierung der historischen Erinnerung, die Dominanz der politischen Dimension zu einer Politisierung und die Dominanz der kognitiven Dimension zu einer Ideologisierung der Geschichtskultur.
Ein Dominieren der ästhetischen Dimension führt zu einer Ästhetisierung der historischen Erinnerung, die Dominanz der politischen Dimension zu einer Politisierung und die Dominanz der kognitiven Dimension zu einer Ideologisierung der Geschichtskultur.
Alle diese Tendenzen sind Vereinseitigungen, die auf Kosten der anderen Dimensionen gehen.
Alle diese Tendenzen sind Vereinseitigungen, die auf Kosten der anderen Dimensionen gehen.
So führt die Ästhetisierung meistens zu Defiziten der politischen Orientierung und der argumentativen Kraft des methodischen Vorgehens mit historischer Erinnerung <ref> vgl. Rüsen 1994, S. 18 </ref>.
So führt die Ästhetisierung meistens zu Defiziten der politischen Orientierung und der argumentativen Kraft des methodischen Vorgehens mit historischer Erinnerung <ref> vgl. Rüsen 1994, S. 18 </ref>.
Dass eine Dominanz der politischen Dimension sowohl auf Kosten von Wahrheitsansprüchen, als auch auf Kosten der Freiheit der Ästhetik geht und dabei die historische Erinnerung zum bloßen Mittel der Propaganda instrumentalisiert wird, hat z.B. der Nationalsozialismus bewiesen. Auch wenn die kognitive Dimension auf Kosten der politischen und der ästhetischen dominiert, tritt eine Verzerrung in der Geschichtskultur ein: Politische Herrschaftsansprüche werden dann kognitiv so aufgeladen, dass der Wahrheitsanspruch der Wissenschaft zum Dogmatismus einer Ideologie instrumentalisiert wird, wie der Marxismus-Leninismus gezeigt hat <ref> vgl. Rüsen 1994, S. 19f </ref>.
Dass eine Dominanz der politischen Dimension sowohl auf Kosten von Wahrheitsansprüchen, als auch auf Kosten der Freiheit der Ästhetik geht und dabei die historische Erinnerung zum bloßen Mittel der Propaganda instrumentalisiert wird, hat z.B. der Nationalsozialismus bewiesen.Auch wenn die kognitive Dimension auf Kosten der politischen und der ästhetischen dominiert, tritt eine Verzerrung in der Geschichtskultur ein: Politische Herrschaftsansprüche werden dann kognitiv so aufgeladen, dass der Wahrheitsanspruch der Wissenschaft zum Dogmatismus einer Ideologie instrumentalisiert wird, wie der Marxismus-Leninismus gezeigt hat <ref> vgl. Rüsen 1994, S. 19f </ref>.
 
Aus der Analyse dieser Wechselwirkungen lässt sich folgendes Prinzip gewinnen: „Diejenige historische Erinnerung kann ihre kulturelle Orientierungsfunktion am besten erfüllen, die ihre drei Dimensionen in relativer Autonomie belässt und zugleich wechselseitig kritisch aufeinander bezieht“ <ref> Rüsen 1997, S. 40 </ref>.
Aus der Analyse dieser Wechselwirkungen lässt sich folgendes Prinzip gewinnen: „Diejenige historische Erinnerung kann ihre kulturelle Orientierungsfunktion am besten erfüllen, die ihre drei Dimensionen in relativer Autonomie belässt und zugleich wechselseitig kritisch aufeinander bezieht“ <ref> Rüsen 1997, S. 40 </ref>.
 
Der Zusammenhang der drei Dimensionen der Geschichtskultur wird von dem übergreifenden Kriterium historischer Sinnbildung hergestellt.
Der Zusammenhang der drei Dimensionen der Geschichtskultur wird von dem übergreifenden Kriterium historischer Sinnbildung hergestellt. In vormodernen Gesellschaften war die Religion die allgemein akzeptierte Sinnquelle. Im Zuge der Modernisierung ist diese Quelle immer mehr versiegt. Es gab immer wieder Versuche kulturelle Instanzen einzubringen, die die Integrationsleistung der Religion übernehmen sollten (z.B. Geschichtsphilosophie), aber alle scheiterten an dem Problem der einseitigen Hervorhebung einer Dimension auf Kosten der anderen <ref> vgl. Rüsen 1995, S. 519 </ref>.
In vormodernen Gesellschaften war die Religion die allgemein akzeptierte Sinnquelle.
 
Im Zuge der Modernisierung ist diese Quelle immer mehr versiegt.
Es gab immer wieder Versuche kulturelle Instanzen einzubringen, die die Integrationsleistung der Religion übernehmen sollten (z.B. Geschichtsphilosophie), aber alle scheiterten an dem Problem der einseitigen Hervorhebung einer Dimension auf Kosten der anderen <ref> vgl. Rüsen 1995, S. 519 </ref>.
Auch wenn es im Modernisierungsprozess Sinndefizite gibt, darf jedoch nicht vergessen werden, dass jede der drei Dimensionen Sinnkriterien enthält, die aufeinander beziehbar sind: Im Bereich der Wissenschaft ist das die Rationalität des methodischen Verfahrens, im Bereich der Politik die Legitimität durch Rechtsprinzipien wie die Menschen - und Bürgerrechte und im Bereich der Kunst das Prinzip der ästhetischen Autonomie.  
Auch wenn es im Modernisierungsprozess Sinndefizite gibt, darf jedoch nicht vergessen werden, dass jede der drei Dimensionen Sinnkriterien enthält, die aufeinander beziehbar sind: Im Bereich der Wissenschaft ist das die Rationalität des methodischen Verfahrens, im Bereich der Politik die Legitimität durch Rechtsprinzipien wie die Menschen - und Bürgerrechte und im Bereich der Kunst das Prinzip der ästhetischen Autonomie.  
Diese Sinnkriterien haben einen „formalen Universalismus“ gemeinsam, in ihm drückt sich die Modernität von Geschichtskultur aus.  
Diese Sinnkriterien haben einen „formalen Universalismus“ gemeinsam, in ihm drückt sich die Modernität von Geschichtskultur aus.  
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== Geschichtskultur nach Pandel ==
== Geschichtskultur nach Pandel ==


Hans-Jürgen Pandel beschreibt Geschichtskultur als Aufgabe der [[Einführung in die Grundlagen der Fachdidaktik| Geschichtsdidaktik]]. Er meint „Viel zu wissen, ist zu wenig“<ref> Pandel 2009,S.19 </ref>.
Hans-Jürgen Pandel beschreibt Geschichtskultur als Aufgabe der Geschichtsdidaktik. Er meint „Viel zu wissen, ist zu wenig“<ref> Pandel 2009,S.19 </ref>.


Geschichtslehrer/innen vermitteln nichts über Geschehnisse der Gegenwart und der Kultur und somit findet auch keine Wahrnehmung von Geschichtskultur statt<ref>vgl.Pandel 2009,S19</ref>. Didaktiker und Lehrer empfinden, dass der Geschichtsunterricht in der Schule das gesamte Leben eines Schülers ausfüllt. Dabei gibt es jedoch noch ein Leben außerhalb und nach der Schulzeit. Fakt ist, dass zwei Geschichtsunterrichtsstunden pro Woche einhundert Freizeitstunden gegenüber stehen<ref>vgl.Pandel 2009,S19</ref>.
Geschichtslehrer/innen vermitteln nichts über Geschehnisse der Gegenwart und der Kultur und somit findet auch keine Wahrnehmung von Geschichtskultur statt<ref>vgl.Pandel 2009,S19</ref>. Didaktiker und Lehrer empfinden, dass der Geschichtsunterricht in der Schule das gesamte Leben eines Schülers ausfüllt. Dabei gibt es jedoch noch ein Leben außerhalb und nach der Schulzeit. Fakt ist, dass zwei Geschichtsunterrichtsstunden pro Woche einhundert Freizeitstunden gegenüber stehen<ref>vgl.Pandel 2009,S19</ref>.


Die Kultusministerien mit ihren Bildungsstandards unterstützen die Denkweise eines chronologisch ablaufenden Unterrichts, der nur auf Merkwissen ausgerichtet ist. Damit fehlt der Bezug der Historie zur Gegenwart und es findet eine Gegenwartsvergessenheit statt. Die in den Bildungsplänen beschriebene [[Grundlagen der historischen Kompetenzorientierung|Kompetenzorientierung]] unterstützt die Gegenwartsvergessenheit, denn es geht dabei nicht um Kompetenzen, die nötig sind, um sich in der Alltagswelt zurechtzufinden. Ein Beispiel dafür wäre, den Schülern eine Orientierung an Tages- und Wochenzeitungen zu ermöglichen und sich nicht nur am [[Das Schulbuch|Schulbuch]] festzuhalten.
Die Kultusministerien mit ihren Bildungsstandards unterstützen die Denkweise eines chronologisch ablaufenden Unterrichts, der nur auf Merkwissen ausgerichtet ist. Damit fehlt der Bezug der Historie zur Gegenwart und es findet eine Gegenwartsvergessenheit statt. Die in den Bildungsplänen beschriebene [[Grundlagen der historischen Kompetenzorientierung|Kompetenzorientierung]] unterstützt die Gegenwartsvergessenheit, denn es geht dabei nicht um Kompetenzen, die nötig sind, um sich in der Alltagswelt zurechtzufinden. Ein Beispiel dafür wäre, den Schülern eine Orientierung an Tages- und Wochenzeitungen zu ermöglichen und sich nicht nur am Schulbuch festzuhalten.


Nach Pandel können Öffentlichkeit und Schule den Umgang eines Schülers mit Geschichte nur unter den Kategorien „Wissen“ und „Wissensdefizit“ fassen. Dadurch werden oft die Schlüsse gezogen, SchülerInnen (SuS) würden nicht viel wissen. Was aber, wenn Schüler sehr wohl durch den Geschichtsunterricht vermitteltes Wissen besitzen, aber nicht wissen wie man damit umgeht? Harald Welzer spricht von einem „Übermaß an Wissen“<ref>vgl. Pandel 2009,S.21</ref>, und meint damit das Vorwissen und die [[Grundlagen der historischen Kompetenzorientierung#Die Historische Orientierungskompetenz|Orientierungskompetenz]] der SuS, die sich sowohl positiv als auch negativ auf das alltägliche Verhalten eines Schülers auswirken können. Die Geschichtskultur soll hierbei aus einem individuellen Geschichtsbewusstsein als Verständnis im Verhalten und Umgang mit Historie im Alltag resultieren.
Nach Pandel können Öffentlichkeit und Schule den Umgang eines Schülers mit Geschichte nur unter den Kategorien „Wissen“ und „Wissensdefizit“ fassen. Dadurch werden oft die Schlüsse gezogen, SchülerInnen (SuS) würden nicht viel wissen. Was aber, wenn Schüler sehr wohl durch den Geschichtsunterricht vermitteltes Wissen besitzen, aber nicht wissen wie man damit umgeht? Harald Welzer spricht von einem „Übermaß an Wissen“<ref>vgl. Pandel 2009,S.21</ref>, und meint damit das Vorwissen und die Orientierungskompetenz der SuS, die sich sowohl positiv als auch negativ auf das alltägliche Verhalten eines Schülers auswirken können. Die Geschichtskultur soll hierbei aus einem individuellen Geschichtsbewusstsein als Verständnis im Verhalten und Umgang mit Historie im Alltag resultieren.


=== Drei „geschichtskulturelle Defizite“ der Geschichtsdidaktik ===  
=== Drei „Geschichtskulturelle Defizite“ der Geschichtsdidaktik ===  


Zunächst fehlen entsprechende Begriffe und Kategorien, um mit geschichtskulturellen Objekten und Ereignissen im Alltag umzugehen, z.B. können SuS eine historische Figur in einem Gemälde erkennen, es fehlen aber kulturelle Begriffe wie Ästhetik, Expression oder Aura, die ihnen helfen das Gemälde zu interpretieren und seinen Sinn und tiefere Bedeutung zu erkennen.
Zunächst fehlen entsprechende Begriffe und Kategorien, um mit geschichtskulturellen Objekten und Ereignissen im Alltag umzugehen, z.B. können SuS eine historische Figur in einem Gemälde erkennen, es fehlen aber kulturelle Begriffe wie Ästhetik, Expression oder Aura, die ihnen helfen das Gemälde zu interpretieren und seinen Sinn und tiefere Bedeutung zu erkennen.
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Zweitens fehlt eine Methodik der Geschichtskultur, die den SuS den Umgang mit „geschichtskulturellen Objekten und Ereignissen“ erschließt. Hierbei wird eine doppelte Methodik benötigt: Eine Methodik des unterrichtlichen Vorgehens der Lehrkräfte und eine Methodik des interpretierenden Erschließens, die bei den Schülern ansetzen soll. Der Hauptgesichtspunkt dabei ist, dass historisches Denken nicht im wissenschaftlichen Denken aufgeht, ein Künstler z.B. denkt historisch, aber nicht wissenschaftlich.
Zweitens fehlt eine Methodik der Geschichtskultur, die den SuS den Umgang mit „geschichtskulturellen Objekten und Ereignissen“ erschließt. Hierbei wird eine doppelte Methodik benötigt: Eine Methodik des unterrichtlichen Vorgehens der Lehrkräfte und eine Methodik des interpretierenden Erschließens, die bei den Schülern ansetzen soll. Der Hauptgesichtspunkt dabei ist, dass historisches Denken nicht im wissenschaftlichen Denken aufgeht, ein Künstler z.B. denkt historisch, aber nicht wissenschaftlich.


Drittens muss – unter Zusammenfassung der ersten beiden Punkte – das Konzept einer geschichtskulturellen Kompetenz entwickelt werden <ref> vgl. Pandel 2009, S. 23 </ref>.


=== Rahmenbedingungen ===
Drittens muss – unter Zusammenfassung der ersten beiden Punkte – das Konzept einer geschichtskulturellen Kompetenz entwickelt werden <ref> vgl. Pandel 2009, S. 23 </ref>.=== Rahmenbedingungen ===


Ein Konzept, das Geschichtskultur SuS nahe bringt, bedarf gewisser Rahmenbedingungen, die derzeit in der Schule nicht unbedingt gegeben sind.
Ein Konzept, das Geschichtskultur SuS nahe bringt, bedarf gewisser Rahmenbedingungen, die derzeit in der Schule nicht unbedingt gegeben sind.
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Dazu kommt, dass kulturelle Ereignisse kontextlos wahrgenommen werden und man sich selbst einen Kontext generieren muss.  
Dazu kommt, dass kulturelle Ereignisse kontextlos wahrgenommen werden und man sich selbst einen Kontext generieren muss.  
Das untauglichste Mittel dafür ist der sogenannte chronologische Geschichtsunterricht, denn im täglichen Leben kommen SuS mit geschichtskulturellen Ereignissen in Berührung, die nicht zum Geschichtsunterricht passen.
Das untauglichste Mittel dafür ist der sogenannte chronologische Geschichtsunterricht, denn im täglichen Leben kommen SuS mit geschichtskulturellen Ereignissen in Berührung, die nicht zum Geschichtsunterricht passen.
Ein Beispiel dafür wäre, dass, obwohl man nach dem Lehrplan die Thematik der Industriellen Revolution behandelt, das Thema verschoben beziehungsweise unterbrochen werden sollte, wenn gerade  ein neuer Film über den Nationalsozialismus in den Kinos erschienen ist. Die  SuS werden sich den Film möglichst bald ansehen wollen, wissen aber nicht, wie sie mit dem Gesehenen umzugehen haben. Das bedeutet, man sollte die momentane Thematik der Unterrichtseinheit  in einer anderen Unterrichtsstunde fortsetzen, da es  wichtig ist, den SuS ein Verständnis mitzugeben, wie sie mit dem lebensweltlich-relevanten Film und seiner Thematik umgehen und diese verarbeiten können.
Ein Beispiel dafür wäre, dass, obwohl man nach dem Lehrplan die Thematik der Industriellen Revolution behandelt, das Thema verschoben beziehungsweise unterbrochen werden sollte, wenn gerade  ein neuer Film über den Nationalsozialismus in den Kinos erschienen ist. Die  SuS werden sich den Film möglichst bald ansehen wollen, wissen aber nicht, wie sie mit dem Gesehenen umzugehen haben. Das bedeutet, man sollte die momentane Thematik der Unterrichtseinheit  in einer anderen Unterrichtsstunde fortsetzen, da es  wichtig ist, den SuS ein Verständnis mitzugeben, wie sie mit dem lebensweltlich-relevanten Film und seiner Thematik umgehen und diese verarbeiten können.


Anstelle von „historisch-politischer Bildung“ sollte nunmehr von „historisch-kultureller Bildung“ gesprochen werden, da der erste Terminus den Eindruck erwecken  könnte, der Geschichtsunterricht würde vom Politikunterricht dominiert und nicht genug Raum für weitere Forschungsbereiche der Geschichtswissenschaft lassen <ref> vgl. Pandel 2009, S. 26 </ref>.
Anstelle von „historisch-politischer Bildung“ sollte nunmehr von „historisch-kultureller Bildung“ gesprochen werden, da der erste Terminus den Eindruck erwecken  könnte, der Geschichtsunterricht würde vom Politikunterricht dominiert und nicht genug Raum für weitere Forschungsbereiche der Geschichtswissenschaft lassen <ref> vgl. Pandel 2009, S. 26 </ref>.


Um der Problematik des „kulturellen Analphabetismus“ <ref> Pandel 2009, S. 26 </ref> entgegenzuwirken, sollte die Geschichtskultur in jeder Schulform gelehrt werden. Denn eine Einführung in die Geschichtskultur und die Entwicklung einer geschichtskulturellen Kompetenz befähigen zur kulturellen Teilhabe an aktuellen Geschehnissen.
Um der Problematik des „kulturellenAnalphabetismus“ <ref> Pandel 2009, S. 26 </ref> entgegenzuwirken, sollte die Geschichtskultur in jeder Schulform gelehrt werden. Denn eine Einführung in die Geschichtskultur und die Entwicklung einer geschichtskulturellen Kompetenz befähigen zur kulturellen Teilhabe an aktuellen Geschehnissen.
 
 


=== Funktionen der Geschichtskultur ===  
=== Funktionen der Geschichtskultur ===  


In der Geschichtskultur geht es nicht darum, historisches Wissen zu rezitieren, sondern Geschichte zu leben. Durch Vergangenheitsreferenzen (Bezüge gegenwärtiger Ereignisse auf die Vergangenheit) werden Objekte der Geschichtskultur als kulturelle Tatsachen definiert. Individuelle Deutungen folgen, wie zum Beispiel in historischen Romanen oder Filmen. Ein Bezug zu jedem anderen Aspekt des alltäglichen Lebens, wie zum Beispiel der Kunst, wird hergestellt, „Geschichtskultur ist deshalb der Raum von Bezügen und Verweisungen“ <ref> Pandel 2009, S. 27 </ref>. Kulturelle Tatsachen prägen und sind Geprägtes zugleich. Sie ermöglichen Bildung und Ausdruck von individuellem Geschichtsbewusstsein und die Auseinandersetzung mit dem Geschichtsbewusstsein anderer.
In der Geschichtskultur geht es nicht darum, historisches Wissen zu rezitieren, sondern Geschichte zu leben. Durch Vergangenheitsreferenzen (Bezüge gegenwärtiger Ereignisse auf die Vergangenheit) werden Objekte der Geschichtskultur als kulturelle Tatsachen definiert. Individuelle Deutungen folgen, wie zum Beispiel in historischen Romanen oder Filmen. Ein Bezug zu jedem anderen Aspekt des alltäglichen Lebens, wie zum Beispiel der Kunst, wird hergestellt, „Geschichtskultur ist deshalb der Raum von Bezügen und Verweisungen“ <ref> Pandel 2009, S. 27 </ref>. Kulturelle Tatsachen prägen und sind Geprägtes zugleich. Sie ermöglichen Bildung und Ausdruck von individuellem Geschichtsbewusstsein und die Auseinandersetzung mit dem Geschichtsbewusstsein anderer.
 
Kulturelle Objektivationen sind Produkte des Geschichtsbewusstseins anderer, SuS sollten lernen sich damit auseinanderzusetzen <ref> vgl. Pandel 2009, S. 28 </ref>.Jede kulturelle Tatsache ist einmalig und an eine bestimmte Art von Erinnerung gekoppelt. Dabei können durch Betrachtung einer solchen kulturellen Tatsache Bezüge zur Gegenwart hergestellt werden.
Kulturelle Objektivationen sind Produkte des Geschichtsbewusstseins anderer, SuS sollten lernen, sich damit auseinanderzusetzen <ref> vgl. Pandel 2009, S. 28 </ref>.Jede kulturelle Tatsache ist einmalig und an eine bestimmte Art von Erinnerung gekoppelt. Dabei können durch Betrachtung einer solchen kulturellen Tatsache Bezüge zur Gegenwart hergestellt werden.
Z.B. ist ein Kunstwerk einmalig und löst beim Betrachter bestimmte Erinnerungen oder Bilder aus, wodurch es in der Gegenwart verortet wird <ref> vgl. Pandel 2009, S. 29 </ref>.Durch Geschichtskultur bekommt die Handlungsdimension von Geschichte wieder eine Bedeutung. Kulturelles Handeln wird ermöglicht.Individuelle Vorgänge des [[Sinnbildung und Triftigkeit|Sinnbildens]] und Sinnverstehens werden ermöglicht (siehe unter Aufgaben und Ziele) <ref> vgl. Pandel 2009, S.27</ref>.
Z.B. ist ein Kunstwerk einmalig und löst beim Betrachter bestimmte Erinnerungen oder Bilder aus, wodurch es in der Gegenwart verortet wird <ref> vgl. Pandel 2009, S. 29 </ref>.Durch Geschichtskultur bekommt die Handlungsdimension von Geschichte wieder eine Bedeutung. Kulturelles Handeln wird ermöglicht.Individuelle Vorgänge des [[Sinnbildung und Triftigkeit|Sinnbildens]] und Sinnverstehens werden ermöglicht (siehe unter Aufgaben und Ziele) <ref> vgl. Pandel 2009, S.27</ref>.


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Ohne diese Kompetenz ist Geschichtskultur nicht erfahrbar. Sie wird benötigt, damit SuS mit „kulturellen Objektivationen“ <ref>Pandel 2009,S.32</ref> umzugehen lernen. Pandel beschreibt eine solche Kompetenz als „die Fähigkeit, sich mit wissenschaftlichen, rhetorischen, imaginativen, kontrafaktischen und diskursiven Formen gegenwärtiger Darstellung von Geschichte auseinanderzusetzen“<ref> Pandel 2009, S.32 </ref>.
Ohne diese Kompetenz ist Geschichtskultur nicht erfahrbar. Sie wird benötigt, damit SuS mit „kulturellen Objektivationen“ <ref>Pandel 2009,S.32</ref> umzugehen lernen. Pandel beschreibt eine solche Kompetenz als „die Fähigkeit, sich mit wissenschaftlichen, rhetorischen, imaginativen, kontrafaktischen und diskursiven Formen gegenwärtiger Darstellung von Geschichte auseinanderzusetzen“<ref> Pandel 2009, S.32 </ref>.


Ziel der Vermittlung von geschichtskultureller Kompetenz ist, dass geschichtskulturell kompetente SuS wissen, wie der Prozess von historischen Fakten zu aktuellen kulturellen Tatsachen verläuft und dabei Konvergenzen und Divergenzen kennen, ohne in das übliche Verhaltensmuster zu verfallen, wie : „So ist das aber nicht gewesen... Und ich habe gelernt, dass... “<ref> vgl. Pandel 2009, S.32 </ref>.
Ziel der Vermittlung von geschichtskultureller Kompetenz ist, dass geschichtskulturell kompetente SuS wissen, wie der Prozess von historischen Fakten zu aktuellen kulturellen Tatsachen verläuft und dabei Konvergenzen und Divergenzen kennen, ohne in das übliche Verhaltensmuster zu verfallen, wie : „So ist das aber nicht gewesen........Und ich habe gelernt, dass.........“<ref> vgl. Pandel 2009, S.32 </ref>.


== Darstellung von Geschichtskultur ==
== Darstellung von Geschichtskultur ==


''„Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir mit uns tragen, <br>''
„Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir mit uns tragen, die Träume, die wir spinnen und die Sehnsüchte, die uns treiben.
''die Träume, die wir spinnen und die Sehnsüchte, die uns treiben. <br>''
Damit wollen wir uns bescheiden“ (Heinz Rühmann 1944 in „Die Feuerzangenbohle“).
''Damit wollen wir uns bescheiden“ <br>''
''Heinz Rühmann 1944 in „Die Feuerzangenbowle“''
 
Erinnerungen, Träume und Sehnsüchte gehören zu den Grundempfindungen des Menschen und prägen auch die Darstellung von Geschichte.
Erinnerungen, Träume und Sehnsüchte gehören zu den Grundempfindungen des Menschen und prägen auch die Darstellung von Geschichte.
Man könnte im Zusammenhang mit solchen Filmen oder Geschichten von „populärer Geschichtsdarstellung“ oder von „nicht wissenschaftlicher Geschichtsliteratur“ <ref> Schörken 1995, S. 11 </ref> sprechen.
Man könnte im Zusammenhang mit solchen Filmen oder Geschichten von „populärer Geschichtsdarstellung“ oder von „nicht wissenschaftlicher Geschichtsliteratur“ <ref> Schörken 1995, S. 11 </ref> sprechen.
Dies vermittelt jedoch den Eindruck, als hätte allein die wissenschaftliche Geschichtsschreibung einen Anspruch auf Wahrheit und darauf, ein Teil der Geschichtskultur zu sein.
Dies vermittelt jedoch den Eindruck, als hätte allein die wissenschaftliche Geschichtsschreibung einen Anspruch auf Wahrheit und darauf, ein Teil der Geschichtskultur zu sein.
Dies würde aber das riesige Feld von Biographien, Romanen, Filmen und Fernsehproduktionen außer Acht lassen, die äußerst wichtig für die Identitätsbildung der Menschen sind und deshalb auch zur Geschichtskultur gehören.
Dies würde aber das riesige Feld von Biographien, Romanen, Filmen und Fernsehproduktionen außer Acht lassen, die äußerst wichtig für die Identitätsbildung der Menschen sind und deshalb auch zur Geschichtskultur gehören.
Rolf Schörken sieht in beiden Bereichen lediglich eine andere Schwerpunktsetzung und hat zur Differenzierung die Begriffe „Vergegenwärtigung und Rekonstruktion“ <ref> Schörken 1995, S. 11 </ref> eingeführt, wobei der Begriff Rekonstruktion für die Arbeit des wissenschaftlichen Forschens, und der Begriff der Vergegenwärtigung für das Vorstellbarmachen der Vergangenheit steht.
Rolf Schörken sieht in beiden Bereichen lediglich eine andere Schwerpunktsetzung und hat zur Differenzierung die Begriffe „Vergegenwärtigung und Rekonstruktion“ <ref> Schörken 1995, S. 11 </ref> eingeführt, wobei der Begriff Rekonstruktion für die Arbeit des wissenschaftlichen Forschens, und der Begriff der Vergegenwärtigung für das Vorstellbarmachen der Vergangenheit steht.
D.h. die rekonstruierende Seite historischer Arbeit besteht darin, die Vergangenheit so realitätsgetreu wie möglich wiederzugeben. Die vergegenwärtigende Seite historischer Arbeit setzt dagegen die Schwerpunkte anders: Hier wird eine vorgestellte Welt mit Leben erfüllt, mit Figuren, Lokalitäten, Ereignissen und Handlungen, es ist eine Imaginationswirklichkeit.
D.h. die rekonstruierende Seite historischer Arbeit besteht darin, die Vergangenheit so realitätsgetreu wie möglich wiederzugeben. Die vergegenwärtigende Seite historischer Arbeit setzt dagegen die Schwerpunkte anders: Hier wird eine vorgestellte Welt mit Leben erfüllt, mit Figuren, Lokalitäten, Ereignissen und Handlungen, es ist eine Imaginationswirklichkeit.
Imagination wird  beim Publikum auch ausdrücklich angesprochen.
Imagination wird  beim Publikum auch ausdrücklich angesprochen.
Es ist legitim und auch wichtig, Geschichte auf diese Weise den Menschen nahezubringen, auch wenn man anerkennen muss, dass eine Abhängigkeit von der rekonstruierenden Forschung besteht, damit Geschichte nicht verfälscht dargestellt wird <ref> vgl. Schörken 1995, S. 12f </ref>.
Es ist legitim und auch wichtig, Geschichte auf diese Weise den Menschen nahezubringen, auch wenn man anerkennen muss, dass eine Abhängigkeit von der rekonstruierenden Forschung besteht, damit Geschichte nicht verfälscht dargestellt wird <ref> vgl. Schörken 1995, S. 12f </ref>.
Um beide Seiten historischer Arbeit darzustellen, vergleicht Schörken den Spielberg-Film „Schindlers Liste“ mit dem Lanzmann-Film „Shoa“.
Um beide Seiten historischer Arbeit darzustellen, vergleicht Schörken den Spielberg-Film „Schindlers Liste“ mit dem Lanzmann-Film „Shoa“.
Schindlers Liste ist ein Spielfilm, der auch fiktive und künstlerische Elemente enthält, während der Fernsehfilm Shoa eine Dokumentation ist, in der Holocaust-Überlebende ihre Geschichte erzählen, wobei keinerlei künstlerische Elemente vorhanden sind.
Schindlers Liste ist ein Spielfilm, der auch fiktive und künstlerische Elemente enthält, während der Fernsehfilm Shoa eine Dokumentation ist, in der Holocaust-Überlebende ihre Geschichte erzählen, wobei keinerlei künstlerische Elemente vorhanden sind.
Dies sind zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema „Holocaust“, die beide ihre Berechtigung haben: Die Wirkung des Filmes Shoa resultiert gerade daraus, dass er keinerlei [[Grundlagen Inszenierung|Inszenierung]] enthält, sondern nur die Wahrheit berichtet.
Dies sind zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema „Holocaust“, die beide ihre Berechtigung haben: Die Wirkung des Filmes Shoa resultiert gerade daraus, dass er keinerlei Inszenierung enthält, sondern nur die Wahrheit berichtet.
Aber dieser Film entfaltet keine Massenwirkung, denn viele Menschen werden den neunstündigen Film gar nicht durchhalten, sich mit dem Thema nicht identifizieren und es auch nicht emotional an sich heranlassen.
Aber dieser Film entfaltet keine Massenwirkung, denn viele Menschen werden den neunstündigen Film gar nicht durchhalten, sich mit dem Thema nicht identifizieren und es auch nicht emotional an sich heranlassen.
Spielbergs Film mag historische Unstimmigkeiten enthalten, er erreicht jedoch Millionen Menschen unterschiedlichsten Bildungsgrades, die durch den Film emotional erschüttert werden, und darin steckt eine wichtige Leistung für die Gesellschaft.
Spielbergs Film mag historische Unstimmigkeiten enthalten, er erreicht jedoch Millionen Menschen unterschiedlichsten Bildungsgrades, die durch den Film emotional erschüttert werden, und darin steckt eine wichtige Leistung für die Gesellschaft.
Es ist wichtig die Vernichtung der Juden historisch zu erforschen, also Rekonstruktionsarbeit zu leisten, aber es ist auch sehr wichtig , dass etwas durch die Darstellung in den Menschen bewirkt wird, um Gegenwartsbezug herzustellen und Zukunftswirkung zu erreichen.
Es ist wichtig die Vernichtung der Juden historisch zu erforschen, also Rekonstruktionsarbeit zu leisten, aber es ist auch sehr wichtig , dass etwas durch die Darstellung in den Menschen bewirkt wird, um Gegenwartsbezug herzustellen und Zukunftswirkung zu erreichen.
Dies ist ohne Vergegenwärtigung nicht möglich.
Dies ist ohne Vergegenwärtigung nicht möglich.


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* [[Der Film/Filmanalyse|Filme]]
* [[Der Film/Filmanalyse|Filme]]


:Filme sind gerade bei jungen Menschen ein beliebtes [[Grundlagen Medien im Geschichtsunterricht| Medium]], um sich mit Geschichte auseinanderzusetzen. Doch ähnlich wie bei den Romanen geht es dabei mehr um den Marktwert, als um den geschichtlichen Wert. Geschichte wird in Historienfilmen und Dokumentationen daher oft besonders dramatisch und reißerisch dargestellt und erzählt.
:Filme sind gerade bei jungen Menschen ein beliebtes Medium, um sich mit Geschichte auseinanderzusetzen. Doch ähnlich wie bei den Romanen geht es dabei mehr um den Marktwert, als um den geschichtlichen Wert. Geschichte wird in Historienfilmen und Dokumentationen daher oft besonders dramatisch und reißerisch dargestellt und erzählt.


* [[Das Museum|Museen]]
* [[Das Museum|Museen]]
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Geschichtsbewusstsein bedeutet, sich zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft orientieren zu können. In der Geschichtskultur manifestiert sich dies.
Geschichtsbewusstsein bedeutet, sich zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft orientieren zu können. In der Geschichtskultur manifestiert sich dies.
Der Geschichtsunterricht hat eine doppelte Aufgabe: Er soll dabei helfen, dass SuS ein Geschichtsbewusstsein entwickeln und er soll den Umgang mit gesellschaftlicher Geschichtskultur lehren und fördern.  
Der Geschichtsunterricht hat eine doppelte Aufgabe: Er soll dabei helfen, dass SuS ein Geschichtsbewusstsein entwickeln und er soll den Umgang mit gesellschaftlicher Geschichtskultur lehren und fördern.  


===Gründe für eine Integration von Geschichtskultur in den Geschichtsunterricht===
===Gründe für eine Integration von Geschichtskultur in den Geschichtsunterricht===
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Da die  SuS in ihrem Alltag ständig mit den vielzähligen  Angeboten der Geschichtskultur konfrontiert sind, muss der Geschichtsunterricht auch die Befähigung zur kompetenten und kritischen Teilnahme an der Geschichtskultur anstreben.  
Da die  SuS in ihrem Alltag ständig mit den vielzähligen  Angeboten der Geschichtskultur konfrontiert sind, muss der Geschichtsunterricht auch die Befähigung zur kompetenten und kritischen Teilnahme an der Geschichtskultur anstreben.  
Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit entfaltet der außerschulische Umgang mit Geschichtskultur eine große Wirkung, ganz unabhängig vom Wahrheitsgehalt der jeweiligen historischen Aussage <ref> vgl. von Reeken 2004, S. 235 </ref>.
Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit entfaltet der außerschulische Umgang mit Geschichtskultur eine große Wirkung, ganz unabhängig vom Wahrheitsgehalt der jeweiligen historischen Aussage <ref> vgl. von Reeken 2004, S. 235 </ref>.
 
Deshalb sollten SuS in der Lage sein, die gegenwärtigen Erscheinungen von Geschichtskultur zu entdecken, sie zu analysieren und gegebenenfalls zu nutzen. Auch ist es von Vorteil, einen Blick auf Geschichtskulturen der Vergangenheit zu werfen, um somit deren Bedeutung hervorzuheben und Vergleiche zur Gegenwart zu ziehen. Gerade die Geschichtskultur im regionalen Umfeld der Schüler sollte genauer besprochen und analysiert werden, da der Alltagsbezug hierzu besonders hoch ist. <ref> vgl. Bildungsstandards Geschichte (Anmerkung Admin: wo, welcher, Quelle???)</ref>
Deshalb sollten SuS in der Lage sein, die gegenwärtigen Erscheinungen von Geschichtskultur zu entdecken, sie zu analysieren und gegebenenfalls zu nutzen. Auch ist es von Vorteil, einen Blick auf Geschichtskulturen der Vergangenheit zu werfen, um somit deren Bedeutung hervorzuheben und Vergleiche zur Gegenwart zu ziehen. Gerade die Geschichtskultur im regionalen Umfeld der Schüler sollte genauer besprochen und analysiert werden, da der Alltagsbezug hierzu besonders hoch ist. <ref> vgl. Bildungsstandards Geschichte (Anmerkung Admin: wo, welcher, Quelle???)</ref>
Ein weiterer Grund für die Integration ist der enorme Erfolg, den die außerschulische Geschichtskultur bei den SuS hat.
Ein weiterer Grund für die Integration ist der enorme Erfolg, den die außerschulische Geschichtskultur bei den SuS hat.
Dies zeigen z.B. Besucherzahlen von historischen Kinofilmen, Einschaltquoten historischer Sendungen, der rege Besuch von Mittelaltermärkten oder die Absatzzahlen historischer Videospiele.
Dies zeigen z.B. Besucherzahlen von historischen Kinofilmen, Einschaltquoten historischer Sendungen, der rege Besuch von Mittelaltermärkten oder die Absatzzahlen historischer Videospiele.
Offensichtlich hängt die Attraktivität damit zusammen, dass ein Bezug zu den Lebenswelten der SuS besteht, den der Geschichtsunterricht sonst nicht herstellen kann <ref> vgl. von Reeken 2004, S. 236 </ref>.
Offensichtlich hängt die Attraktivität damit zusammen, dass ein Bezug zu den Lebenswelten der SuS besteht, den der Geschichtsunterricht sonst nicht herstellen kann <ref> vgl. von Reeken 2004, S. 236 </ref>.
Der wichtigste Grund für eine Integration liegt allerdings in den wertvollen Kompetenzen, die SuS in der Auseinandersetzung mit außerschulischer Geschichtskultur erwerben können.
Der wichtigste Grund für eine Integration liegt allerdings in den wertvollen Kompetenzen, die SuS in der Auseinandersetzung mit außerschulischer Geschichtskultur erwerben können.
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Es ist daher wichtig, dass SuS lernen, sich ein eigenständiges und begründetes Urteil über die verschiedensten Formen der Geschichtsdarstellung – und Interpretation zu bilden <ref> vgl. von Reeken 2004, S. 237 </ref>.
Es ist daher wichtig, dass SuS lernen, sich ein eigenständiges und begründetes Urteil über die verschiedensten Formen der Geschichtsdarstellung – und Interpretation zu bilden <ref> vgl. von Reeken 2004, S. 237 </ref>.


=== Drei Dimensionen einer unterrichtspragmatischen Didaktik der Geschichtskultur ===


Die Behandlung geschichtskultureller Phänomene kann in dreifacher Hinsicht geschehen:


Erstens kann die Geschichtskultur als Lernort genutzt werden.
=== Drei Dimensionen einer unterrichtspragmatischen Didaktik der
Hierbei geht es um historische Erkundungen in die Geschichtskultur vor Ort, wie z.B. in das Museum, in historische Ausstellungen, [[Arbeit im Archiv|Archive]], Denkmäler oder historische Bauten.
Geschichtskultur ===


Die Behandlung geschichtskultureller Phänomene kann in dreifacher Hinsicht geschehen: Erstens kann die Geschichtskultur als Lernort genutzt werden.
Hierbei geht es um historische Erkundungen in die Geschichtskultur vor Ort, wie z.B. in das Museum, in historische Ausstellungen, Archive, Denkmäler oder historische Bauten.
Zweitens kann die Geschichtskultur als Lernanlass genutzt werden: Hierbei werden aktuelle Anlässe wie Jahrestage oder Jubiläen genutzt, um sie im Unterricht zu behandeln.
Zweitens kann die Geschichtskultur als Lernanlass genutzt werden: Hierbei werden aktuelle Anlässe wie Jahrestage oder Jubiläen genutzt, um sie im Unterricht zu behandeln.
Dabei können einerseits die Fragen der SuS beantwortet werden und andererseits auch populäre Mythen oder Legenden aufgedeckt und von empirisch triftiger Geschichte unterschieden werden.
Dabei können einerseits die Fragen der SuS beantwortet werden und andererseits auch populäre Mythen oder Legenden aufgedeckt und von empirisch triftiger Geschichte unterschieden werden.
Zuletzt kann die Geschichtskultur als Lerngegenstand genutzt werden.
Zuletzt kann die Geschichtskultur als Lerngegenstand genutzt werden.
Hierbei werden Phänomene der Geschichtskultur als Quelle für die Analyse alltäglicher Bildung von Geschichtsbewusstsein herangezogen. Z.B. kann eine historisierende Werbung analysiert und dabei die Frage beantwortet werden, wie die Gesellschaft mit ihrer Geschichte umgeht <ref> vgl. von Reeken 2004, S. 238f </ref>.
Hierbei werden Phänomene der Geschichtskultur als Quelle für die Analyse alltäglicher Bildung von Geschichtsbewusstsein herangezogen.
Z.B. kann eine historisierende Werbung analysiert und dabei die Frage beantwortet werden, wie die Gesellschaft mit ihrer Geschichte umgeht <ref> vgl. von Reeken 2004, S. 238f </ref>.
Abschließend kann festgehalten werden, dass außerschulische Geschichtskultur einen wichtigen Platz im Geschichtsunterricht einnehmen sollte, da sie eine Brücke zwischen der Lebenswelt der SuS und dem Geschichtsunterricht darstellt.
Abschließend kann festgehalten werden, dass außerschulische Geschichtskultur einen wichtigen Platz im Geschichtsunterricht einnehmen sollte, da sie eine Brücke zwischen der Lebenswelt der SuS und dem Geschichtsunterricht darstellt.


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SuS sollen kulturelle Tatsachen von Faktenwissen unterscheiden können; sie sollen lernen, mit kulturellen Tatsachen, die sich in kulturellen Objektivationen zeigen, umzugehen. Geschichtskulturell kompetente SuS müssen wissen, wie sie vom Faktenwissen zu kulturellen Tatsachen kommen und wie sie zwischen Fiktion und Realität unterscheiden können.
SuS sollen kulturelle Tatsachen von Faktenwissen unterscheiden können; sie sollen lernen, mit kulturellen Tatsachen, die sich in kulturellen Objektivationen zeigen, umzugehen. Geschichtskulturell kompetente SuS müssen wissen, wie sie vom Faktenwissen zu kulturellen Tatsachen kommen und wie sie zwischen Fiktion und Realität unterscheiden können.
Die Kompetenzen, die sie dafür benötigen, lassen sich in fünf Bereiche zusammenfassen:
Die Kompetenzen, die sie dafür benötigen, lassen sich in fünf Bereiche zusammenfassen:  
 
*Wahrnehmungskompetenz führt zur Begegnung mit historischen Tatsachen.
*'''Wahrnehmungskompetenz führt zur Begegnung mit historischen Tatsachen'''
D.h. SuS müssen einen Blick für Geschichte und geschichtskulturelle Objektivationen bekommen.
:D.h. SuS müssen einen Blick für Geschichte und geschichtskulturelle Objektivationen bekommen.
*Erschließungskompetenz führt zur Sachanalyse.
*'''Erschließungskompetenz führt zur Sachanalyse'''
Hierzu gehört der Umgang mit Quellen und Darstellungen oder anderen historischen Objekten und die Fähigkeit sich daraus ein Sachurteil zu bilden.
:Hierzu gehört der Umgang mit Quellen und Darstellungen oder anderen historischen Objekten und die Fähigkeit sich daraus ein Sachurteil zu bilden.
*Interpretationskompetenz führt zum Sachurteil.
*'''Interpretationskompetenz führt zum Sachurteil'''
Dies umfasst die Fähigkeit aus verschiedenen Arten historischer Darstellungen historischen Sinn zu erschließen und das Ganze in einen größeren Zusammenhang einzuordnen.
:Dies umfasst die Fähigkeit aus verschiedenen Arten historischer Darstellungen historischen Sinn zu erschließen und das Ganze in einen größeren Zusammenhang einzuordnen.
*Urteilskompetenz führt zum Werturteil.
*'''Urteilskompetenz führt zum Werturteil'''
Damit ist gemeint, dass SuS lernen, sich selbst aufgrund der historischen Tatsachen ein Urteil zu bilden.
:Damit ist gemeint, dass SuS lernen, sich selbst aufgrund der historischen Tatsachen ein Urteil zu bilden.
*Die Darstellungskompetenz führt zu neuen historischen Zeugnissen.
*'''Die Darstellungskompetenz führt zu neuen historischen Zeugnissen'''
Das Selber-Schreiben ist ein Prozess des Ordnens, des Verknüpfens, des Sich-In-Beziehung-Setzens zur Vergangenheit.
:Das Selber-Schreiben ist ein Prozess des Ordnens, des Verknüpfens, des Sich-In-Beziehung-Setzens zur Vergangenheit.
Wenn dies gelingt, entsteht eine neue historische Darstellung <ref> vgl. Gautschi 2009, S. 37f </ref>.
Wenn dies gelingt, entsteht eine neue historische Darstellung <ref> vgl. Gautschi 2009, S. 37f </ref>.
   
   
Zur Veranschaulichung soll hier die Skulptur von Maurizio Cattelan „HIM“, angeführt werden, die er 2001 geschaffen hat. Hier wird Hitler dargestellt, wie man ihn aus dem Geschichtsunterricht ''nicht'' kennt: Die Skulptur ist nur 1,40 cm groß, „HIM“ kniet und hält seine Hände vor dem Bauch verschränkt zusammen. Die SuS lernen, dass diese Skulptur in keinem Zusammenhang mit den niedergeschrieben Fakten steht, sondern eine  wortlose, individuelle Interpretation des Künstlers ist.  
Nehmen wir zur Veranschaulichung die Skulptur von Maurizio Cattelan „HIM“, die er 2001 geschaffen hat. Hier wird Hitler dargestellt, wie man ihn aus dem Geschichtsunterricht ''nicht'' kennt: Die Skulptur ist nur 1,40 cm groß, „HIM“ kniet und hält seine Hände vor dem Bauch verschränkt zusammen. Die SuS lernen, dass diese Skulptur in keinem Zusammenhang mit den niedergeschrieben Fakten steht, sondern eine  wortlose, individuelle Interpretation des Künstlers ist.  
Die Skulptur provoziert kontrafaktische Überlegungen: „Hätte ein überlebender Hitler wie Brandt auf die Knie fallen können und alles wäre vergeben und vergessen gewesen?
Die Skulptur provoziert kontrafaktische Überlegungen: „Hätte ein überlebender Hitler wie Brandt auf die Knie fallen können und alles wäre vergeben und vergessen gewesen?
Ist mit Brandt der Hitler in uns selbst auf die Knie gegangen“? <ref> Pandel 2009, S. 31 </ref>
Ist mit Brandt der Hitler in uns selbst auf die Knie gegangen“? <ref> Pandel 2009, S. 31 </ref>
Ein weiteres Beispiel für die Förderung des Geschichtsbewusstseins und den Umgang mit Geschichtskultur ist die Einführung von fiktionalen historischen Jugendbüchern, wie z.B. „Wo warst du Robert?“ von Hans-Magnus Enzensberger, in den Geschichtsunterricht.  
Ein weiteres Beispiel für die Förderung des Geschichtsbewusstseins und den Umgang mit Geschichtskultur ist die Einführung von fiktionalen historischen Jugendbüchern, wie z.B. „Wo warst du Robert?“ von Hans-Magnus Enzensberger, in den Geschichtsunterricht.  
Daran haben SuS in der Regel mehr Interesse, als an der bloßen Vermittlung historischer Fakten.
Daran haben SuS in der Regel mehr Interesse, als an der bloßen Vermittlung historischer Fakten.
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Der Erwerb von Wissen über fiktionale Texte ist zwar ein indirekter, aber ein wirkungsvoller Weg: Beim Lesen darüber wie Menschen zu anderen Zeiten und Orten gelebt haben, erfahren die SuS auch immer etwas über sich selbst.
Der Erwerb von Wissen über fiktionale Texte ist zwar ein indirekter, aber ein wirkungsvoller Weg: Beim Lesen darüber wie Menschen zu anderen Zeiten und Orten gelebt haben, erfahren die SuS auch immer etwas über sich selbst.
Die Lektüre fordert auf zum Vergleich mit der eigenen Zeit und den eigenen Lebensumständen <ref> vgl. Rox-Helmer 2009, S. 102ff </ref>.
Die Lektüre fordert auf zum Vergleich mit der eigenen Zeit und den eigenen Lebensumständen <ref> vgl. Rox-Helmer 2009, S. 102ff </ref>.


'''Selbst entwickelte Umsetzungsmöglichkeiten'''
'''Selbst entwickelte Umsetzungsmöglichkeiten'''
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Eine Umsetzung in den Geschichtsunterricht wäre möglich durch ein historisches Ereignis und dessen besondere Beziehung zu einem [[Gegenständliche Quellen|Objekt]], welches noch heute präsent ist. Dessen Bedeutung könnte den SuS durch einen Besuch des Objektes näher gebracht werden. Eine anschließende Diskussion mit Reflexionsarbeit auf Seiten der SuS hilft ihnen, ihr Geschichtsbewusstsein zu intensivieren und in Diskussionen ihre Geschichtskultur auszuprägen.
Eine Umsetzung in den Geschichtsunterricht wäre möglich durch ein historisches Ereignis und dessen besondere Beziehung zu einem [[Gegenständliche Quellen|Objekt]], welches noch heute präsent ist. Dessen Bedeutung könnte den SuS durch einen Besuch des Objektes näher gebracht werden. Eine anschließende Diskussion mit Reflexionsarbeit auf Seiten der SuS hilft ihnen, ihr Geschichtsbewusstsein zu intensivieren und in Diskussionen ihre Geschichtskultur auszuprägen.
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Außerdem sollte der Film einen gut recherchierten historischen Hintergrund haben.
Außerdem sollte der Film einen gut recherchierten historischen Hintergrund haben.


Schulabschlussfahrten bieten auch Möglichkeiten, die Geschichtskultur der Klassengemeinschaft zu fördern. Beispielsweise eine Abschlussfahrt nach Berlin. Die Stadt besitzt eine Vielzahl (historischer) Denkmäler und Museen, die Geschichte beinhalten – wie auch die Stadt an sich  einen [[Historische Orte als Lernorte|historischen Lernort]] darstellt. Die Geschichte  Berlins könnte den  SuS praktisch veranschaulicht werden. Schon bevor man die Reise antritt, kann den  SuS die Aufgabe gestellt werden, sich in Gruppen auf einen Aspekt der Geschichte der Stadt vorzubereiten und dann anschließend bei der Erkundung der Stadt die Plätze und Objekte besuchen, die zu ihrem Thema relevant sein könnten.
Schulabschlussfahrten bieten auch Möglichkeiten, die Geschichtskultur der Klassengemeinschaft zu fördern. Beispielsweise eine Abschlussfahrt nach Berlin. Die Stadt besitzt eine Vielzahl (historischer) Denkmäler und Museen, die Geschichte beinhalten – wie auch die Stadt an sich  einen historischen Lernort darstellt. Die Geschichte  Berlins könnte den  SuS praktisch veranschaulicht werden. Schon bevor man die Reise antritt, kann den  SuS die Aufgabe gestellt werden, sich in Gruppen auf einen Aspekt der Geschichte der Stadt vorzubereiten und dann anschließend bei der Erkundung der Stadt die Plätze und Objekte besuchen, die zu ihrem Thema relevant sein könnten.


Eine weitere Umsetzungsmöglichkeit wäre es,  SuS im Rahmen eines Projektes ein historisches Theaterstück in einer modernen Version, die zum Beispiel mit der Bewältigung des Alltags zu tun hat, aufführen zu lassen. Die Recherche zu dem Stück und ihren Rollen müssten die  SuS jeweils selbst  organisieren, um sich in die Perspektive besser hineinversetzen zu können. In gemeinsamen Besprechungen und Diskussionen im Klassenraum können die bisher gesammelten Ergebnisse zusammengetragen, analysiert und reflektiert werden. Dadurch wird nicht nur die Geschichtskultur gefördert, sondern es prägt gleichzeitig das individuelle Geschichtsbewusstsein jedes einzelnen Schülers aus und bringt ihn dazu, sich mit seiner eigenen Person auseinanderzusetzen und sich selbst zu reflektieren.
Eine weitere Umsetzungsmöglichkeit wäre es,  SuS im Rahmen eines Projektes ein historisches Theaterstück in einer modernen Version, die zum Beispiel mit der Bewältigung des Alltags zu tun hat, aufführen zu lassen. Die Recherche zu dem Stück und ihren Rollen müssten die  SuS jeweils selbst  organisieren, um sich in die Perspektive besser hineinversetzen zu können. In gemeinsamen Besprechungen und Diskussionen im Klassenraum können die bisher gesammelten Ergebnisse zusammengetragen, analysiert und reflektiert werden. Dadurch wird nicht nur die Geschichtskultur gefördert, sondern es prägt gleichzeitig das individuelle Geschichtsbewusstsein jedes einzelnen Schülers aus und bringt ihn dazu, sich mit seiner eigenen Person auseinanderzusetzen und sich selbst zu reflektieren.
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So können Narrationen entstehen, die beispielsweise einen Vergleich zwischen Vergangenheit, Gegenwart und sogar Zukunft ermöglichen. An kreativen Ausdrucksmöglichkeiten finden Schüler recht schnell Freude und lernen noch dazu einen sinnvollen Umgang mit- beziehungsweise Nutzungsmöglichkeiten des Web 2.0.
So können Narrationen entstehen, die beispielsweise einen Vergleich zwischen Vergangenheit, Gegenwart und sogar Zukunft ermöglichen. An kreativen Ausdrucksmöglichkeiten finden Schüler recht schnell Freude und lernen noch dazu einen sinnvollen Umgang mit- beziehungsweise Nutzungsmöglichkeiten des Web 2.0.
Somit entwickeln  SuS oft einen neuen Blickwinkel für bisher Unbekanntes und können auch ihre Kreativität und Fantasie fördern - die in jedem Alter von großer Bedeutung  sind.
Somit entwickeln  SuS oft einen neuen Blickwinkel für bisher Unbekanntes und können auch ihre Kreativität und Fantasie fördern - die in jedem Alter von großer Bedeutung  sind.


=== Mögliche Probleme der Umsetzung im Geschichtsunterricht ===
=== Mögliche Probleme der Umsetzung im Geschichtsunterricht ===

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