Bearbeiten von „Was ist guter Geschichtsunterricht nach Gautschi?

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''J. Metzinger (Januar 2014); V. Thomas (Juni 2014)''
''J. Metzinger, Januar 2014''
 
== Einleitung ==
== Einleitung ==


In seiner Dissertation „Guter Geschichtsunterricht. Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise“ (2009) greift Peter Gautschi die allgegenwärtige und fortdauernde Kritik am Geschichtsunterricht auf und liefert einen konstruktiven Beitrag zu einer nutzerorientierten geschichtsdidaktischen Forschung. Ausgangspunkt für seine Unterrichtsforschung war die Fragestellung, was guter Geschichtsunterricht sei. Dieser soll zunächst identifiziert, beschrieben und analysiert werden. Gautschi verfolgt demnach die Qualitätsfrage, eine von fünf Diskussionsgrundlagen über Geschichtsunterricht. Die Inhalts-, Ziel-, Legitimations- und Methodenfrage werden von Gautschi in dieser Arbeit angeschnitten, die Frage nach der Qualität steht jedoch im Fokus.
In seiner Dissertation „Guter Geschichtsunterricht. Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise“ (2009) greift Peter Gautschi die allgegenwärtige und fortdauernde Kritik am Geschichtsunter-richt auf und liefert einen konstruktiven Beitrag zu einer nutzerorientierten geschichtsdidakti-schen Forschung. Ausgangspunkt für seine Unterrichtsforschung war die Fragestellung, was guter Geschichtsunterricht sei. Dieser soll zunächst identifiziert, beschrieben und analysiert werden. Gautschi verfolgt demnach die Qualitätsfrage, eine von fünf Diskussionsgrundlagen über Geschichtsunterricht. Die Inhalts-, Ziel-, Legitimations- und Methodenfrage werden von Gautschi in dieser Arbeit angeschnitten, die Frage nach der Qualität steht jedoch im Fokus.
    
    
Die Qualitätsfrage wurde bereits zwei Jahrzehnte zuvor im angelsächsischen Raum diskutiert (Fraser/Walberg/Welch/Hattie u.a., 1987), ehe durch die Vergleichsstudien wie TIMSS und PISA dieser Diskurs auch innerhalb Deutschlands thematisiert wurde. Zu dieser Zeit  verfolgte die Wissenschaft noch einen fachunspezifischen Ansatz, die Suche nach allgemeinen Qualitätsmerkmalen stand im Zentrum. Vergleichsweise neu ist der „Trend zu einer fach- und inhaltsspezifischen Betrachtung von Unterrichtsqualität“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 10 </ref>
Die Qualitätsfrage wurde bereits zwei Jahrzehnte zuvor im angelsächsischen Raum diskutiert (Fraser/Walberg/Welch/Hattie u.a., 1987), ehe durch die Vergleichsstudien wie TIMSS und PISA dieser Diskurs auch innerhalb Deutschlands thematisiert wurde. Zu dieser Zeit  verfolg-te die Wissenschaft noch einen fachunspezifischen Ansatz, die Suche nach allgemeinen Qua-litätsmerkmalen stand im Zentrum. Vergleichsweise neu ist der „Trend zu einer fach- und inhaltsspezifischen Betrachtung von Unterrichtsqualität“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 10 </ref>


Neben den pädagogisch-didaktischen Theorien sind hierbei vor allem die bereits veröffent-lichten Forschungsarbeiten zur Unterrichtsqualität relevant, die zwei verschiedenen For-schungsansätzen folgen. Einer dieser Ansätze, den Gautschi unter dem Begriff „Lehr-Lernforschung“ subsumiert, befasst sich mit dem Klassenmanagement, mit Unterrichtsstrate-gien, mit dem Lehrstil oder der Lehrereffektivität. Zum anderen Ansatz – „Klimaforschung“ genannt – zählt Gautschi Arbeiten zu Unterrichtsklima, Lernumwelt oder zu den Beziehungen unter den Beteiligten.
Neben den pädagogisch-didaktischen Theorien sind hierbei vor allem die bereits veröffent-lichten Forschungsarbeiten zur Unterrichtsqualität relevant, die zwei verschiedenen For-schungsansätzen folgen. Einer dieser Ansätze, den Gautschi unter dem Begriff „Lehr-Lernforschung“ subsumiert, befasst sich mit dem Klassenmanagement, mit Unterrichtsstrate-gien, mit dem Lehrstil oder der Lehrereffektivität. Zum anderen Ansatz – „Klimaforschung“ genannt – zählt Gautschi Arbeiten zu Unterrichtsklima, Lernumwelt oder zu den Beziehungen unter den Beteiligten.
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Den Forschungsarbeiten zu Unterrichtsqualität liegen verschiedene Forschungsparadigmen zugrunde. Gautschis Arbeit lässt sich am ehesten dem Prozess-Produkt-Paradigma zuordnen, da der Fokus auf die Analyse des Unterrichtsprozesses gelegt wird, mit dem Ziel, die Qualität in diesem zu identifizieren. Der Outcome als eine externe Referenz spielt in Gautschis Arbeit keine  Rolle.  
Den Forschungsarbeiten zu Unterrichtsqualität liegen verschiedene Forschungsparadigmen zugrunde. Gautschis Arbeit lässt sich am ehesten dem Prozess-Produkt-Paradigma zuordnen, da der Fokus auf die Analyse des Unterrichtsprozesses gelegt wird, mit dem Ziel, die Qualität in diesem zu identifizieren. Der Outcome als eine externe Referenz spielt in Gautschis Arbeit keine  Rolle.  
Gautschi hat sein Werk in sieben Kapitel gegliedert:  
Gautschi hat sein Werk in sieben Kapitel gegliedert:  
# Einleitung: Fragestellung und Rele-vanz,  
1. Einleitung: Fragestellung und Rele-vanz,  
# Grundlagen: Qualitätsdiskussionen über Geschichtsunterricht, 3. Vorgehen: Mehrper-spektivische, explorative und deskriptive Querschnittstudie,
2. Grundlagen: Qualitätsdiskussionen über Geschichtsunterricht, 3. Vorgehen: Mehrper-spektivische, explorative und deskriptive Querschnittstudie,
# Exploration: Identifikation von gutem Geschichtsunterricht,  
4. Exploration: Identifikation von gutem Geschichtsunterricht,  
# Analyse: Beschreibung und Beurteilung der ausgewählten Lektionen,  
5. Analyse: Beschreibung und Beurteilung der ausgewählten Lektionen,  
# Erkenntnisse: Guter Geschichtsunterricht heute,  
6. Erkenntnisse: Guter Geschichtsunterricht heute,  
# Diskussion und Ausblick: Ein neuer Dialog von [[Einführung in die Grundlagen der Fachdidaktik| Geschichtsdidaktik]] und Unterrichtspraxis
7. Diskussion und Ausblick: Ein neuer Dialog von Geschichtsdidaktik und Unterrichtspraxis


=== Datenbasis und Forschungsfragen ===
=== Datenbasis und Forschungsfragen ===
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„1. Gib es im Unterrichtsalltag Geschichtslektionen, die in der Wahrnehmung von Lehrenden als auch von Lernenden sowie von externen Expertinnen und Experten als „gut“ beurteilt werden?
„1. Gib es im Unterrichtsalltag Geschichtslektionen, die in der Wahrnehmung von Lehrenden als auch von Lernenden sowie von externen Expertinnen und Experten als „gut“ beurteilt werden?


2. Welche Dimensionen und Kriterien werden bei der Beurteilung und Charakterisierung von „guten“ Geschichtslektionen von Lehrenden, Lernenden sowie von Expertinnen, Experten berücksichtigt?
2.Welche Dimensionen und Kriterien werden bei der Beurteilung und Charakterisierung von „guten“ Geschichtslektionen von Lehrenden, Lernenden sowie von Expertinnen, Experten berücksichtigt?


3.Unterscheiden sich die von den verschiedenen Bezugsgruppen als „gut“ beurteilten Geschichtslektionen hinsichtlich Unterrichtsform und Lernmaterialien von anderen Geschichtslektionen?
3.Unterscheiden sich die von den verschiedenen Bezugsgruppen als „gut“ beurteilten Geschichtslektionen hinsichtlich Unterrichtsform und Lernmaterialien von anderen Geschichtslektionen?
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*d.Schaffung von angemessener Klarheit und Strukturiertheit  
*d.Schaffung von angemessener Klarheit und Strukturiertheit  


Jene vier Gütekriterien werden wiederum mit verschiedenen Indikatoren präzisiert. Gautschi beruft sich hierbei zum einen an Aussagen von Kramsi, Brophy, Meyerm Helmke und Clau-sen, Reuser und Klieme und zum anderen an einem von Gautschi selbst veröffentlichten Be-obachtungs- und Beurteilungsbogen. <ref> Gautschi, Peter (2005): Geschichte lehren, S. 185 </ref> In den aufgeführten Indikatoren – jeweils fünf bis sechs pro Gütekriterium – finden sich vor allem Aussagen über die Lehrperson und ihr Umgang mit Lernenden, Lerngegen-stand, Ressourcen, Lehr- und [[Grundlagen Arbeits- und Sozialformen|Sozialformen]] etc., aber auch Aussagen über die Lernenden fin-den sich wieder. Darüber hinaus werden auch Aussagen über die Lehr-Lernkultur und die Interaktions- und Beziehungskultur getroffen (Bsp.: „„Die Lehrperson motiviert die Lernen-den, z.B. durch Ermutigung u. Bestärkung““ oder „„Die Lehrperson sorgt für eine sinnstiften-de Kommunikation: sie geht z.B. auf Fragen von Lernenden ein“). <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 87 </ref>  Zuletzt wird die Stoff-, Ziel- und Aufgabenkultur thematisiert (Bsp.: „Die Lehrperson passt die Komplexität des Themas dem Entwicklungsstand der Lernenden an.“). <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 87 </ref>  
Jene vier Gütekriterien werden wiederum mit verschiedenen Indikatoren präzisiert. Gautschi beruft sich hierbei zum einen an Aussagen von Kramsi, Brophy, Meyerm Helmke und Clau-sen, Reuser und Klieme und zum anderen an einem von Gautschi selbst veröffentlichten Be-obachtungs- und Beurteilungsbogen. <ref> Gautschi, Peter (2005): Geschichte lehren, S. 185 </ref> In den aufgeführten Indikatoren – jeweils fünf bis sechs pro Gütekriterium – finden sich vor allem Aussagen über die Lehrperson und ihr Umgang mit Lernenden, Lerngegen-stand, Ressourcen, Lehr- und Sozialformen etc., aber auch Aussagen über die Lernenden fin-den sich wieder. Darüber hinaus werden auch Aussagen über die Lehr-Lernkultur und die Interaktions- und Beziehungskultur getroffen (Bsp.: „„Die Lehrperson motiviert die Lernen-den, z.B. durch Ermutigung u. Bestärkung““ oder „„Die Lehrperson sorgt für eine sinnstiften-de Kommunikation: sie geht z.B. auf Fragen von Lernenden ein“). <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 87 </ref>  Zuletzt wird die Stoff-, Ziel- und Aufgabenkultur thematisiert (Bsp.: „Die Lehrperson passt die Komplexität des Themas dem Entwicklungsstand der Lernenden an.“). <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 87 </ref>  
   
   
Betrachtet man die vier Gütekriterien und die dazugehörigen Indikatoren, so fällt auf, dass es sich bei den aufgeführten Kriterien und Indikatoren um fachunspezifische Aussagen über Un-terrichtsqualität handelt. Diese Aussagen treffen folglich für jede erdenkliche Fächer, Stufen und Schulformen zu und beinhalten alle Strukturelemente von Geschichtsunterricht bis auf den Lerngegenstand. Da die oben aufgeführten Gütekriterien und Indikatoren nur Aussagen über die „fachunspezifische Prozessstruktur von Unterricht“ zulassen, bleibt die Dimension Gegenstand „und damit das Fachspezifische des Geschichtsunterrichts“ unberührt. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 87f. </ref>
Betrachtet man die vier Gütekriterien und die dazugehörigen Indikatoren, so fällt auf, dass es sich bei den aufgeführten Kriterien und Indikatoren um fachunspezifische Aussagen über Un-terrichtsqualität handelt. Diese Aussagen treffen folglich für jede erdenkliche Fächer, Stufen und Schulformen zu und beinhalten alle Strukturelemente von Geschichtsunterricht bis auf den Lerngegenstand. Da die oben aufgeführten Gütekriterien und Indikatoren nur Aussagen über die „fachunspezifische Prozessstruktur von Unterricht“ zulassen, bleibt die Dimension Gegenstand „und damit das Fachspezifische des Geschichtsunterrichts“ unberührt. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 87f. </ref>


=== Was ist guter Geschichtsunterricht? ===
=== Was ist guter Geschichtsunterricht? ===
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*a.Thema
*a.Thema
*b.Gegenwartsbezug
*b.Gegenwartsbezug
*c.[[Einstieg|Einstieg]] / Anbahnung der historischen Begegnung
*c.Einstieg / Anbahnung der historischen Begegnung
*d.Geschichte untersuchen
*d.Geschichte untersuchen
*e.Geschichte kennen und deuten
*e.Geschichte kennen und deuten
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*2.Thematisierung von menschlichem Handeln in gesellschaftlicher Praxis  
*2.Thematisierung von menschlichem Handeln in gesellschaftlicher Praxis  
*3.Thematisierung von Veränderungen in der Zeit und von Entwicklungszusammenhän-gen
*3.Thematisierung von Veränderungen in der Zeit und von Entwicklungszusammenhän-gen
*4.Sachrichtigkeit, [[Grundlagen der Multiperspektivität| Multiperspektivität]], Kontroversität
*4.Sachrichtigkeit, Multiperspektivität, Kontroversität
*5.Bezogenheit des Themas auf die Situation der Lernenden
*5.Bezogenheit des Themas auf die Situation der Lernenden
*6.Exemplarische und zielgruppenangepasste Repräsentation von Geschichte
*6.Exemplarische und zielgruppenangepasste Repräsentation von Geschichte
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Am Ende seines Kapitels definiert Gautschi „guten“ Geschichtsunterricht wie folgt:
Am Ende seines Kapitels definiert Gautschi „guten“ Geschichtsunterricht wie folgt:
„Geschichtsunterricht ist dann gut, wenn Schülerinnen und Schüler anhand von fachspezifisch bedeutsamen Inhalten und Themen mittels eines Unterrichtsprozesses, der den Ansprüchen  der Bezugswissenschaften entspricht, relevantes geschichtliches Wissen und für Historisches Lernen grundlegende Kompetenzen erwerben und ausdifferenzieren“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 100 </ref>
„Geschichtsunterricht ist dann gut, wenn Schülerinnen und Schüler anhand von fachspezifisch bedeutsamen Inhalten und Themen mittels eines Unterrichtsprozesses, der den Ansprüchen  der Bezugswissenschaften entspricht, relevantes geschichtliches Wissen und für Historisches Lernen grundlegende Kompetenzen erwerben und ausdifferenzieren“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 100 </ref>


== Forschungsdesign und Vorgehen ==
== Forschungsdesign und Vorgehen ==
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Jede der Lektionen weist ein Güteprofil am Ende der Darstellung auf, welches Lerngegen-stand, Prozessstruktur und Nutzung der Lektionen beinhaltet. Auf einer Skala von sehr gut („++“) bis ungenügend („-„) werden die 15 Kriterien bewertet.  
Jede der Lektionen weist ein Güteprofil am Ende der Darstellung auf, welches Lerngegen-stand, Prozessstruktur und Nutzung der Lektionen beinhaltet. Auf einer Skala von sehr gut („++“) bis ungenügend („-„) werden die 15 Kriterien bewertet.  
Den einzelnen Unterrichtslektionen hätten klar formulierte Ziele sicherlich gut getan. Gerade während des Studiums und des Lehrerseminars wird gefordert, dass die angehenden Lehrer für jede Unterrichtsstunde und Unterrichtseinheit Ziele definieren, die sich am Bildungsplan orientieren. Die auf ca. drei Seiten geschilderte Behandlung von Chemiewaffen und den damit verbundenen Besuch eines Chemiewaffenexperten begeistert Schülerinnen und Schüler sicherlich und löst Gefühle bei ihnen aus. In der Unterrichtspraxis in Deutschland müssten sich angehende Lehrerinnen und Lehrer sicherlich rechtfertigen, welche fachlichen Ziele damit erreicht werden sollen. Gautschi erkennt selbst: „Offenbar kommt das, was aus geschichtsdi-daktischer Sicht als „angemessene Thematisierung“ gelten kann (z.B. [[Grundlagen der Multiperspektivität| multipespektivische]] Thematisierung oder kontroverse Materialien zu ausgewählten Inhalten) bei den Lernenden in der vorliegenden Lektion nicht gleich gut an wie die monoperspektivische Darstellung zu „Chemiewaffen“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Er-kenntnisse, Hinweise, S. 200 </ref>
Den einzelnen Unterrichtslektionen hätten klar formulierte Ziele sicherlich gut getan. Gerade während des Studiums und des Lehrerseminars wird gefordert, dass die angehenden Lehrer für jede Unterrichtsstunde und Unterrichtseinheit Ziele definieren, die sich am Bildungsplan orientieren. Die auf ca. drei Seiten geschilderte Behandlung von Chemiewaffen und den damit verbundenen Besuch eines Chemiewaffenexperten begeistert Schülerinnen und Schüler sicherlich und löst Gefühle bei ihnen aus. In der Unterrichtspraxis in Deutschland müssten sich angehende Lehrerinnen und Lehrer sicherlich rechtfertigen, welche fachlichen Ziele damit erreicht werden sollen. Gautschi erkennt selbst: „Offenbar kommt das, was aus geschichtsdi-daktischer Sicht als „angemessene Thematisierung“ gelten kann (z.B. multiperspektivische Thematisierung oder kontroverse Materialien zu ausgewählten Inhalten) bei den Lernenden in der vorliegenden Lektion nicht gleich gut an wie die monoperspektivische Darstellung zu „Chemiewaffen“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Er-kenntnisse, Hinweise, S. 200 </ref>
 
Am Beispiel der Unterrichtslektion „Auseinandersetzung mit sechs Freiheitsrechten“ habe ich mittels des videografierten Unterrichts auf unterrichtsvideos.ch exemplarisch  einen Verlaufsplan angefertigt, sodass sich angehende Lehrerinnen und Lehrer sowie Lehrpersonen ein besseres Bild vom Aufbau der Unterrichtsstunde machen können (siehe Anhang). Hervorzuheben sind die „schlanken“ Übergänge zwischen den einzelnen Phasen und der störungsfreie Ablauf. Die Unterrichtszeit wird effektiv genutzt und die Schülerinnen und Schüler arbeiten viel selbst in Einzel- und Partnerarbeit. Interessant wäre, wie diese Stunde z.B. im Rahmen eines Tagesfachpraktikums in Deutschland durch die Hochschuldozenten bewertet werden würde. Sicherlich gäbe es auch Ansätze für Kritik. Der Einstieg, den Gautschi als informierend und motivierend betrachtet, könnte gleichwohl auch als zu zäh kritisiert werden. Generell ist diese Unterrichtslektion sehr nahe am politischen Unterricht angesiedelt, könnte meiner Meinung nach auch eine gute Politikstunde abgeben.


Am Beispiel der Unterrichtslektion „Auseinandersetzung mit sechs Freiheitsrechten“ habe ich mittels des videografierten Unterrichts auf unterrichtsvideos.ch exemplarisch  einen Verlaufsplan angefertigt, sodass sich angehende Lehrerinnen und Lehrer sowie Lehrpersonen ein besseres Bild vom Aufbau der Unterrichtsstunde machen können (siehe Anhang). Hervorzuheben sind die „schlanken“ Übergänge zwischen den einzelnen Phasen und der störungsfreie Ablauf. Die Unterrichtszeit wird effektiv genutzt und die Schülerinnen und Schüler arbeiten viel selbst in Einzel- und Partnerarbeit. Interessant wäre, wie diese Stunde z.B. im Rahmen eines Tagesfachpraktikums in Deutschland durch die Hochschuldozenten bewertet werden würde. Sicherlich gäbe es auch Ansätze für Kritik. Der [[Einstieg|Einstieg]], den Gautschi als informierend und motivierend betrachtet, könnte gleichwohl auch als zu zäh kritisiert werden. Generell ist diese Unterrichtslektion sehr nahe am politischen Unterricht angesiedelt, könnte meiner Meinung nach auch eine gute Politikstunde abgeben.


== Erkenntnisse: Guter Geschichtsunterricht heute ==
== Erkenntnisse: Guter Geschichtsunterricht heute ==
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Einige der Expertinnen und Experten stützen sich in ihren Urteilen auf bekannte Theorien und Modelle, wie das Modell von Kramis (1990). Hierbei kommen die drei Dimensionen „Be-deutsamkeit“ (Aktualitätsbezug), „Effizienz“ (angemessene Rhythmisierung und Hinarbeiten auf die Ergebnissicherung)und „Unterrichtsklima“ (engagierte Betreuung der Arbeitsgruppe) ins Spiel. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 231 </ref>
Einige der Expertinnen und Experten stützen sich in ihren Urteilen auf bekannte Theorien und Modelle, wie das Modell von Kramis (1990). Hierbei kommen die drei Dimensionen „Be-deutsamkeit“ (Aktualitätsbezug), „Effizienz“ (angemessene Rhythmisierung und Hinarbeiten auf die Ergebnissicherung)und „Unterrichtsklima“ (engagierte Betreuung der Arbeitsgruppe) ins Spiel. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 231 </ref>
 
   
Dr. Gerhard Henke – Bockschatz (Professor für Didaktik der Geschichte), der eine Videomitschnittanalyse in einer Geschichtsstunde über den Sturm auf den Winterpalast durchgeführt hat, schließt sich den genannten Punkten an. Er hat jedoch auch neue Punkte analysiert, die einen Unterricht gelingen lassen: Neben den Persönlichkeitsmerkmalen, führt er zusätzlich die Analysefähigkeit der Lehrperson auf, welche den Unterricht erst klar strukturiert werden lässt. Außerdem hat der Lehrer mithilfe seiner Analyse die Möglichkeit, die Schüler für den Geschichtsunterricht zu motivieren. Als weiteren Punkt führt er die Rahmenbedingungen, wie z.B. Lehrpläne und Ausstattung auf. Seiner Meinung nach, ist auch die Ausstattung der Schule und die zur Verfügung stehenden [[Grundlagen Medien im Geschichtsunterricht| Medien]] äußerst wichtig für einen gut gelingenden und abwechslungsreichen Geschichtsunterricht. Als Problem führt er den Lehrplan auf, welcher, seiner Meinung nach, sich noch zu sehr an den politisch und gesellschaftlich vorteilhaften Themen orientiert. Die didaktisch sinnvolleren Themen werden dabei kaum berücksichtigt.
Als weiteren wichtigen Punkt für einen guten Unterricht nennt Henke- Bockschatz die didaktischen Modelle und Theorien, welche von den Lehrpersonen genutzt werden.
In der Praxis schien ihm der erfolgreichste Geschichtsunterricht der problemorientierte Unterricht, der wie folgt strukturiert sein kann: Die Lehrkraft arbeitet mit den Schülern an einer klaren Problemstellung und kommt im Laufe des Stunde immer wieder auf diese zurück. Dabei haben die Schüler die Chance ihr Vorwissen einzubringen. Gemeinsam sollte die Klasse dann zu einer Lösung oder Beurteilung der historischen Situation kommen. Gerade mit dieser Form des Unterrichts sollen die Schüler für Geschichte begeistert und neugierig gemacht werden.
Derartiger Unterricht führt dazu, dass das Wissen der Schüler über Fakten hinweg über das Erkennen und Verstehen von Bedingungen hin zu dem Nachdenken über Ursachen und Gründen historischer Ereignisse führt.
Abschließend sei zu sagen, dass die Experten bei der Bewertung des Unterrichts vorwiegend das Agieren der Lehrperson im Lehr- Lern- Prozess und die Reaktion der Schüler betrachten. Die Themen und Inhalte des Unterrichts scheinen eine zurückgestellte Rolle zu spielen.
<ref> Geschichte in Wissenschaft und Unterricht : GWU; Zeitschrift des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands. - 62. (2011), H. 5/6 : Guter Geschichtsunterricht </ref>
 
=== Erkenntnisse der Lernenden ===
=== Erkenntnisse der Lernenden ===


Auch die Aussagen  - die Antworten auf die offene Frage „Was hat dir an der vergangenen Lektion besonders gut gefallen?“ - der Schülerinnen und Schüler entsprechen weitestgehend den Gütekriterien.  
Auch die Aussagen  - die Antworten auf die offene Frage „Was hat dir an der vergangenen Lektion besonders gut gefallen?“ - der Schülerinnen und Schüler entsprechen weitestgehend den Gütekriterien.  
Nach Ansicht der Lernenden hat die Lehrperson einen erheblichen Einfluss auf das Gelingen von gutem Unterricht. Schüler-Antworten wie diese unterstützen diese Behauptung: „Mein Lehrer, der Herr K.“ und „Der Lehrer ist super“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Ge-schichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 235 </ref> Neben der Bedeutung der Lehrperson erkennen die Schülerinnen und Schüler aber auch die eigene Wichtigkeit: „Wir waren ziemlich alle bei der Sache“ und „Heute war ich auch noch ganz gut drauf, [sic!] Und daher hatte ich es gut gefunden“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 235 </ref>
Nach Ansicht der Lernenden hat die Lehrperson einen erheblichen Einfluss auf das Gelingen von gutem Unterricht. Schüler-Antworten wie diese unterstützen diese Behauptung: „Mein Lehrer, der Herr K.“ und „Der Lehrer ist super“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Ge-schichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 235 </ref> Neben der Bedeutung der Lehrperson erkennen die Schülerinnen und Schüler aber auch die eigene Wichtigkeit: „Wir waren ziemlich alle bei der Sache“ und „Heute war ich auch noch ganz gut drauf, [sic!] Und daher hatte ich es gut gefunden“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 235 </ref>
 
Mit diesem Punkt beschäftigte sich ebenfalls Dr. Johannes Meyer – Hammes (abgeordneter Lehrer im Arbeitsbereich Didaktik der Geschichte). Nach einer videografierten Unterrichtsstunde werden drei Schüler befragt, ob sie diese Geschichtsstunde als gut bewerten würden.
Die Aussagen der befragten Personen weichen hierbei stark voneinander ab.
Trotz allem fasst er zusammen, dass viele Schüler, den Unterricht als gut bewerten, wenn sie ausreichend auf die Klausur vorbereitet werden. Dies bezieht sich auf Tafelbilder und hilfreiches Material, das zum Lernen dient.
Anderen Schülern ist vor allem wichtig, dass man die Fakten über historische Ereignisse lernt.
Nur wenige Schüler bewerten den Unterricht als gut, wenn sie „Geschichte erleben“. Hierbei sind die kritische Analyse von Quellen und Rollenspiele, bei denen die Schüler sich in historische Personen hineinversetzen müssen, sehr beliebt. Besonders die Empathie und das Verstehen für die Menschen und deren Entscheidungen während damaligen Ereignissen werden als „erlebend“ beschrieben.
Diese unterschiedlichen Vorstellungen kommen vor allem durch unterschiedliche Lernniveaus der Schüler zustande. Aufgrund dessen nennt Mayer – Hammes Kriterien mit denen die Lehrperson eine Chance den Geschichtsunterricht für jeden Schüler gut zu gestalten. Im Idealfall sollten die Schüler auf ihrem individuellen Niveau gefördert werden. Dies ist nur zu erreichen, wenn die Schüler mit den, ihnen individuell angemessenen, Hilfestellungen unterstützt werden. Hierbei ist jedoch das Problem, dass in Geschichtsbüchern meist von einem Mittelwert des Niveaus ausgegangen wird. Daher sollte die Lehrperson ihren Unterricht nicht nach diesen Mittelwerten planen, sondern möglichst die maximalen Kontraste herausarbeiten, um auf diese eingehen zu können.
<ref> J.Meyer Hamme,H. Thünemann, M.Zülsdorf – Kersting (2012): Was heißt guter Geschichtsunterricht?</ref>
 
=== Erkenntnisse der Lehrenden ===
=== Erkenntnisse der Lehrenden ===


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Wie bereits die Aussagen der Expertinnen und Experten zeigten, sind die Charakterisierungen von gutem Unterricht durch die Lehrenden meist fachunspezifisch. Lediglich 39 der 164 aus-gewerteten Aussagen waren fachspezifischer Natur. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Ge-schichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 237 </ref> Gautschi betont hierbei die Wichtigkeit, dass Lehrerinnen und Lehrer in naher Zukunft verstärkt die „fachspezifischen Lerngegenstände“ und deren „fachspezifische Nutzung durch die Schülerinnen und Schüler“ in den Blickpunkt nehmen müssen. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 237 </ref>
Wie bereits die Aussagen der Expertinnen und Experten zeigten, sind die Charakterisierungen von gutem Unterricht durch die Lehrenden meist fachunspezifisch. Lediglich 39 der 164 aus-gewerteten Aussagen waren fachspezifischer Natur. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Ge-schichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 237 </ref> Gautschi betont hierbei die Wichtigkeit, dass Lehrerinnen und Lehrer in naher Zukunft verstärkt die „fachspezifischen Lerngegenstände“ und deren „fachspezifische Nutzung durch die Schülerinnen und Schüler“ in den Blickpunkt nehmen müssen. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 237 </ref>
 
   
Prof. Dr. Holger Thünemann (Studienrat i.H. am Institut für Didaktik der Geschichte) führte eine Videomitschnittanalyse im Unterricht und ein darauf folgendes Interview mit einer Lehrperson durch. Hierbei erarbeitet Thünemann die Kriterien, welche die Lehrpersonen selbst für einen guten Geschichtsunterricht als besonders wichtig erachten.
Auch er kam zu dem bereits genannten Ergebnis, dass Lehrpersonen meist auf fachunspezifische Kriterien wert legen. Zum einen war die befragte Person davon überzeugt, dass guter Geschichtsunterricht von der Lehrperson selbst abhängig ist. Hierbei führte er vor allem die Lenkung im Unterrichtsgespräch, die Aktivierung der Schüler und eine adäquate Ergebnissicherung auf. Zum anderen jedoch seien auch die Unterrichtsbeteiligung und die Hausaufgabenmoral von der Seite der Schüler ein Grundstein für einen funktionierenden Unterricht.
Das Augenmerk auf die fachspezifischen Kriterien gelegt, kommt Thünemann zu dem Ergebnis, dass das historische Denken bei der Lehrperson an erster Stelle steht.
Doch auch der Zusammenhang von geschichtskultureller Kompetenz und historischem Sachwissen werden für einen guten Geschichtsunterricht genannt. „Also, ohne Sachkenntnisse kommen wir da nich hin, zur Geschichtskultur“<ref>Lehrerinterview,Z.411 f </ref>
In seinem Fazit kommt Thünemann zu dem Resultat, dass der befragten Lehrperson historisches Sachwissen zwar für relevant halten, die Prozessorientierung jedoch das wichtigste Kriterium für guten Geschichtsunterricht sei. Er erwähnt jedoch auch, dass diese Einstellung nicht bei jeder Lehrperson selbstverständlich ist. <ref> Messner,Buff: Lehrerwissen und Lehrerhandeln, S.170) </ref>
<ref> J.Meyer Hamme,H. Thünemann, M.Zülsdorf – Kersting (2012): Was heißt guter Geschichtsunterricht?</ref>
 
 
Die in diesem Kapitel aufgeführten Erkenntnisse machen deutlich, dass die meisten Aussagen von Expertinnen und Experten, Lehrenden und Lernenden zur Güte von Geschichtslektionen den Gütekriterien, die Gautschi zuvor identifiziert hatte, entsprechen. Jedoch wird auch deut-lich, dass die individuellen Voraussetzungen der Lehrenden und Lernenden einen „erhebli-chen Einfluss auf den Unterrichtsprozess und dessen Güte“ haben. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 237f. </ref>
Die in diesem Kapitel aufgeführten Erkenntnisse machen deutlich, dass die meisten Aussagen von Expertinnen und Experten, Lehrenden und Lernenden zur Güte von Geschichtslektionen den Gütekriterien, die Gautschi zuvor identifiziert hatte, entsprechen. Jedoch wird auch deut-lich, dass die individuellen Voraussetzungen der Lehrenden und Lernenden einen „erhebli-chen Einfluss auf den Unterrichtsprozess und dessen Güte“ haben. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 237f. </ref>


Interessant ist auch, dass sich die einzelnen Unterrichtslektionen hinsichtlich der Gründe, weswegen sie als „gut“ bewertet wurden, erheblich voneinander unterscheiden – „grosse [sic!] Differenzen“ werden sichtbar. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 243 </ref> Dieses Ergebnis ist meines Erachtens einerseits positiv, da den Lehrpersonen viele verschiedene Wege offenstehen, guten Ge-schichtsunterricht zu gestalten. Anderseits kann die Vielzahl an Möglichkeiten Lehrende auch verunsichern.   
Interessant ist auch, dass sich die einzelnen Unterrichtslektionen hinsichtlich der Gründe, weswegen sie als „gut“ bewertet wurden, erheblich voneinander unterscheiden – „grosse [sic!] Differenzen“ werden sichtbar. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 243 </ref> Dieses Ergebnis ist meines Erachtens einerseits positiv, da den Lehrpersonen viele verschiedene Wege offenstehen, guten Ge-schichtsunterricht zu gestalten. Anderseits kann die Vielzahl an Möglichkeiten Lehrende auch verunsichern.   


=== Unterrichtsformen und Lernmaterialien in guten Geschichtslektionen ===
=== Unterrichtsformen und Lernmaterialien in guten Geschichtslektionen ===
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Gautschi nennt drei verschiedene Unterrichtsformen, die in der Schulpraxis Anwendung fin-den: den darbietenden Unterricht, den erarbeitenden Unterricht und den aufgabenbasierten Unterricht. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkennt-nisse, Hinweise, S. 238 </ref> Guter Geschichtsunterricht ist den Erkenntnissen zufolge hauptsächlich aufgabenbasiert. Gautschi charakterisiert diese Unterrichtsform wie folgt: „Als aufgabenbasierter Geschichtsunterricht werden alle Phasen bezeichnet, in denen selbstständige Schülerarbeit vorbereitet, durchgeführt oder ausgewertet wird. Allein bei zwei Drittel der Unterrichtszeit aller mit „gut“ bewerteten Unterrichtslektionen kommt der aufgabenbasierte Unterricht zum Tragen. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundla-gen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 238 </ref> Vier von fünf Lektionen sind als aufgabenbasiert zu kennzeichnen, da dort diese Unterrichtsform über 60 Prozent ausmacht. Jedoch ist dies nicht zwingend ein Indiz für guten Geschichtsunterricht. In allen Lektionen – also auch sol-che, die nicht als „gut“ bewertet wurden - beträgt der Zeitanteil der Aufgabenbasierung 57 Prozent.
Gautschi nennt drei verschiedene Unterrichtsformen, die in der Schulpraxis Anwendung fin-den: den darbietenden Unterricht, den erarbeitenden Unterricht und den aufgabenbasierten Unterricht. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkennt-nisse, Hinweise, S. 238 </ref> Guter Geschichtsunterricht ist den Erkenntnissen zufolge hauptsächlich aufgabenbasiert. Gautschi charakterisiert diese Unterrichtsform wie folgt: „Als aufgabenbasierter Geschichtsunterricht werden alle Phasen bezeichnet, in denen selbstständige Schülerarbeit vorbereitet, durchgeführt oder ausgewertet wird. Allein bei zwei Drittel der Unterrichtszeit aller mit „gut“ bewerteten Unterrichtslektionen kommt der aufgabenbasierte Unterricht zum Tragen. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundla-gen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 238 </ref> Vier von fünf Lektionen sind als aufgabenbasiert zu kennzeichnen, da dort diese Unterrichtsform über 60 Prozent ausmacht. Jedoch ist dies nicht zwingend ein Indiz für guten Geschichtsunterricht. In allen Lektionen – also auch sol-che, die nicht als „gut“ bewertet wurden - beträgt der Zeitanteil der Aufgabenbasierung 57 Prozent.
    
    
Betreffend der Lernmaterialien kam Gautschi zu folgendem Ergebnis: In guten Geschichtslek-tionen wird hauptsächlich mit Unterrichtstexten gearbeitet, also solchen, die von der Lehrper-son selbst angefertigt wurden. Darüber hinaus werden schriftliche Lernmaterialien wie z.B. Autorentexte oder Sachtexte und visuelle Lernmaterialien wie z.B. Fotografien oder Karikatu-ren verhältnismäßig oft verwendet. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 239 </ref> Die erwähnten Lernmaterialien  kommen meist parallel im Unterricht vor. Interessant ist, dass das [[Das Schulbuch|Schulbuch]] als solches bei den bewer-teten Unterrichtslektionen keine so wichtige Rolle zu spielen scheint. Zwar gewährleistet der Einsatz von Schulgeschichtsbüchern einen lehrplankonformen Unterricht. Jedoch können Bil-dungsstandards auch auf anderem Wege erreicht werden, wie die Studie Gautschis u.a. zeigt. In vier von den fünf Unterrichtslektionen, welche als „gut“ bewertet wurden, kommen direkt oder indirekt Schulbücher zum Einsatz. Als eigenständiges Medium kommt das Schulbuch lediglich in der Lektion 2 „Auseinandersetzung mit sechs Freiheitsrechten“ in Erscheinung, d.h. die Schülerinnen und Schüler arbeiten direkt mit dem Buch. In den Lektionen 1, 3 und 4 werden Folien bzw. Kopien aus Schulgeschichtsbüchern verwendet.
Betreffend der Lernmaterialien kam Gautschi zu folgendem Ergebnis: In guten Geschichtslek-tionen wird hauptsächlich mit Unterrichtstexten gearbeitet, also solchen, die von der Lehrper-son selbst angefertigt wurden. Darüber hinaus werden schriftliche Lernmaterialien wie z.B. Autorentexte oder Sachtexte und visuelle Lernmaterialien wie z.B. Fotografien oder Karikatu-ren verhältnismäßig oft verwendet. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 239 </ref> Die erwähnten Lernmaterialien  kommen meist parallel im Unterricht vor. Interessant ist, dass das Schulbuch als solches bei den bewer-teten Unterrichtslektionen keine so wichtige Rolle zu spielen scheint. Zwar gewährleistet der Einsatz von Schulgeschichtsbüchern einen lehrplankonformen Unterricht. Jedoch können Bil-dungsstandards auch auf anderem Wege erreicht werden, wie die Studie Gautschis u.a. zeigt. In vier von den fünf Unterrichtslektionen, welche als „gut“ bewertet wurden, kommen direkt oder indirekt Schulbücher zum Einsatz. Als eigenständiges Medium kommt das Schulbuch lediglich in der Lektion 2 „Auseinandersetzung mit sechs Freiheitsrechten“ in Erscheinung, d.h. die Schülerinnen und Schüler arbeiten direkt mit dem Buch. In den Lektionen 1, 3 und 4 werden Folien bzw. Kopien aus Schulgeschichtsbüchern verwendet.


Jedoch lässt sich auch hier feststellen, dass die Ergebnisse der als „gut“ bewerteten Unter-richtslektionen nicht sonderlich stark von den als nicht „gut“ bewerteten Lektionen abwei-chen. Somit sind die Erkenntnisse zu Unterrichtsform und Lernmaterialien keine eindeutigen Indikatoren für guten Geschichtsunterricht.
Jedoch lässt sich auch hier feststellen, dass die Ergebnisse der als „gut“ bewerteten Unter-richtslektionen nicht sonderlich stark von den als nicht „gut“ bewerteten Lektionen abwei-chen. Somit sind die Erkenntnisse zu Unterrichtsform und Lernmaterialien keine eindeutigen Indikatoren für guten Geschichtsunterricht.
===Arbeitsformen===
Bernhard Unckel beschäftigt sich mit geeigneten [[Grundlagen Arbeits- und Sozialformen|Arbeitsform]]en im Geschichtsunterricht. Diese Arbeitsformen definiert er zuerst wie folgt: „Weisen der Bearbeitung historischer Sachverhalte im Medium der Sprache.“ <ref> Bergmann/Kuhn/Rüsen/Schneider (1979): Handbuch der Geschichtsdidaktik Band 2. S.47 </ref>. Dies also bedeutet für ihn, dass Geschichtsunterricht erst dann stattfindet, wenn man über Geschichte spricht  und historische Erkenntnisse dargestellt und von Schülern gelernt werden.
Die Arbeitsformen teilt er in zwei Kategorien auf: Aktionsformen der Lehrer und Lernakte der Schüler. Bei der ersten Kategorie führt er den Frontalunterricht auf. Diese kommt bis heute ein Prozentanteil von 80 % im Geschichtsunterricht zu <ref> Bergmann/Kuhn/Rüsen/Schneider (1979): Handbuch der Geschichtsdidaktik Band 2. S.39 </ref>.  Bei dieser Arbeitsform, bei der alle Schüler sich auf den Lehrer konzentrieren und keine Beziehung zu ihren Mitschülern haben, gelten die Aufnahme der Informationen und das Nachvollziehen der gegebenen Erkenntnisschritte als Einzelleistung. Hier ist es besonders wichtig, das Alter und die Reife der Schüler zu berücksichtigen. Als Kritik erwähnt Unckel den Widerspruch zwischen dem Frontalunterricht und einem lehrzentrierten Unterricht und der Erziehung der Schüler zur Selbst- und Mitbestimmung. Außerdem wird die Zusammenführung von Bildungsplan und Frontalunterricht bemängelt. Mit dem Bildungsplan wird die Rücksichtnahme auf Alter und Reife der SuS erschwert, wenn diese in der Unterstufe bereits mit dem Thema „Demokratie“ konfrontiert werden.
Die bekannteste Form des Frontalunterrichts ist der Lehrervortrag. Dieser sollte jedoch keinesfalls eingesetzt werden um den Schülern einen Überblick über Geschichte zu verschaffen. Er ist vielmehr sehr hilfreich für die Vermittlung von Informationen, die Schüler nicht oder nur mit einem zu hohen Aufwand an Arbeit, selbst erarbeiten können.
Bei dem fragend – entwickelnden Unterrichtsgespräch werden die Schüler mehr in den Unterricht mit eingebunden. Hier führt der Lehrer die Gesprächsleitung und die Klasse ist die Lerngruppe. Da die Ziele bereits schon von der Lehrperson festgelegt sind, gibt diese hierbei Impulse, um die Schüler soweit anzuleiten, damit diese die sachlich richtigen Ergebnisse herausfinden. Diese Form eignet sich besonders, wenn ein neues Problem behandelt werden soll. Die SuS müssen dieses Problem durch die eigenen Vorkenntnisse und bereits erlernten Fähigkeiten finden, brauchen für die Lösung jedoch neue Fertigkeiten. Die Schüler sollen also, z.B. mithilfe von [[Quellenarbeit im Geschichtsunterricht (Sek.I)| Quellenarbeit]] neue Gesichtspunkte und Erkenntnisakte erarbeiten. Diese Arbeitsform ist der letzte Schritt vor der größeren Selbstständigkeit
Bei der Durchführung eines Unterrichtsgesprächs haben die Schüler bereits die Unabhängigkeit erreicht und arbeiten und diskutieren auf gleicher Ebene mit der Klasse. Die Lehrperson hält sich hier größtenteils im Hintergrund. Das Unterrichtsgespräch muss natürlich durch die zuvor genannten Arbeitsformen eingeübt werden. Oftmals erreichen viele Klassen diese Stufe leider nicht. Dabei ist sie der große Schritt hin zu einigen Zielen des Geschichtsunterricht: Selbstständigkeit, Selbsttätigkeit, Fähigkeit zur Kritik, Fähigkeit zum Gespräch und Einüben von Toleranz.
In der zweiten Kategorie beschäftigt sich Unckel mit der Seite der Lernenden. Als oberste Priorität des Geschichtsunterrichts erwähnt Unckel noch einmal die Tatsache, dass Geschichtslehrer jederzeit Aufgaben verwenden sollten, welche die Schüler zur Selbstständigkeit und historischem Denken stimuliert.
Als einen Lernakt der Schüler nennt er das Referat.
Hierbei ist zu beachten, dass ein Referat niemals zur reinen Leistungsverbesserung einzusetzen ist, sondern es als einen Ausgangspunkt zur gemeinsamen Arbeit zu genutzt werden sollte. Die Aufgabe der Lehrperson ist es, dem Schüler eine präzise Aufgabenstellung und überschaubares Material zu liefern, bei dem der Schüler sich nicht nur durch Daten und Fakten kämpfen muss, sondern auf Probleme stößt, mit denen er sich während der Vorbereitung auseinander setzen muss. Nur so kann das Referat genug Denkanstöße für einen weiteren Verlauf der gemeinsamen Arbeit in der Klasse bieten.
Auch die Hausaufgaben sollten im Geschichtsunterricht nicht in erster Linie zur Lernerfolgskontrolle herangezogen werden. Primär dienen sie, so Unckel, zur Verbesserung des historischen Denkens. Durch die Erarbeitung von neuem Stoff, lernen die Schüler in ihrer eigenen Arbeit Probleme zu entdecken und Lösungsansätze zu finden. Daher ist es notwendig, dass im Unterricht mit den Hausaufgaben gearbeitet wird, damit die Schüler die Chance haben ihre Leistungen in den Unterricht mit einzubringen.
Der letzte genannte Lernakt der Schüler sind Übungen und Wiederholungen. Dies findet am sinnvollsten statt, wenn die Schüler durch die Erarbeitung von neuem Stoff altes Wissen und dessen Anwendung reaktivieren müssen. Wichtig ist, dass historische Probleme, die im Unterricht erörtert werden, auch oft in nachfolgenden Übungen oder Wiederholungen zur Sprache gebracht werden. Jahreszahlen sollten gerade im problemorientierten Geschichtsunterricht, den Unckel bevorzugt, nicht zum Hauptgegenstand des Geschichtsunterrichts gehören.
Hans – Jürgen Pandel, der geeignete Sozialformen für den Geschichtsunterricht untersucht, kam zu dem Ergebnis, dass es keine universale gute Sozialform gibt. Jede kann im Unterricht passend eingesetzt werden. Jedoch betont er eine Sozialform, bei der gerade Geschichtsunterricht anschaulich und interessant gestaltet werden kann: Die Exkursion. Er definiert diese als „Persönliche Konfrontation mit einem historischen Objekt, das unmittelbar gegeben ist, sich in Originalgröße am ursprünglichen Ort darbietet.“ <ref> Bergmann/Kuhn/Rüsen/Schneider (1979): Handbuch der Geschichtsdidaktik Band 2. S.42 </ref> Mithilfe der Exkursion wird den Schüler der Zugang zu historischen Orten und Ereignissen erleichtert, da sich ihnen Anschauungsmaterial bietet, das man durch Bücher oder andere Medien nicht liefern kann.


=== Merkmale und Schlüsselfaktoren von guten Geschichtslektionen ===
=== Merkmale und Schlüsselfaktoren von guten Geschichtslektionen ===
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=== Schlüsselfaktor Schülerorientierung: Bezogenheit des Themas auf die Situation der Lernenden ===
=== Schlüsselfaktor Schülerorientierung: Bezogenheit des Themas auf die Situation der Lernenden ===


Auch in der Fachdidaktik wird das Prinzip der „Bezogenheit des Themas auf die Situation der Lernenden“ vielfach diskutiert, wenn auch unter anderem Namen. Dehne (2006) spricht bspw. von [[Grundlagen der Schülerorientierung|Schülerorientierung]], während Rohlfes (1986, S. 178) den Begriff der Schüler-, erzie-hungs- und bildungsorientierten Konzeption benutzt. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Ge-schichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 243f. </ref> Häufig wird die Schülerorientierung jedoch in der [[Einführung in die Grundlagen der Fachdidaktik| Geschichtsdidaktik]] nicht als eigenständiger Begriff aufge-fasst, sondern unter übergeordneten Prinzipien wie dem Gegenwarts- und Zukunftsbezug sub-sumiert. Gautschi fasst die verschiedenen Konzeptionen anerkannter Didaktiker wie folgt zu-sammen: „Geschichtsunterricht erfordert zwingend einen Bezug zu den Lebensperspektiven der Schülerinnen und Schüler“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 244 </ref> Die „Gegenwärtigkeit von Vergangenheit und Geschichte“ ist auf verschiedenen Wegen im Geschichtsunterricht zu erreichen. <ref> Bergmann, Klaus (2004): Gegenwartsbezug – Zukunftsbezug. In: GWU 55, S. 93 </ref> Am Beispiel der fünf Unterrichtslektionen waren dies z.B. Zeitzeugen, [[Gegenständliche Quellen|Gegenstände]] aus der Ver-gangenheit (Gasmaske) oder die Auseinandersetzung mit Freiheitsrechten, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert haben. Die Bedeutung dieses didaktischen Prinzips begründet Gautschi in Anlehnung an Bergmann, der den Ursachenzusammenhang und den Sinneszusammenhang hervorhebt.  
Auch in der Fachdidaktik wird das Prinzip der „Bezogenheit des Themas auf die Situation der Lernenden“ vielfach diskutiert, wenn auch unter anderem Namen. Dehne (2006) spricht bspw. von Schülerorientierung, während Rohlfes (1986, S. 178) den Begriff der Schüler-, erzie-hungs- und bildungsorientierten Konzeption benutzt. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Ge-schichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 243f. </ref> Häufig wird die Schülerorientierung jedoch in der Geschichtsdidaktik nicht als eigenständiger Begriff aufge-fasst, sondern unter übergeordneten Prinzipien wie dem Gegenwarts- und Zukunftsbezug sub-sumiert. Gautschi fasst die verschiedenen Konzeptionen anerkannter Didaktiker wie folgt zu-sammen: „Geschichtsunterricht erfordert zwingend einen Bezug zu den Lebensperspektiven der Schülerinnen und Schüler“. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 244 </ref> Die „Gegenwärtigkeit von Vergangenheit und Geschichte“ ist auf verschiedenen Wegen im Geschichtsunterricht zu erreichen. <ref> Bergmann, Klaus (2004): Gegenwartsbezug – Zukunftsbezug. In: GWU 55, S. 93 </ref> Am Beispiel der fünf Unterrichtslektionen waren dies z.B. Zeitzeugen, Gegenstände aus der Ver-gangenheit (Gasmaske) oder die Auseinandersetzung mit Freiheitsrechten, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert haben. Die Bedeutung dieses didaktischen Prinzips begründet Gautschi in Anlehnung an Bergmann, der den Ursachenzusammenhang und den Sinneszusammenhang hervorhebt.  
 
Konkret heißt das, dass „vergangene Ereignisse die Vorgeschichte der Gegenwart darstellen und zum Beispiel Ursache von gegenwärtigen Problemen [sein können]“ (Ursa-chenzusammenhang) und/oder, dass Geschehnisse in der Vergangenheit als „Modell zur Er-klärung von aktuellen Situationen“ (Sinnzusammenhang) dienen können. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 245 </ref>  Auf Schülerinnen- und Schülerseite sind für diese Zusammenhänge verschiedene Kompeten-zen erforderlich wie bspw. eine „ausdifferenzierte Interpretationskompetenz“ im Umgang mit Ursachenzusammenhängen und eine „Orientierungskompetenz für Zeiterfahrung“ bei Sinnzu-sammenhängen. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Er-kenntnisse, Hinweise, S. 245 </ref> Wichtig ist vor allem, dass Schülerinnen und Schüler eine Antwort auf die Frage „…und was hat das mit mir zu tun?“ bekommen, auch wenn dies auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichts-unterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 246 </ref> 
 


Konkret heißt das, dass „vergangene Ereignisse die Vorgeschichte der Gegenwart darstellen und zum Beispiel Ursache von gegenwärtigen Problemen [sein können]“ (Ursa-chenzusammenhang) und/oder, dass Geschehnisse in der Vergangenheit als „Modell zur Er-klärung von aktuellen Situationen“ (Sinnzusammenhang) dienen können. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 245 </ref>  Auf Schülerinnen- und Schülerseite sind für diese Zusammenhänge verschiedene Kompeten-zen erforderlich wie bspw. eine „ausdifferenzierte Interpretationskompetenz“ im Umgang mit Ursachenzusammenhängen und eine „Orientierungskompetenz für Zeiterfahrung“ bei Sinnzu-sammenhängen. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Er-kenntnisse, Hinweise, S. 245 </ref> Wichtig ist vor allem, dass Schülerinnen und Schüler eine Antwort auf die Frage „…und was hat das mit mir zu tun?“ bekommen, auch wenn dies auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann. <ref> Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichts-unterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise, S. 246 </ref>


=== Schlüsselfaktor Lernaufgaben: Anregende, aktivierende und angepasste Lerngele-genheiten ===
=== Schlüsselfaktor Lernaufgaben: Anregende, aktivierende und angepasste Lerngele-genheiten ===
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Die neuen Anforderungen an Lernaufgaben von Blömeke/Risse/Müller (2006) lassen sich folglich auch auf den Geschichtsunterricht anwenden. Gautschi erkennt diese neun Postulate als Optimum an. In der Praxis lassen sich selbstverständlich nicht alle neun Anforderungen in einer einzelnen Lernaufgabe umsetzen, jedoch liefern die neun Anforderungen sicherlich hilf-reiche Anregungen für jede Lehrperson.
Die neuen Anforderungen an Lernaufgaben von Blömeke/Risse/Müller (2006) lassen sich folglich auch auf den Geschichtsunterricht anwenden. Gautschi erkennt diese neun Postulate als Optimum an. In der Praxis lassen sich selbstverständlich nicht alle neun Anforderungen in einer einzelnen Lernaufgabe umsetzen, jedoch liefern die neun Anforderungen sicherlich hilf-reiche Anregungen für jede Lehrperson.
Prof. Dr. Karl Filser (Geschichtsdidaktiker) gibt hier eine Lernform als Beispiel an, bei der die meisten der neun Anforderungen umsetzbar sind. Er spricht hier von dem Entdeckenden Lernen.
Voraussetzung dafür ist natürlich die Orientierung an den Vorrausetzungen welche, die Schüler mitbringen. Bei dieser Lernform vollbringen sie Denkakte, die sie zu Neuleistungen befähigen. Dies geschieht vor allem mit geistiger Selbstständigkeit, Eigenaktivität und Spontanität. Jedoch bekommen die Schüler Entdeckungshilfen zur Verfügung gestellt, die deren Aktivität steuern, damit motivationshemmende Fehlschläge vermieden werden. Das Ziel dieser Übung ist die Einschränkung der Führungsfunktion des Lehrers und die zunehmende größere Selbstständigkeit und Mitbestimmung im Lernprozess durch die SuS. In dem vorgegebenen Material sollte das Endprodukt, welches entdeckt werden soll, natürlich nicht als Ganzes auffindbar sein. Die Entdeckung sollte klar im Denkvollzug durch vorhandene Lösungselemente, reproduzierbaren Wissensständen und mit begrenzter Unterstützung durch die Lehrperson entstehen.
Für diese Form des Lernens ist besonders Lokal- und Regionalgeschichte ratsam, da es sich in diesem Bereich für die Schüler als am einfachsten gestaltet, Material zu finden.
==Guter Geschichtsunterricht nach Anette Kuhn==
Auch Anette Kuhn, eine deutsche Historikern, beschäftigt sich mit dem Thema, wie ein guter Geschichtsunterricht aufgebaut sein sollte. Sie zeigt eine Methode für das Herangehen an die Vorbereitung des Geschichtsunterrichts. Zu Beginn wäre es, ihrer Meinung nach, ratsam vier Fragen heranzuziehen, welche als Hilfestellung für die Strukturierung des Geschichtsunterrichts dienen sollen.
1. Welche größeren oder allgemeinen Sinn- oder Sachzusammenhänge erschließt dieser Inhalt?
2. Welche Bedeutung hat der Inhalt, bzw. die an diesem Thema zu gewinnende Erfahrung, Erkenntnis, Fähigkeit oder Fertigkeit bereits im geistigen Leben der Kinder meiner Klasse?
3. Worin liegt die Bedeutung des Themas für die Zukunft der Kinder?
4. Welches ist die Struktur des Inhalts? 
<ref> Bergmann/Kuhn/Rüsen/Schneider (1979): Handbuch der Geschichtsdidaktik Band 2. S.15 </ref>
Die Unterrichtseinheit sollte in vier Stufen vorbereitet werden.
Zuerst einmal ist eine Analyse notwendig, bei der die Lehrperson die Einstellungen, das Vorwissen und die Haltung der Schüler zu dem festgelegten Thema herausfinden und reflektieren sollte. Wird dieser Schritt vernachlässigt, besteht die Gefahr einer theorielose Planung, in der sich voranging allein auf den Inhalt konzentriert wird..
Die zweite Stufe sollte eine Planung und Begründung der Lernziele  auf den verschiedenen Lernstufen sein. Hierbei stützt sich Kuhn auf die drei Kriterien der Lernleistungen nach Jeismann:
Das erste Kriterium ist die Analysefähigkeit, welche das Aneignen von Kenntnissen vorsieht; danach sollten die Schüler sich die  Erkenntnisfähigkeit im Bereich Sachurteil und schlussendlich die Beurteilungsfähigkeit im Gegenwartskontext aneignen. <ref> Bergmann/Kuhn/Rüsen/Schneider (1979): Handbuch der Geschichtsdidaktik Band 2. S.18 </ref>
Wurden diese beiden Schritte erfolgreich beendet, kommt es zur Auseinandersetzung mit der Unterrichtsorganisation. Hierbei ist es wichtig zu entscheiden, welche [[Grundlagen Medien im Geschichtsunterricht| Medien]] genutzt werden und welche Arbeitsformen für das Thema und die Klasse besonders geeignet sind. Es sollte dabei Wert darauf gelegt werden, sowohl die [[Grundlagen der historischen Kompetenzorientierung#Die Historische Sachkompetenz|Sachkompetenz]] , als auch die kommunikative Kompetenz zu vermitteln.
Im letzten Schritt ist eine Begründung wichtig, welche die didaktischen Entscheidungen erklärt. Dies passiert sowohl auf Basis einer geschichts- und gesellschaftstheoretischen, sowie einer psychologischen Reflexion. Diese Begründungen werden mithilfe von fachdidaktischen und allgemeindidaktischen Modellen gerechtfertigt.
Kuhn hat sich zudem für 3 Lernstufen entschieden, welche während des Unterrichts erreicht werden sollen. Zu Beginn des Themas bzw. der Unterrichtsstunde findet die Hypothesenbildung statt. Nachdem die Lehrkraft eine Leitfrage gestellt hat, sollen die Schüler vorerst die Problematisierung der Leitfrage erarbeiten und anschließend zusammen mit der Lehrkraft eine Hypothese bilden. Wurde diese erfolgreich gemeinsam aufgestellt, kommt es zum nächsten Punkt: Die historische Aufklärung. In dieser Stufe werden durch Recherchen und Quelleninterpretationen Informationen gesammelt und zusammen bewertet. Als letzte Stufe folgt daraufhin die Hypothesenüberprüfung. Durch die zuvor gewonnen Ergebnisse der Schüler, sollen diese die Hypothese auf ihre eigenen Erfahrungswelt übertragen und damit die Handlungsrelevanz erschließen. <ref>Bergmann/Kuhn/Rüsen/Schneider (1979): Handbuch der Geschichtsdidaktik Band 2. S.18 </ref>
Zum Vergleich führt Kuhn zwei weitere Lernstufen nach Jeismann und Schmid auf.
Schmid zufolge sollte die erste Stufe aus dem Einstieg und der Motivation der Schüler bestehen. Wichtig hierbei ist auch die Fragestellung und die Planung, die man zusammen mit den SuS erarbeitet.
Anschließend kann man in den Verlauf der Untersuchung, welche er noch einmal gegliedert hat, übergehen. Die SuS sollten zuerst einmal die  derzeitige Struktur analysieren und mit der heutigen Struktur vergleichen. Erst danach ist eine Ereignisanalyse möglich und sinnvoll. Haben die Schüler einen Überblick über das Thema, so können sie den Strukturwandel erkennen.
Im letzten Schritt sind die SuS dann bereit, einen Gegenwartsbezug herzustellen und somit am Ziel des Unterrichts angelangt. <ref> Bergmann/Kuhn/Rüsen/Schneider (1979): Handbuch der Geschichtsdidaktik Band 2. S.18 </ref>
Nach Jeismann besteht die erste Stufe schon aus Untersuchungen oder der Kenntnisnahme von Untersuchungen, mithilfe derer sich die SuS bereits erste Vorstellungen über das betreffende historische Ereignis oder den historischen Zustand bilden können. Daher sind die Schüler im zweiten Schritt schon bereit ein Sachurteil bzw. eine Kritik des historischen Ereignisses zu äußern.
Als Schlusspunkt setzt er die Wertung oder Stellungnahme eines Schülers, die er durch den Gegenwartsbezug zu seiner eigenen Position aufführen kann.
<ref> Bergmann/Kuhn/Rüsen/Schneider (1979): Handbuch der Geschichtsdidaktik Band 2. S.17 </ref>
Fazit: Wie man unschwer erkennen kann, haben alle drei dieser Autoren mit ihren Lernstufen das Ziel ein vorwissenschaftliches Verhältnis zu Geschichte durch Formen des wissenschaftlichen disziplinierten Umganges mit Geschichte in reflektiertes Geschichtsbewusstsein zu transformieren.


== Belege ==
== Belege ==
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Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag  
Gautschi, Peter (2011): Guter Geschichtsunterricht: Grundlagen, Erkenntnisse, Hinweise. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag  
Bergmann, Kuhn, Rüsen, Schneider(Hrsg.) (1980):Handbuch der Geschichtsdidaktik Band 2: Schwann Handbuch
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht : GWU; Zeitschrift des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands. - 62. (2011), H. 5/6 : Guter Geschichtsunterricht
Meyer Hamme, Thünemann, Zülsdorf – Kersting (2012): Was heißt guter Geschichtsunterricht?, Wochenschau Verlag
Kuhn, Anette (1990): Einführung in die Didaktik der Geschichte. Kösel Verlag


=== Weblinks ===
=== Weblinks ===
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URL: http://www.h-net.org/reviews/showpdf.php?id=30206, zuletzt aufgerufen am 02.08.2013
URL: http://www.h-net.org/reviews/showpdf.php?id=30206, zuletzt aufgerufen am 02.08.2013
URL:http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3375, zuletzt aufgerufen am 03.03.2014


=== Einzelnachweise ===
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<references />
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